Werkschau Marek Arnold (Teil 1) „Erste zwei Jahrzehnte“

Wer sich als Liebhaber im Bereich anspruchsvoller Rockmusik etwas für deutsche Künstler interessiert, der kommt um den Namen Marek Arnold, im sächsischen Meerane geboren und aufgewachsen, inzwischen nicht mehr herum. Er ist ein meist gut gelaunter, etwas introvertierter Kultur-Tausendsassa, in dem sich wahrlich ein musikalischer Titan versteckt. Ich habe mich bisher mit unzähligen Biografien abseits der ausgetrampelten Pfade beschäftigt, dabei für mich viele leuchte Edelsteine an die Oberfläche gebracht. Aber nur wenige leuchten so strahlend hell und von unterschiedlicher Seite gesehen anders.

Ich bin über viele von Marek’s Projekte, die ich dankenswerterweise in den letzten Jahren intensiv begleiten durfte, tief in das üppige und komplexe Universum dieses unscheinbaren, bescheidenen, studierten Musikers (Hochschule für Musik und Theater Leipzig) eingetaucht. Seine Liebe für Musik und alle Menschen die sich zusammen mit ihm damit beschäftigen ist immer sehr stark spürbar. Vielleicht ist das sogar sein unerschöpflicher Brennstoff für seinen unermüdlichen Einsatz für die deutsche Musik-Kultur und darüber hinaus. All das genannte macht ihn berechtigterweise deshalb ebenso überaus beliebt bei seinen Freunden in jedem Bereich; Schüler, Musiker, Fans, Veranstalter, Labels, Magazine; des globalen Musik-Zirkus und er ist inzwischen weltweit bekannt und gut vernetzt. Wer sollte ihm beispielsweise ein Interview für einen Podcast abschlagen, den produziert er seit 2024 für das digitale Magazin & Internet-Radio Stone Prog. Ein sehr modernes, zeitgemäßes Format, das es inzwischen auf über 38 kurzweilige Gespräche (Stand Januar 2025), mit Menschen die sich im Bereich Musik professionell beschäftigen, gebracht hat. Wenn man so will, vertrauliche Gespräche auf Augenhöhe unter Kollegen, bei dem mitgeschnitten und dann später digital eingestellt wird. Hört doch mal rein bei einigen der 30-minütigen Sessions, ihr werdet überrascht sein wie unterhaltsam und informativ sich dort ausgetauscht wird.

Aber dieser Podcast ist ja nur eine Facette von Marek’s Mammut-Arbeit. Schon mit der einleitenden Überschrift wird deutlich, welch ein Musiker hier porträtiert werden soll. Er hatte inzwischen bei fast einhundert Alben seine Finger im Spiel gehabt, in verschiedener Intensität sowie Art und Weise, wie man es so schön sagt. Und das ist ganz bewusst doppeldeutig gemeint, denn Marek spielt nicht nur mindestens ein Dutzend verschiedene Instrumente, er ist auch ein exzellenter Könner in Komposition, Arrangement, Produktion, Technik, Studioarbeit, Verknüpfen, eben ein immer konzentrierter, zielorientierter Tausendsassa. Jedes einzelne Werk seiner vielen Projekte hier detailliert vorzustellen würde sicher den Rahmen sprengen. Aber die wichtigsten Veröffentlichungen von Marek Arnold werden hier im Beitrag (und einem späteren zweiten Teil) ausführlich erwähnt und die Geschichten dazu versucht etwas nachzuzeichnen. Wegen der Übersichtlichkeit bin ich, bis auf eine Ausnahme, chronologisch vorgegangen. Von einem Zersplittern der fließenden Geschichte in Beiträge zu den einzelnen Bands und Projekten habe ich ebenso aus verschiedenen Gründen Abstand genommen. Ich habe bei den frühen Stationen der Karriere von Marek viel Hilfe und Unterstützung gebraucht. Das war bei jeder der bisherigen Werkschauen so gewesen und wird auch bei den kommenden interessanten Beiträgen dieser Serie nicht anders sein. Und Marek hat da eine Menge geliefert, nicht erst jetzt, sondern auch schon vorher bei den Interviews, beim Studio-Report, beim Vorstellen seiner letzten Alben und Projekte. Ich möchte mich ausdrücklich bei ihm für sein exzellentes Promo-Material und seine Offenheit bedanken, ohne das so eine Werkschau in dieser Dichte und Qualität nicht möglich gewesen wäre. Und auch wenn du, Marek damals, als du diese ganzen frühen Geschichten für deinen musikalischen Adventskalender mühsam zusammengetragen, aufgeschrieben und veröffentlicht hast, nicht damit gerechnet hast, dass sie noch einmal sehr wertvoll werden könnten, hier ist der Beweis wie gut deine (Vor)Arbeit auch hier war.

