Livereport – Midsummer Prog Festival 2022

Das 1916 vom bekannten niederländischen Architekten, Pierre Cuypers, in einen Berg gehauene Openluchttheater in Valkenburg (aus deutscher Sicht 30km hinter Aachen gelegen) erlebt nach zweijähriger Pause im Jahr 2022 sein insgesamt viertes Midsummer-Prog-Festival. Dieses muschelförmige Amphitheater ist eine wunderschön am Berg gelegene Veranstaltungsstätte. Rings herum Grün, der Bühnen- und Backstage-Bereich ist in den Fels getrieben, und eine angenehme Platzkapazität von 800 Sitzen eignen sich hervorragend, um ein eher kleines und beschauliches Musikfestival für eine ausgewählte Klientel an Fans durchzuführen. Dieses Event findet immer am Samstag in der Woche des längsten Tages des Jahres statt. Der Name kommt also nicht von ungefähr. Seit seiner Premiere im Jahr 2017 war das Festival auch immer ausverkauft, was für seine Organisatoren damit eine sehr gute Planungssicherheit bezüglich Einnahmen und Kosten bedeutet. Nach den aus bekannten Gründen ausgefallenen Festivals 2020 und 2021 konnte man nun also im Jahr 2022 wieder voll durchstarten. Sechs Bands scharrten mit den Füßen, teilweise das erste Mal nach der Pandemie wieder live aufzutreten. Und das gleich vor dieser Wand Publikum, wo der Musizierende jedem Einzelnen im Publikum während seines Konzertes in die glücklichen Augen sehen konnte.

Progressive Rock Festivals unterscheiden sich oft von anderen Festivals durch eine gewisse Unkompliziertheit und Freundlichkeit, von der Organisation her und auch von den Fans untereinander. Man begrüßt sich, herzt sich, und länderübergreifend freuen sich die Fans, sich wiederzusehen und gemeinsam ihrer Musik live huldigen zu können. Valkenburg legt da aber noch einen drauf. Das Naturtheater ist in unseren Augen einmalig schön. Dazu kommt, dass nach unkompliziertem Einlass (Die Security tut nur das notwendigste – auch hier lacht und scherzt man miteinander wie mit alten Freunden) beispielsweise Sitzkissen oder kostenlose Programmhefte bereitliegen. Durch das Programm führten Mitorganisator Ingo Dassen und Maartje Meessen, beide bekannt von der Band Lesoir, die hier in Valkenburg 2018 auch schon mit ihrer Band das Festival eröffneten.

Perfect Storm

Pünktlich um 12.30 Uhr beginnt PERFECT STORM ihr Programm. Diese den meisten Fans bis dato unbekannten Niederländer veröffentlichten 2021 ihr Debut-Album „No Air“. Die Band ist im Wesentlichen ein Baby ihres Gitarristen Gert-Jan Schurer. PERFECT STORM beschreiben ihre Musik auf der Homepage mit „schmetternden Gitarrenriffs, treibenden Drums, straffen Basslinien, samtigen Stimmen und bezaubernden Klavierparts“, und dass dieses neue Projekt einen „unwiderstehlichen Wirbelwind aus Hoch- und Tiefdruckgebieten in die Musiklandschaft“ bringt. Dies können wir als Konzerthörer so unterschreiben. Fünf der sieben Songs des Album werden aufgeführt.

Auf der Bühne wird das Konzert von dem gemischten Gesangsduo Hiske Oosterwijk und Adel Saflou getragen. Der zumeist verwendete Duett-Gesang kommt hier noch besser zur Geltung als auf dem Album. Hiske ist dabei nicht nur (sagen wir mal) spannend bekleidet, sondern sie singt sich an vielen Stellen förmlich die Seele aus dem Leib. Geschlossene Augen, ausladende Armbewegungen. Gesang zum Niederknien, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein toller Festival- Opener, der gleich nach Ende der Show mittags gegen halb 2 mal mit stehenden Ovationen verabschiedet wird.

Setlist: Perfect Storm

1.The Search

2. Sun For Life

3. No Air

4. Strength

5. How it Ends

KLONE

Nachdem wir KLONE auf der „Cruise To The Edge“ das erste Mal richtig Live kennenlernen durften, freuten wir uns ganz besonders, diese tolle französische Band nach so kurzer Zeit bereits erneut erleben zu dürfen. So viel Spannung und Atmosphäre, Druck und Energie aus der Musik heraus findet man selbst im Progressive- oder Art-Rock selten. Zwei Gitarristen, Bass und Schlagzeug bauen Sound-Wände in den Ohren und Gänsehäute an den Körpern der Fans auf den Rängen auf. Der Gesang von Yann Ligner muß aber noch extra hervor gehoben werden, er zeigt ein breites Stimm-Volumen, singt dabei präzise Töne mit viel Gefühl; zweifellos ist er die tragende Säule von KLONE.

