Im Oktober diesen Jahres erschien mit „The Hunting Party“ das neue Album von Blind Ego, dem Soloprojekt des RPWL-Gitarristen Kalle Wallner. Nachdem das Review zum Album auf unserer Seite schon vorgestellte wurde, hier nun das Interview.
Du hast Blind Ego 2007 gestartet und mittlerweile bist du schon beim fünften Studioalbum.
Ich hatte einfach zu viele Titel, um sie alle mit RPWL zu veröffentlichen. Und dann waren da auch viele Songs dabei, die schlicht zu hart für RPWL waren und gar nicht zu der Band gepasst hätten. Ich hatte fast immer einen oder mehrere verschiedene Sänger dabei und konnte so viel ausprobieren. Beim Komponieren singe ich die Songs zwar selbst, aber stelle mir schon immer verschiedene Sänger für die Songs vor. Auf dem neuen Album habe ich mit Kevin Kearns jetzt einen Sänger gefunden, der aus dem Metal kommt, also eine ganz andere Baustelle, aber ein toller Sänger, sehr schnörkellos und geradlinig, aber auch mit sehr viel Emotionen, genau die Stimme, die ich mir gewünscht habe. Mit meinem Drummer Michael Christoph habe ich schon lange zusammen gespielt, und ansonsten mache ich ja viel selber. Ich habe auch den Bass gespielt und viele Keyboardparts, auch wenn Yogi mir da zur Seite stand, nicht nur beim mixen und mastern. Für die Konzerte haben wir dann einen zweiten Gitarristen mit Julian Kellner und am Bass Sebastian Harnack von Sylvan.
Es gibt Musiker, für die ist ein neues Album wie ein leeres Blatt Papier und sie beginnen ganz von vorn. Andere haben viel altes Material in ihren Schubladen. Wie ist das bei dir und wie entscheidet sich, wo ein Song schließlich landet?
Ich bin eigentlich immer am Schreiben, wenn ich die Gitarre in die Hand nehme. Wenn es dann konkreter wird, weiß ich oft schon, ob das ein Song ist, mit dem Yogi etwas anfangen kann und der dann für RPWL verwendet wird. Es kam aber auch schon vor, dass Songs, die zunächst für Blind Ego gedacht waren, dann zu RPWL gewandert sind. So pauschal kann man das also gar nicht sagen. Ich versuche mich frei zu machen von Gedanken, wofür der Song letztlich verwendet wird. Zunächst geht es mir darum, den Song fertigzustellen, und danach wird geschaut, wozu er passen könnte. Wenn dann aber ein, zwei Tracks für das neue Album fertig sind, dann wird es strukturierter und das restliche Material entsteht dann gezielt für das Projekt.
Also kommt es oft auf Yogi an?
Yogi singt ja für RPWL, da hängt es schon davon ab, ob er sich vorstellen könnte, den Titel zu singen. Er ist kein Metalsänger und manchmal sind die Stücke eben härter. Das ist der Unterschied zwischen einer Band und einem Soloprojekt. In der Band trifft man die Entscheidungen gemeinsam, lotet Sachen aus und probiert sie. Beim eigenen Projekt muss man auf so etwas keine Rücksicht nehmen und kann frei Schnauze entscheiden, wie man es dann machen möchte.
Bist du an das Album herangegangen wie immer oder gab es etwas Neues?
Ich mag Herausforderungen. 2022 während der Pandemie, als man viel zu Hause saß, habe ich fast ein ganzes Instrumentalalbum („Voices“, Anm. Redaktion) geschrieben, weil ich es einfach mal probieren wollte. Bei RPWL handelt es sich oft um ein Konzeptalbum, wo man immer versuchen muss, Text und Musik besonders aufeinander abzustimmen. Bei diesem Album war es so, dass ich mit meinem Texter Dominik Feiner zusammen saß und wir entschieden, dass die Texte als erstes geschrieben werden sollten. Eine neue Challenge, aber auch sehr inspirierend.
Stand schon fest, wer die Songs singen würde, als du sie geschrieben hast?