Das kleine Dorf Remse, nordwestlich von Zwickau, ländlich ganz in der Nähe von Waldenburg und zwischen den Städten Altenburg und Chemnitz gelegen, ist seine jetzige Heimat. Remse ist ein idyllischer Ort am Ufer der Zwickauer Mulde. Hier wohnt Marek Arnold mit seiner Frau, drei Kindern und einem lebhaften Hund. Er selbst sagt: „In meiner wilden Zeit in Leipzig habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, mal so ein Leben in einem kleinen bürgerlichen Haus mit Garten in einer dörflichen Siedlung auf dem Berg zu führen. Heute bin ich froh darüber.“ Ganz in der Nähe befindet sich ein komplett eingerichtetes modernes Tonstudio, sein B’Side-Music Studio. Dort habe ich, wie inzwischen unzählige interviewte für den Podcast, auch schon zweimal ganz bequem in der gemütlichen Lounge beim Käffchen zusammen mit dem gut gelaunten und gesprächsfreudigen Marek gesessen und über alles Mögliche gequatscht. Damals natürlich über die aktuellen Projekte – Zeiten, Ziele, vielleicht später Zukunft – mit seinem musikalischen Bruder Manuel Schmid, aber auch das erste 80-minütige Konzept-Solo-Album Marek Arnold’s Artrock Project, sowie das die Trilogie abschließende Album „THE?Truth“ von Seven Steps To The Green Door. Alle diese Alben sind inzwischen erfolgreich veröffentlicht und dazu haben wir bei Stone Prog natürlich immer zeitnah verschiedentlich berichtet. Aber chronologisch am Ende des Beitrags gibt es noch einmal ein paar Worte mehr dazu. Aus gut unterrichtenden Kreisen weiß ich, dass die Arbeit an den Nachfolgern im vollem Gange ist, Marek quillt halt über an Kreativität, das sollte meiner Meinung nach hoffentlich noch lange ungebremst so weitergehen.

Ich verfolge die Geschichte dieses Ausnahme-Musikers Marek Arnold schon sehr lange. Ich habe bereits massenhaft Konzerte seiner verschiedenen Projekte erlebt. Er spielt sich nie in den Vordergrund, obwohl er immer eine tragende Rolle spielt, er ist Teamarbeiter, der das kollektive Zusammenspiel fördert und vorlebt. Er ist ein echtes Kreativ-Kraftwerk, hat mit seiner Arbeit in circa zwei Dutzend Projekten inzwischen eine fast unüberschaubare Menge Kollegen, Bands und Projekte unterstützt und gefördert. Er atmet wie ich Musik seit Geburt. Er fand in seiner Familie glücklicherweise den Nährboden für aktives Musizieren mit Instrumenten. Mein Lebensweg ist anders verlaufen, aber bis heute auch maßgeblich von Musik geprägt. Er selbst sagt: „Der Berufswunsch Musiker stand bereits im zarten Alter von 4 Jahren fest – so wurde mit 5 die Blockflöte und mit 8 Jahren die Klarinette gequält.“ Er war jahrelang Mitglied im Jugend-Blasorchester Meerane, mit 15 erlernte er zusätzlich Saxophon und spielte sofort auch im Salon-Orchester von Wolfgang Prager. Seinen ganzen klingenden Lebensweg hier nachzuzeichnen sprengt ebenso den Rahmen, kann aber auf seiner sehr strukturierten Web-Seite von B’Side-Music und den einschlägigen digitalen Archiven im Detail nachverfolgt werden. Dennoch hier schon mal einige weitere Stationen als Eckpunkte seiner Profi-Musiker-Karriere. Die Band-Geburtsstunde waren die Prog-Metaller Toxic Smile (bislang 8 Alben). Völlig andere Klänge mit der Swing/Jazz-Formation Passage, literarisch-musikalisch bei Die Stiehlblüten, oder beim kurzzeitigen Pop-Rock-Projekt Gabria.