Auf ihren letzten Alben gibt es dann auch nur noch Klargesang von Yann Ligner zu hören, und es ist eine klare Hinwendung zum New-Artrock zu konstatieren, als Beleg dafür, ist der energetisch- atmosphärische Anteil mehr geworden, was der Musik sehr gut tut und auch durch eine zunehmende Fanbase quittiert wird. Die Körpersprache der Musiker ist passend zu ihrer Musik zumeist angespannt und explosiv. So wird bis auf die Ausnahme von zwei Stücken auch komplett Material ihrer letzten beiden Studio-Alben „Here Comes The Sun“ (2015) und „Le Grand Voyage“ (2019) gespielt. Als letztes Stück spielten die Franzosen dann das geniale Björk-Cover „Army Of Me“. KLONE war das von uns erwartete Festival-Highlight, auch wenn uns später noch eine andere Band etwas überraschend umhauen sollte.

Setlist: KLONE

1.Yonder

2. Rocket Smoke

3. Immaculate Desire

4. Grim Dance

5. Key Stone

6. Immersion

7. Nebulous

8. Silver Gate

9. Army Of Me (Björk Cover)

RPWL

Es folgen nun zwei Bands, die vielen im Publikum durch zahlreiche Konzerte in Deutschland und den Niederlanden sehr wohl bekannt sind. RPWL haben wir erst kürzlich als Headliner des Art-Rock-Festivals im April gesehen (siehe unter Konzertberichte, 10. Artrock Festival Reichenbach, Sonntag 10.4.). Kalle hatte Geburtstag, deshalb begann dieser spezielle Gig gleich mal mit einem Geburtstagsständchen des Publikums. Das Geburtstagskind nahm dieses Geschenk strahlend an. Die Setlist war im Vergleich zu den letzten gesehenen Konzerten in Reichenbach etwa zu 50% verändert. Sehr schön waren die zwei integrierten Pink Floyd / Syd Barrett Adaptionen, die lange nicht live zu Gehör gebracht wurden.

Der Gig war perfekt, das Publikum war begeistert. Das Konzert war eigentlich zu Ende, aber offenbar war noch Zeit. So wurde die Band zu einer hier eigentlich unüblichen Zugabe nochmal raus geschickt, nachdem sie eigentlich schon fertig waren. Beim gemeinsamen Gesang von „Roses“ mit dem Publikum habe ich Yogi wie noch nie strahlen sehen. Er muss sich wie sein Bandkollege und Freund ebenfalls wie auf einer Geburtstagsparty mit guten Freunden gefühlt haben.

Setlist: RPWL

1.Hole In The Sky

2. A New World

3. Light Of The World

4. What I Really Need

5. Opel

6. Masters of War

7. Cymbaline

8. Unchain The Eart

Encore

9. Roses

Mystery

MYSTERY spielten heute nach zweienhalb Jahren Zwangspause ihren ersten Gig. Der angestammte Keyboarder Antoine Michaud war wegen frischen Vaterfreuden zu Hause geblieben, er wurde von Johnnny Maz ersetzt. Die Freude nach der langen Pause endlich wieder spielen zu können war den Musikern auch anzusehen; sie war genau so auf Seiten der Fans im Publikum spürbar. Schließlich bezeichnet die Band Zoetermeer in den Niederlanden (von Valkenburg ca. 250 km entfernt) auf entsprechenden Tonträgern als ihr zweites zu Hause. Die Setlist bestand erfreulicherweise überwiegend aus Longracks mit bis zu 20 Minuten Spieldauer. Die wurden nicht als reine Zuhör-Songs vorgetragen, sondern sehr nahbar und mit viel Spaß.

Der Sänger Jean Pageau war dabei die übliche tragende Säule der Show, lief auch mal durchs Publikum und sang händchenhaltend und mit Blickkontakt einem der härtesten MYSTERY Fans nachezu verliebt ins Gesicht. In meinen Augen ein großartigert Konzertmoment, der die Publikumsnähe der Band unterstreicht, die jeder schon mal gespürt hat, der schon einmal in einem MYSTERY Konzert war oder die Jungs danach einmal getroffen hat.