Ich hatte den Typ von Sänger im Hinterkopf. Ich wollte jemand aus dem härteren Rock, jemand der auch mal richtig Gas geben kann, mit nicht so viel Pathos wie auf den anderen Alben – schnörkellos, aber ohne an Emotionalität zu verlieren. Das war das Profil, nach dem ich gesucht hatte. Eine gute Freundin aus dem Business hat mir dann Kevin vorgeschlagen. Er kommt aus dem Metal Core, wirklich eine ganz andere Richtung. Die Musik mag ich eigentlich ganz gern, aber der Gesang gefällt mir oft nicht. Aber er hatte Bock darauf, ihm gefielen die Songs und wir haben dann beschlossen, dass er bei sich zuhause einige Songs einsingt. Und das Ergebnis war sehr positiv, man konnte hören, welch ein Potenzial er hat, außerhalb seines eigentlichen Musikstils. Er kam dann ins Studio und wir haben einige Tage an den Demos gearbeitet, und da war ich schon begeistert. Das hat sich dann bei den eigentlichen Aufnahmen auch bestätigt.
Tatsächlich bekommt Kevin den Balanceakt zwischen Härte und Gefühl sehr gut hin.
Und gerade vor diesen emotionalen Aspekten hatte er wohl den meisten Respekt. Aber er ist da über sich hinausgewachsen und hat wohl auch Dinge an seinem Gesang entdeckt, die er vorher gar nicht kannte.
Das heißt, du hast ihn aus seiner Komfortzone gelockt?
Das musste ich eigentlich gar nicht. Wenn man zusammen arbeitet, merkt man, ob es funktioniert und ich war mir relativ schnell sicher. Und spätestens nach der Produktion war auch Kevin davon überzeugt. Wir sind jedenfalls alle sehr happy mit dem Ergebnis.
Während man RPWL im Progressive Rock ansiedelt, würde ich „The Hunting Party“ einfach nur als – wenn auch sehr gutes – Rockalbum bezeichnen.
Das geht mir auch so, aber ist es ja eigentlich euer Job als Journalisten jetzt irgendwelche Schubladen zu finden, die passen. Für mich ist es einfach Musik und bei Musik ist es eben so, sie berührt dich, oder sie berührt dich eben nicht. Dass es ein Rockalbum geworden ist, liegt vielleicht auch daran, dass die Texte zuerst da waren. Und es sind auch Songs, die man eigentlich auf der Akustikgitarre komponiert, obwohl ich nicht so weit gehen würde, hier von einem Singer / Songwriter Album zu sprechen.
Na ja, dafür ist das Album deutlich zu rockig….
Das war ja auch der Plan!
Was die Lyrics angeht, gibt es diese zwei Fraktionen. Die einen schreiben Texte, die klar verständlich sind, die anderen lassen da dem Hörer deutlich mehr Freiraum. Zu welcher gehörst du?
Ich mag es schon, wenn die Texte relativ vage sind und den Hörern die Möglichkeit geben, sich in den Song hinein zu denken und zu interpretieren. Oft sind es ja auch nur kurze emotional Szenen, die da ablaufen. Bei „Hunting Party“ zum Beispiel wird mit diesem Perspektivwechsle gespielt, ist man der Jäger oder ist man der Gejagte. Es sind oft düstere Texte, und da geht es dem Dominik wie vielen, man schreibt sich auch schon Sachen von der Seele – über die eigenen Dämonen schreiben, dass man sie dann erledigt hat, oft sehr persönliche Themen. „In A Blink Of An Eye“, die erste Single, ist da vielleicht eine Ausnahme. Es geht es darum, wie sich in einem Augenblick das ganze Leben verändern kann, egal ob das des Einzelnen oder der ganzen Gesellschaft. Dinge wie die Pandemie oder jetzt die Kriege oder das Klima, das kann man ja alles nicht wegdenken. Ob jetzt bewusst oder unbewusst, als Künstler kommt man an solchen Themen nicht vorbei. Bei dem Song ist das sehr konkret und das Gitarrensolo am Ende hat schon fast etwas tröstliches, wie die Hoffnung, dass wir es doch noch irgendwie hinkriegen.
Auf jeden Fall hast du ein schönes Album hingekriegt!