Gabria 2006 (Promo)

Nach deren Auflösung entstand 2012 daraus aber das Band-Projekt CYRIL (4 Alben bis heute). Bereits 2004 fand sich ein weiteres interessantes Crossover-Prog-Bandprojekt Seven Steps To The Green Door mit Musikern der unterschiedlichsten Herkunft mit ihm zusammen. Deren Debüt „The Puzzle“ erschien im August 2006 und konnte auf Anhieb den Deutschen Rock-und Pop-Preis in immerhin zwei Kategorien gewinnen. Das dreiteilige Meisterstück „THE?Book“ (2011), „THE?Lie“ (2019), wurde mit „THE?Truth“ nun im Sommer 2024, endlich nach sagenhaften fast 14 Jahren wie Marek sagt, mit einem fulminanten Finale und einem Triple-CD-EarBook würdig abgeschlossen. Später im Text noch viele weitere interessante Infos und Anekdoten auch zu den oben genannten wichtigen Stationen und darüber hinaus.

Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt in Marek Arnold’s aktuellen Berufsleben ist neben seinen mannigfaltigen Musik-Projekten auch immer noch die Freie Jugendkunstschule Waldenburg. Bereits am Anfang seines Studiums 1994 begann Marek Keyboard, Saxophon, Klarinette, Blockflöte zu unterrichten, seit 2006 ist er an der Jugendkunstschule Waldenburg für genau diese Instrumente, aber auch für Kurse in Musik-Produktion zuständig. Er leitet dort Ensembles, arbeitet am sehr interessanten Bandklassen-Konzept mit und betreut das Tonstudio der Jugendkunstschule. Somit können die jugendlichen Talente sehr früh und hautnah von den vielfältigen Erfahrungen dieses professionellen Musikers sowie Musikpädagogen Marek Arnold profitieren. Ein fundamentaleres Lernen und Trainieren näher an den realen Wurzeln gibt es kaum. Diese besondere Schule, bereits 1998 gegründet, ist eine vom Sächsischen Kultusministerium genehmigte Ergänzungsschule in Trägerschaft des Vereins Europäisches Gymnasium Waldenburg. Damit wurde ein modernes Modell geschaffen, das bundesweit für Aufsehen gesorgt hat und in dieser Form – Gymnasium und Jugendkunstschule – sehr eng verzahnt unter einer gemeinsamen Trägerschaft und unter einem Dach in Deutschland in dieser Größe und Breite bisher wenig Beispiele hat. Ich kenne ähnliche Beispiele im naturwissenschaftlichen Bereichen, aber im Bereich Kunst ist Waldenburg sicher ein herausragendes Beispiel. Nach diesem kleinen Ausflug zu wichtigen Stationen auf Marek’s Lebensweg, geht es nun im weiteren Text zurück zu seinen musikalischen Anfängen, chronologisch dann weiter zu vielen Karriere-Meilensteinen und zuletzt im zweiten Teil dieser Werkschau über viele weitere Stationen bis zu den Nachfolgern seiner aktuellsten Projekte.

Wie Marek Arnold selbst behauptet, nahm der Wahnsinn 2000 seinen ernstzunehmenden Anfang, wobei es auch schon lange davor mit der Klamauk-Truppe Die Herren (1993: „Das Perfekte Chaos“, MC), dem Solo-Debüt (1995: „Pictures“, MC) sowie einigen kompositorischen Beiträgen zu verschiedenen Kompilationen schon beachtliche Lebenszeichen gab. Aber aus heutiger Sicht ist sicher das Formieren der Band Toxic Smile und die Veröffentlichung von „Madness And Despair“ (kurz „M.A.D.“) sicher immer noch der entscheidende Startschuss für die Karriere der beteiligten Musiker, aber besonders auch von Marek. In einer Phase seiner musikalischen Selbstfindung war die Initialzündung zufällig die Musik von Dream Theater, die seine ersten Ideen für komplexere, keyboardbetontere Kompositionen bei ihm auslösten. Mit dem 17-jährigen Schlagzeuger Daniel Zehe und dem virtuosen Gitarristen Uwe Reinholz waren glücklicherweise schnell kreative Gleichgesinnte gefunden und kurze Zeit danach mit seinen Freunden Michael Brödel alias Larry B. (Gesang) und Robert Brenner (Bass) das Bandgefüge etabliert. Diese vier immer noch befreundeten Musiker kreuzen immer wieder die musikalischen Wege von Marek und seinen Aktivitäten bis heute.

Toxic Smile – M.A.D.