Setlist: Mystery

1.Delusion Rain

2. Chrysalis

3. Where Dreams Come Alive

4. The Willow Tree

5. Shadow Of The Lake

6. A Song For You

7. The Preachers Fall

Antimatter

Mehr als 20 Jahre nach der Gründung von Antimatter und nach 7 Studioalben scheint es keine Anzeichen für eine Verlangsamung zu geben. Nach zwei Jahren Live-Abstinenz kehrte Mick Moss 2022 mit einem karriereübergreifenden Set für Midsummer Prog auf die Bühne zurück, ein mit Spannung, erwarteter Act. Ursprünglich als Duo gestartete, tritt Mick Moss mittlerweile seit einigen Jahren als Band in der jetzt aktuellen Besetzung bei Livekonzerten auf. Es sei denn er gibt einige wenige Acoustic-Shows, wo er alleine Auftritt. Mick ist der unbestrittene Mittelpunkt der Show, und auch wenn er zurückhaltend und konzentriert wirkt, so füllt er mit seiner warmen Stimme die ganze Arena.

So fanden sich auf der Setlist doch einige Klassiker der Bandhistorie, als auch aktuelle Stücke. Für Gänsehautmomente sorgten Stücke wie etwa „Black Eyed Man“ vom Album „The Judas Table“ oder der Opener „The Third Arm“. Der zweite Song auf der Setlist „Can Of Worms“ zeigt auch Micks ständiges Wachstum als Texter und Sänger sehr gut. Das Sucht-Textkonzept auf dem dritten Song „Partners In Crime“ Song ist erstaunlich und regt zum Nachdenken an, ganz zu schweigen von den großen Gesangs-Hooks. Auch der obligatorische Coversong war wieder mit im Set, diesmal „Welcome to the Machine“ von Pink Floyd. Einzig „Killer“ hat mir leider gefehlt, ein ungewöhnlich treibender und rockender Song, der die Bitterkeit der neueren Alben mit Hooks auf einprägsame Weise kombiniert. Die einsetzende Dämmerung unterstützte die Stimmung der eher düsteren, getragenen Song´s noch umso mehr. Wer Antimatter vorher noch nicht auf dem Schirm hatte, wird die sicherlich Band nach diesem grandiosen Auftritt weiter verfolgen …

Setlist: Antimatter

1.The Third Arm

2. Can Of Worms

3. Partners In Crime

4. Black Eyed Man

5. Monochrome

6. Paranovka

7. Wide Awake In The Concrete Asylum

8. Redemption

9. Welcome To The Machine (Pink Floyd Cover)

10. Between The Atoms

11. Santification

Leprous

Und dann kam LEPROUS. Wie beschrieben, wir haben bis dahin allesamt gute und sehr gute Konzerte gesehen. Aber die Show von LEPROUS legte noch einen oben drauf! Dieser Auftritt war einer von denen, weshalb der Konzertfan sich so eine Reise bis Valkenburg antut. Wie das anwesende Fachpublikum übereinstimmend rezensierte: haben die das Haus abgebrannt! Man ist von Musik, Atmosphäre und Licht wie hypnotisiert, vergisst Zeit und Raum und fragt sich glücklich voll gepumpt mit Adrenalin nach Konzertende: was ist hier eigentlich gerade passiert?

Das Ganze war so nicht unbedingt zu erwarten. Nach genialer, komplexer und lauter Musik zum Beispiel auf „Coal“ oder „Contagion“, die LEPROUS zu einer der führenden Bands des Prog Metal dieser Tage gemacht hat, waren ihre letzten zwei bis drei Album mit so manchem Experiment geschwängert, was manchen Hardcore-Fan der Band zweifelnd zurück ließ. Viele sprachen schon von Einar Solberg – Solo Produktionen. Auch das letzte selbst erlebte Konzert der Band im Jahr 2019 war für uns vor diesem Hintergrund nicht wirklich überzeugend. Die Setlist des heutigen Abends wurde per Internet-Vote im März zusammengestellt und vom Sänger Einar Solberg auf der Bühne gelobt. Die Jungs fühlten sich auch damit wohl und versprühten eine unglaubliche Energie.

