Lang, lang hat es gedauert. Als pandemiebedingt das ursprünglich für den 5. Oktober 2020 geplante Konzert mit Steve Hackett um über ein Jahr verlegt wurde, wollte man eine Verlegung so weit in die Zukunft nicht wahr haben. Wer hätte gedacht, dass dieses Konzert aus dem gleichen Grund nun immer noch am seidenen Faden hängen würde. So mancher Fan konnte wegen 2G-Pflicht nicht teilnehmen, Maskenpflicht während des Konzerts war immer noch angesagt. Aber es fand statt, man traf sich wieder mit Freunden die man lange nicht gesehen hat, freute sich auf tolle Musik und endlich wieder dafür rausgehen zu dürfen.
Der Kulturpalast Dresden als zentrale Spielstätte für Konzerte im Zentrum der Stadt wurde nach einer über dreijährigen vollständigen Schließung und komplettem Neubau des Konzertsaales im April 2017 neu eröffnet. Es gab jahrelang heiße öffentliche Diskussionen über die Nutzung, denn der Konzertsaal war nun nach kostenintensiver aufwendiger akustischer Austarierung baulich für klassische Konzerte konzipiert worden. Allerdings konnte man auf die einträglichen Pop- und Rock-Konzerte an dieser Stelle nicht verzichten, denn es gibt in der Stadt keinen ansprechenden Saal vergleichbarer Größe. Für einen Konzertbesucher, der sich üblicherweise nicht mit akustischer Physik beschäftigt ist es überraschend, dass Klassik-Konzerte ohne Verstärkung in diesem Raum phantastisch klingen mögen, es aber ein Riesen-Problem zu sein scheint, Rock- und Popkonzerte akustisch ansprechend abzubilden. Ich habe seit Neueröffnung des Kulturpalast Dresden vielleicht eine Handvoll Konzerte an dieser Stelle erlebt und war nie wirklich vom Klang begeistert. Es war allerdings zu erwarten, dass das Team um Steve Hackett das hin bekommt, denn insbesondere auf der aktuellen Tour werden nur eherne Konzertsäle bespielt. Und der Sound bisher erlebter Steve Hackett Konzerte war zu meist großartig. Leider war das Ganze in großen Teilen des Konzertes nicht der Fall. Später kommen wir darauf noch einmal zurück.
Pünktlich 20 Uhr betrat Steve Hackett gemeinsam mit Roger King, Rob Townsend, Jonas Reingold und Craig Blundell (in dieser Besetzung schon einige Jahre feste Begleitband) die Bühne. Der erste Teil des Konzertes war reichlich 30 Minuten von Steve Hacketts Solo-Material vorenthalten. Der Zeitrahmen der gespielten Songs war weit gefasst, von „Spectral Mornings“ (VÖ 1979) bis hin zum aktuellen Album „Surrender of Silence“ (VÖ 2021). Bei dem voller Vorfreude noch bevor stehenden erwartetem kompletten Abspielen des Genesis-Live-Klassikers „Seconds Out“ (Doppel- Album mit ca. 90 Minuten Länge) war die Steve Hackett Band damit gewissermaßen ihre eigene Vorband. Man hatte aber überraschenderweise Schwierigkeiten in das Konzert hinein zu kommen. Erstens saß der wesentliche Teil des Publikums wegen dem angekündigten Genesis-Teil im Saal, und zweitens war der zunächst schlechte Sound auffällig. Viel Brei, viel Hall, wenig Genuß. Bekam die Band davon etwas mit? Wahrscheinlich, denn es war richtig auffällig, dass die Musiker eher teilnahmslos ihre Job erledigten und gegenseitig sich kaum mal einen Blick oder gar ein Lächeln schenkten. Das kennt man von dieser Band eigentlich anders.
Die Verwunderung setzte sich in der ca. 30minütigen Pause fort. Denn offenbar war man zumindest heute nicht auf ein Rockpublikum im ehrwürdigen Kulturpalast vorbereitet. Trotz mehrerer Anläufe ist mir nicht gelungen, an einer der Bars ein Bier käuflich zu erwerben. Offenbar überraschte es das Personal, dass die überwiegend älteren Herren des Publikums mit einem Radler, einem Piccolo oder einem Mineralwasser getränketeschnisch nicht zufrieden zu stellen waren.
Aber es sollte zumindest musikalisch besser werden. Das angekündigte „Seconds-Out“-Album wurde tatsächlich komplett und am Stück gespielt, wobei die beiden letzten Stücke „Dance On A Volcano“ und „Los Endos“ als Zugabe gesetzt waren. Der Spaß bei der Arbeit der Männers um Steve Hackett nahm zu, auch der Sound wurde spätestens ab der Hälfte dieses zweiten Sets besser.
Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn jetzt kamen die richtigen Klassiker „Musical Box“ (Schlussteil), „Suppers Ready“ und „Cinema Show“ dran. So manche Hardcore-Fans, die jede vor 1978 erzeugte Genesis Note als Heiligtum betrachten, erschrecken nahezu bei Abweichungen von den Original-Versionen. Steve Hackett und seinen Mannen gelingt es brillant, diese Fan-Fraktion zufrieden zu stellen, aber auch kleine Variablen in die Stücke einzubauen. So empfand ich die Doppel-Akustik-Gitarre bei „Musical Box“ und „Suppers Ready“, gespielt von Steve Hackett und Jonas Reingold, hochgradig beeindruckend und emotional. Bei Drum-Solo in „Dance On A Volcano“ konnte sich Craig Blundell richtig austoben. Das Saxofon von Rob Townsend ist den Originalen ebenfalls fremd, passt aber genau dorthin wo es eingesetzt wird. Roger King hinter den Keyboards ist immer eine Bank. Und Nad Sylvan als zurückhaltender Lead-Sänger zeigt, dass er den Phil Collins genau so eindrucksvoll und intensiv ersetzten kann, wie er es bei den Peter Gabriel-Parts in vergangenen Konzerten getan hat.
Absolut nichts zu kritteln gibt es am Licht. Im Mittelpunkt standen die hoch über der Band angebrachten Scheinwerfer, die an vielen Stellen den Lichtvorhang erzeugten, wie man ihn vom Album-Cover „Seconds Out“ kennt. Es wäre interessant die Meinung von jemandem zu hören, der 1976 die Tour live gesehen hat, in wie weit die verwendete Lichtshow dem dortigen Original entsprochen hat.
Trotz der beschriebenen kleinen Abstriche war es ein insgesamt gelungener Abend. Möge man den Verantwortlichen ihre Fehler verzeihen, denn nach der langen Konzertpause braucht es sicher hier und da seine Zeit, um zur vertrauten Perfektion beim Ablauf eines Konzertes von vor 2020 zurück zu kehren.