Dazu später im Text einiges mehr. Während der Produktion der CD überschlugen sich dann die Ereignisse. Über Daniels Freundin gab es Kontakte nach Süd-Korea. Das Label BMG Music in Seoul veröffentlichte die bereits ausverkaufte deutsche Erstauflage von F.-Act-Records überraschend 2001 noch einmal, die stieg dort gleich hoch in den Album-Charts ein. Toxic Smile war plötzlich und unerwartet in Korea auf Promo-Tour, gaben Autogrammstunden und unzählige Interviews im Hilton, gastierten bei Radiosendern, hatten einen Stadion-Auftritt mit Slayer und Sepultura, MTV war auch zu Gast und sie dinierten in Nobel-Restaurants mit ihrer mehrköpfigen Crew. Ein kometenhafter Aufstieg, unbezahlbare Erfahrungen. Die Ballade „Daydream“ schaffte es sogar in die koreanischen Charts, „Owner Of A Lonely Heart“ (YES) und ein Titelfoto auf einer der größten Musikzeitschrift Südkoreas half die Bekanntheit der Band weiter zu vergrößern. Aber das speziell von Marek unter extremen Zeitdruck für Korea komponierte Lied-Epos „Arirang“ (beliebtestes Volkslied Koreas, Nationalhymne gesamtkoreanischer Mannschaften, Namensgeber nordkoreanisches Festival, immaterielles Kulturerbe der Menschheit) war ein Glücksfall bis heute. Noch heute ist Marek berechtigt stolz auf diese Komposition und nicht ohne Grund nimmt er den Faden dazu immer wieder auf. Toxic Smile spielten im April 2018 ihr Abschluss-Konzert beim Artrock Festival in Reichenbach im Vogtland, veröffentlichten bis dahin acht offizielle Werke, zuletzt „Farewell“ (2015).

Toxic Smile Abschiedskonzert 2018

Berechtigt ultrahoch motiviert, voller Pläne und Ideen kam das junge Quintett aus Süd-Korea zurück und machte sich unmittelbar an die Ausarbeitung der bereits begonnenen Song-Skizzen für das Nachfolge-Album. Toxic Smile arbeitete und probte intensiv, motiviert, energisch und kreativ, die musikalischen Ergebnisse waren für die Band dadurch in Qualität und Ausrichtung tatsächlich höchst zufriedenstellend. Aber nachdem die Koreaner die Demos dann bekommen hatten, kam der große Frust. Das neue Material wurde praktisch ignoriert, stattdessen wollte man Schmacht-Balladen und Cover im Stil von „Wonderful Tonight“. Aber das hatte absolut nichts mit der Musik zu tun, die Toxic Smile eigentlich machen konnte und wollte, also wie so oft der übliche Wahnsinn in dieser Branche. Was tun; resigniert als gezähmte Asiensofties dieser Neuausrichtung desillusioniert zuzustimmen und die geschlossenen Verträge erfüllen oder unter einem neuen Namen Neustart mit der von Band gewünschter Ausrichtung und damit stolz seine Eigenständigkeit behalten ?? Man entschied sich unter engagierter technischer Begleitung von Andy Horn und seinem kleinem Label Famous Kitchen für die eigene Identität und Unabhängigkeit. „RetroTox Forte“ erschien dann mit etwas Verspätung 2004, glücklicherweise aber weiter unter der Flagge Toxic Smile. Das weinende Auge, ein Verzicht auf ein fortführen einer vermeintlich großen Karriere in Asien. Das lachende, eine progressive Identität ohne Namensänderung bis April 2018 (und darüber hinaus) behalten und damit bleibend ein deutliches Ausrufezeichen für qualitativ hochwertige deutsche Rock-Musik setzen. Der Titel „Pyramid“ ist bis heute sehr beliebt und die Geschichte dazu geht später weiter. Ein erwähnenswertes Nebenprojekt von Marek Arnold als Gast war zu der Zeit Testimony, eine deutsche Heavy-Metal-Band, die sogar das Album „Picadilly Circus“ (2004) veröffentlichten. Warum ich das erwähne, auch hier ist eine musikalische Freundschaft geblieben, denn Sänger Ronny Gruber erhob auch seine Stimme bei den ersten drei Alben von Seven Steps To The Green Door.

Der dritte Streich von Toxic Smile innerhalb von nur fünf Jahren und dann bereits mit einem mehr als wahnwitzigen Projekt. Marek: „Wenn ich zurückschaue auf die Projekte der letzten Jahre, dann gibt es nur zwei, bei denen es wirklich gut war, zu Beginn deren Dimension nicht zu kennen, sonst wären sie aus Ehrfurcht vor Zeit- und Kostenintensität womöglich nie in Angriff genommen worden.“ Zunächst plante das Quintett eine Unplugged-EP, die entwickelte sich aber immer weiter in Richtung „Rock-Band trifft auf klassisches Orchester“. Da gibt es übergroße Vorbilder, alle mit riesigen Budget ausgestattet, aber wir sprechen hier von einer noch heimisch unbekannten jungen (aber talentierten) deutschen Band. Die hat aber Visionen, Leidenschaft und Förderer. Ein komplettes Album mit neuarrangierten Titeln zusammen mit kleinem Orchester und erweitertem Chorgesang sollte es schlussendlich sein. Ich habe jetzt etwas Schnappatmung und zwar deshalb, weil ich mit Milla Kapolke (Green, Grobschnitt) einige Male über sein komplexes Projekt „Symphonic Floyd“ gesprochen habe. Ich habe die fast 4-stündige Aufführung mehrmals Live erlebt und kann nur sagen, wie „Bilder Einer Ausstellung Live“ von Stern Meißen, sind beides Meilensteine des progressiven Rock. Nur hier befinden wir uns im Zeitstrom bei 2006 und die Initiatoren sind die fünf aufstrebenden Musiker von Toxic Smile. Schlagzeuger Daniel Zehe, er war damals nach dem Split mit BMG in Süd-Korea als Einziger unglücklich, verließ die Band und glücklicherweise fand sich in Antonius Grützner schnell ein motivierter und brillanter Nachfolger. Er hatte auch Kontakte zu Weimarer Musikhochschule und Raoul-Philip Schmidt. Der hatte nicht nur auch Kontakt mit Paul Momberger, dem Dirigenten der Neuen Philharmonie Frankfurt, sondern hielt fortan die vielen organisatorischen Stricke des entstehenden Klassik-Projekts leidenschaftlich in seinen Händen.

Marek’s Erinnerungen dazu, von der kompletten Neubearbeitung des Materials, über Proben, bis hin zu den Aufnahmen und danach, liest sich wie eine spannende Kurzgeschichte. Es waren sehr viele Personen an diesem Mammut-Projekt beteiligt, einige sollten hier erwähnt werden: Steven Tailor, Matthias Hirth, Friedemann Condé, Frank Sattler, Andy Horn, Robert & Thomas Brenner. Für die finalen Videoaufnahmen im März 2005 bot Schloss Waldenburg eine sehr passende Spielstätte mit perfekter Atmosphäre und Kulisse. Trotz vieler technischer Probleme wurde die DVD „Toxic Smile & Classic Extension Orchestra“, auch mit einer schönen Version von „Pyramid“, dann doch noch fertig gestellt, in 300er Auflage in Eigenregie veröffentlicht und war natürlich umgehend vergriffen. Marek (damals): „Eine Neuauflage ist aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich.“ Stimmt nicht ganz, denn ein großer Förderer der Kunst von Marek Arnold hat 2017 die DVD noch einmal auf seinem Label Progressive Promotion Records veröffentlicht. Hier erst mal eine ganz große Verbeugung vor Toxic Smile, allen Beteiligten an diesem Projekt und Oliver Wenzler.

Während der Vorbereitungen zu dem Klassik-Projekt gastierte Toxic Smile 2004 wieder einmal im Bergkeller Reichenbach. Dort wurde Marek Arnold vom Schlagzeuger Ulf Reinhardt direkt angesprochen, ob er nicht Interesse an einer weiteren Bandgründung hätte, mit Heiko Rehm (Bass, mit Ulf bei Mothers Pride) und Andreas „Eddy“ Gemeinhardt (Gitarre) hätte man schon passende Mitglieder dabei. Als erstes akzeptables Material Form annahm, führte die Suche nach einem Sänger glücklicherweise zuerst zum jungen Lars Köhler (alias Lars Kehlor). Gerne wollte man jedoch der Band ein signifikantes Profil geben und von Beginn an mit gleich drei Vokallisten arbeiten. Mit Marek’s Schulfreund Ronny Gruber, wie bereits erwähnt, spielte er mit ihm bei Testimony, war schnell ein zweiter Sänger gefunden. Dann mit der warmen Stimme von Enna Nnamtuart alias Anne Trautmann kam, wenn auch erst fast vor Abschluss der Aufnahmen, die perfekte dritte Stimmfarbe ins Boot. Die Band war nun komplett, die Demos irgendwann eingespielt, fehlte nur noch der passende Name. Ulf hatte Seven Steps To The Green Door (SSTTGD) in die Runde geworfen, der Name des Debüts seiner mittlerweile aufgelösten Band. Der wurde natürlich sofort verworfen, zu lang, schräg, komisch. Aber mangels besserer Alternativen und Gewöhnung an das Ungewöhnliche war die Marke dann doch gesetzt. Technisch wurden das Debüt „The Puzzle“ (2006) von Thomas Schäfer (F.O.E.N. Musikproduktion) auf Hochglanz poliert, veröffentlich vom kleinem Label F.-Act-Records und Vorbesteller bekamen die CD mit einer übergroßen Gimmick-Halterung gebogen in Form eines Puzzleteils. Erste Bandinfo: „Wenn eine Band mit ihrem Debüt den ersten Platz beim renommierten Deutschen Rock- und Pop-Preis gleich in den beiden Kategorien Progressive und Experimental gewinnt, dann lohnt es sich, genauer hinzuhören!“ Wie wahr. Das neue Material wurde bei einer kleinen Ostsee-Visite und beim 2. Artrock-Festival 2007 am vogtländischen Wahrzeichen Göltzschtalbrücke (weltgrößte Ziegelstein-Brücke) erfolgreich vor Publikum getestet.

Nun mal richtig in Schwung gekommen, ließ „Step In 2 My World“ (2008), der zweite Streich der SSTTGD-Familie, nicht lange auf sich warten. Es war die erste umfangreichere Produktion die Marek in seinem Studio fast allein stemmte, die durch seine inzwischen vielen weltweiten Kontakte bei Progrock Records von Shawn Gordon (Psychic For Radio) erschien und international für mehr Wahrnehmung sorgte. Durch diese Produktion entstanden später weitere langjährige und fruchtbare Kontakte (und daraus resultierende musikalische Projekte), beispielsweise besonders zu Guy Manning, United Progressive Fraternity, Martin Schnella (Flaming Row), DAMANEK. Später im Text und im zweiten Teil der Werkschau kommen wir immer wieder zu Marek’s Freunden. Um die beiden Teile der Werkschau nicht zu unübersichtlich zu gestalten, noch einmal der Hinweis, das Marek inzwischen eine fast unüberschaubare Anzahl von Gastbeiträgen bei anderen Kollegen hatte, die ich immer nur punktuell beleuchte, aber in der Summe später zu ebenso vielen Gastbeiträgen von Kollegen zu seinen eigenem The Artrock Project führten. Dennoch möchte ich hier noch die Bands Coloured Rain mit „Celebrate!“ (2005) und Gabria, aus dieser entwickelte sich später CYRIL, mit „Every Moment, Every Minute“ (2010) erwähnen. Aber auch noch „Live In München“ (2006), Marek spielt hier mit 3 Freunden leise, entspannte Töne weit abseits des Prog, die Liveband Passage. 2010 folgte noch „Weihnachten mit Passage“.

Passage 2016 (Promo)

Mit „Overdue Visit“ (EP, 2009) beginnt die bis heute andauernde Reise mit Progressive Promotion Records (PPR) vom Prog-Scout Oliver Wenzler und das auch noch bei den anderen Projekten von Marek Arnold. Nach dem kräftezerrenden DVD-Projekt und damit zweiten harten Belastungsprobe für Toxic Smile kehrte hier erst einmal lange etwas kreativer durchaus nachvollziehbarer Leerlauf ein. Und trotz einiger Auftritte, beispielsweise auch mit Riverside im Rind Rüsselsheim, kam erst wieder Schwung in die Truppe, als Oliver den sich auflösenden Haufen mit Nachdruck wieder Motivation in die Blutbahnen pumpte. Eine Veröffentlichung muss her, dazu ein Label, PPR war geboren und Toxic Smile wieder zumindest mit einer EP in der progressiven Spur.

Toxic Smile – Overdue Visit

Hier verlasse ich kurz den chronologischen Faden um die Geschichte mit dem Retter und dem fünften doppeldeutig etikettierten Werk „I’m Your Saviour!“ (2011) flüssig weiterzuerzählen. Leider verlässt Antonius Grützner nun die Band und Robert Eisfeldt wird nun der dritte Mann hinter den Trommeln. Die ehemals Leipziger Truppe hat sich etwas in den weiter umgebenden Regionen verstreut und auch Familien gegründet, normale Entwicklungen, die aber das kollektive Zusammenarbeiten nicht einfacher machte. Aber man war älter und erfahrener geworden, die Wiederbelebung durch Motivator Oliver war auch Ansporn und die Aussicht mit noch weiteren großen Taten die sich im Entstehungsprozess befanden doch noch die Geschichte mit Toxic Smile erfolgreich weiterzuschreiben, doch zu verlockend. Neue Kreative bei technischer Politur (Markus Teske), Cover-Gestaltung (Robert Brenner) sowie die gute Beurteilung der druckvollen Produktion ließen mit dem ersten Studioalbum nach 7 Jahren Pause Toxic Smile quasi wieder auferstehen. 2013 brachte neben dem Debüt von CYRIL (Gone Through Years) auch eine Gastrolle beim Album „The Root, The Leaf & The Bone“ vom Projekt Manning (nach 2011: Margaret’s Children), das Album „Wir Singen Dem Monster Ein Lied“ für die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (zwei Kompositionen und Mastering) und ein paar weiteren Gastrollen, sowie auch das Album „7“ von Toxic Smile. Wer in diesem bisherigen Text durchzählt, kommt bisher auf 6 Veröffentlichungen. Aber es gibt noch eine Bootleg-DVD „Live At Progparade V“ (2006). Bemerkenswert an Nummer „7“ waren 3 Dinge. Erstmals folgte die Entstehung gewollt einer komplett neuen Strategie. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war leider etwas ungünstig gewählt, dadurch wurde das Album vom Konsumenten und Berichterstattung kaum wahrgenommen. Es war das erste Album, das technisch maßgeblich in den Händen von Martin Schnella (Flaming Row) im Overlodge Recording Studio lag. „7“ ist bis heute ein Album, das Fans überrascht und mit zuletzt „Farewell“ (2015) und dem Auftritt beim Artrock Festival wurde 2018 das Kapitel Toxic Smile vorerst geschlossen.

Wieder im chronologischen Zeitstrom zurück, nach 2011 zu Marek’s bislang veröffentlichungsreichsten 12 Monate und Mitarbeiten beim Debüt „Elinoire“ von Flaming Row, bei „Margaret’s Children“ von Manning, intensivsten Arbeiten am Konzept-Album „THE?BOOK“ von SSTTGD, sowie den kurzzeitigen Einstieg bei der Stern Combo Meissen (SCM). Weit über 20 Jahre mussten die Fans auf „Lebensuhr“ der legendären Band aus Sachsen warten und die sogenannten jugendlichen Wilden Marek Arnold sowie Robert Brenner und Larry B. haben gerade durch ihre Beiträge ohne Frage großen Anteil an dem Erfolg dieses Comeback-Albums. Marek: „Ich freue mich, dass ich auch ein paar Texte gemeinsam mit Norbert Jäger und meinem Dad Dieter einbringen konnte.

Stern Combo Meissen 2010 (Promo)

Was ich persönlich noch immer sehr mag, übrigens auch in der neuen Version mit Manuel Schmid von 2014, ist „Es Geht Die Zeit“. So markiert die „Lebensuhr“ einen sehr wichtigen Einstieg in den deutschen Artrock für mich, und mit eigenen Songs Teil der Historie dieser einzigartigen Band zu sein, ist nach wie vor etwas Besonderes.“

Stern Combo Meissen – Lebensuhr

Die zweite Veröffentlichung 2011 war ebenso bedeutend für Marek. Seit „Step In 2 My World“ (SSTTGD) bestand die Verbindung mit Musiker, Techniker, Produzent Martin Schnella, der gemeinsam mit Kiri Geile an einem neuen Prog-Metal-Konzept-Album „Elinoire“ (2011, PPR) arbeitete. Sie wollten unbedingt Marek für Flaming Row gewinnen, der war aber gerade in den Vorbereitungen für die ersten Auftritte mit SCM sowie in den Arbeiten an den beiden weiteren Veröffentlichungen von Toxic Smile und SSTTGD. Nach Anhören der ersten Demos war Marek begeistert, kurze Zeit später bereits die gemeinsame Arbeit aufgenommen und es entstand eine tiefe Freundschaft, die bis heute Bestand hat.

Flaming Row 2012 (Promo)

Martin & Marek gehören zu den Besten musikalischen Multitalenten, die wir im deutschsprachigen Raum haben, kreative Schwerstarbeiter, wunderbare Menschen und wahrlich Aushängeschilder der heimischen Kulturszene. Ich habe 2023 beide in ihren heimischen Habitat’s Osterode und Remse besucht, nachzulesen hier bei Stone Prog unter Studio-Report. Zwangsläufig führte es dazu, das Martin in der Folge auch zu SSTTGD stieß, hier schließt sich wieder einmal ein logischer Kreis. Nicht nur, dass die Band aus herausragenden Musikern bestand, gelang es Martin Schnella obendrein noch ein paar der einflussreichsten internationalen Prog-Musiker für das Debüt von Flaming Row zu gewinnen, Brendt Allman und Gary Wehrkamp (Shadow Gallery), Billy Sherwood (YES), Jimmy Keegan (Spock’s Beard) und einige mehr. Sie machten dieses Projekt umso spannender und mit 10-köpfiger Besetzung wurde es sogar mehrfach live präsentiert.

Auch das dritte Album „THE?BOOK“ von Seven Steps To The Green Door, Marek’s insgesamt viertes großes Projekt 2011, hat eine lange und äußerst komplexe Vorgeschichte. Die Arbeiten dazu begannen bereits direkt nach der international erfolgreichen Veröffentlichung des Vorgängers „Step In 2 My World“ (2008) und wer mehr Details kennt, wundert sich, dass dieses Konzept-Album, geplant als erster Teil einer Trilogie, nun bereits schon 2011 erschien. Diese von Thoralf Koss gelieferte Geschichte liest sich sehr lebendig, hier ist aber zu wenig Platz für alle Details. Aber beim Arbeiten an den Texten einiger Werkschauen und vielen Gesprächen sind bei mir neue Ideen entstanden um die verschachtelten Geschichten vieler vorher hier genannten Protagonisten vertieft zu bündeln und am Leben zu enthalten. Um es noch einmal an dieser Stelle deutlich zu sagen, wir sprechen von prägender moderner Zeitgeschichte im Bereich deutscher anspruchsvoller Rockmusik.

Aber zurück zu „THE?BOOK“ von SSTTGD. Beim diesem Projekt, das erst 2024 abgeschlossen wurde, wurde absolut nichts dem Zufall überlassen, alle Band-Mitglieder arbeiteten fleißig an dem neuen Album, es entwickelte sich kontinuierlich weiter, die Mosaikstücke rückten immer näher zusammen. Nach Marek’s Anruf kam glücklicherweise Thoralf Koß mit hinein in den Entstehungsprozess. Er schrieb ein umfangreiches komplettes Storybook mit verschiedenen Handlungssträngen, Charakteren und tollen Ideen, über Glauben, Vertrauen und Selbstverwirklichung, die er später den Musikern bei einer Probe vorlas und für Begeisterung sorgte. Nun ging es daran, Musik und Gesang hautnah mit der Geschichte zu verweben, eine schwierige, monatelange Arbeit, denn es mussten die wesentlichen inhaltlichen Bausteine mit den vokalen Rollen von Mensch, Tier oder Maschinen verknüpft werden. Die Art von Musik-Projekt erinnert mich auch an Neal Morse und Arjen Anthony Lucassen, aber auch an einige andere vertonte Geschichten die bis in die 60er zurückreichen. Immer mehr Gäste an Instrumenten und Stimmen kamen dazu, das Werk wuchs weiter. Das Konzept wurde ohne Kompromisse weiterverfolgt bis zur würdigen Präsentation des fertigen Produkts in einem von Marek’s Frau Janine Rojé erstellten, umfangreichen 52-seitigen Mediabuch mit kompletter Geschichte in Deutsch und Englisch (Übersetzung: Diana Guenther). Aber auch nicht zu vergessen ist wieder einmal Oliver Wenzler, der SSTTGD nun mit dem dritten Album bei PPR übernahm und so half, „THE?BOOK“ auch einem noch breiteren Publikum vorzustellen. Drei Jahre harte Arbeit von vielen beteiligten Künstlern, viele Fragezeichen bei einem zwar guten, aber riskanten Konzept, aber am Ende ein voller Erfolg. Dank der Hilfe eines Freundes wurde später „THE?BOOK“ als kostenlose iOS-App umgesetzt (eBook, Musik und Game in einem).

Seven Steps To The Green Door – The ? Book

Und wer nun denkt 2012, war ein ruhiges und faules Jahr für den Marek, weit gefehlt. Es war nur ein wenig Durchschnaufen für das nächste Jahrzehnt. Gut ist, das er noch nicht wusste, was auf ihn zurollen sollte, dazu aber später mehr Details und Infos !! Mit diesem ersten Teil der Werkschau habe ich auf zwei Jahrzehnte Karriere von Marek Arnold bis 2013 („7“ von Toxic Smile) geschaut und versucht, die prägenden Stationen zu beschreiben. Im zweiten Teil, der ebenso in 2013 (mit dem Debüt von CYRIL) beginnt, wird es auch wieder spannend, denn auch in diesem Jahrzehnt ist einiges passiert. Zuletzt das zweite Duo-Album Ziele (A&O Records) zusammen mit Manuel Schmid, das erste Solo-Album Marek Arnold’s Artrock Project (Tempus Fugit), sowie das die Trilogie abschließende Album „THE?Truth“ von Seven Steps To The Green Door (PPR).

Cyril 2016 (Promo)
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