Hervorzuheben ist zunächst Einar als Sänger, dem kreativen Kopf der Band mit hoher eindringlicher Stimme. Zuletzt hatte er sich auf der Bühne zunehmend von seinem Keyboard gelöst, um seiner Rolle als Frontmann besser gerecht werden zu können. Und das funktionierte auf eindrucksvolle Weise, die Band wirkte als komplexe Einheit. Der LEPROUS Drummer Bard Kolstaad gehört für uns zu den derzeit Top-5-Drummern, die derzeit in der Welt des Prog Rock rumlaufen. Und der Mann ist vielleicht gerade mal 30! In den von ihm gebauten rhythmisch komplexen Strukturen treibt er LEPROUS zu Höchstleistungen. Dabei haut er mit Gewalt auf seinen Trommeln und Cymbals rum und beendet das Konzert immer mit freiem Oberkörper. Gerade in Valkenburg war es ein Hochgenuss ihm zuzuschauen, da einerseits die Drums erhöht postiert sind, andererseits das Publikum ja auf die Bühne herunter schaut.

Ein Satz muss unbedingt noch zum Licht gesagt werden. Sicher entfaltete die Show auch dadurch diese besondere Wirkung, da dies das einzige Konzert im Dunkeln war. Aber was da aufgeboten wurde! Vielfach war das Licht stroboskop-artig, die Band dabei auf der Bühne im Nebel eingehüllt, passend zu der mystisch-energetischen Wirkung der Songs. Großartig war die Wirkung auch deshalb, weil in die Lichtshow durch den Veranstalter die Felsen, das Steintor und das Grün hinter und neben der Bühne bewußt einbezogen wurde. Das ganze kann als ein einmalig wunderbares und unvergeßliches Konzertbewertet werden, welches alle Anwesenden nicht vergessen werden.

Setlist: Leprous

1.Out Of Here

2. Illuminate

3. At The Bottom

4. Running Low

5. Below

6. The Price

7. Castaway Angels

8. The Flood

9. From The Flame

10. Alleviate

11. Distant Bells

12. Slave

13. Rewind

14. The Sky Is Red

FAZIT:

Nahezu alles war perfekt. Valkenburg hat eine tolle Innenstadt mit zahlreichen Hotels, die nur wenige Gehminuten vom Openluchttheater entfernt sind. Es lohnt sich also, ein paar Stunden mehr einzuplanen, um sich hier ein wenig umsehen zu können. Selbst der angekündigte Regen am Festivaltag blieb aus und setzte erst ein, als wir das Openluchttheater schon eine halbe Stunde verlassen hatten. Beeindruckend war der pünktliche Beginn aller Bands, selbst LEPROUS als Headliner begannen genau um 21.45 Uhr! Eine Seltenheit bei Festivals, wo eigentlich immer ungeplante Dinge dazwischen kommen. Bier in richtigen Gläsern! Diesen gastronomischen Hochgenuss haben wir auf noch keinem anderen Festival bisher kennengelernt. Klar kann man sich über die ordentlichen Catering Preise in den Niederlanden auslassen, oder dass es bereits ab dem späten Nachmittag die Pommes Frites als Hauptbeilage zu den meisten Gerichten alle waren. Aber das tolerieren wir doch mal locker an diesem ansonsten großartigen Tag.

Im Programmheft wurde bereits für das Festival 2023 geworben, welches das erste Mal an zwei Tagen stattfinden wird. Schnell war für uns die Entscheidung klar, die nur am Festivalwochenende angebotenen 2-Tages-Early-Bird-Kombitickets blind (also ohne Kenntnis überhaupt einer teilnehmenden Band) zu kaufen. Das Organisationsteam Team hat bei allen vier bisher stattgefundenen Festivals noch nie bezüglich der gebuchten Bands enttäuscht. Dieses Jahr waren alle Bands durch die Bank sehenswert und trugen zu einem sehr abwechslungsreichen Festival bei. Wir funkten während des Festivals Impressionen und Bilder zu unseren PROG Freunden nach Hause, und so waren vor Ende des Festivals insgesamt bereits 14 dieser Kombitickets fest in unseren Händen! Wir gehen davon aus, dass noch weitere aus unserem Freundeskreis sich anschließen werden; allerdings sollten die sich beeilen, bevor die 800 Tickets weg sind. Diesen Sachverhalt, plus Dankeschön, für ein großartiges Festival konnten wir Rob Palmen auch persönlich sagen, der sich zwar gestresst um einen perfekten Festival-Ablauf sorgte, darüber aber sichtlich erfreut war. Wir freuen uns bereits jetzt schon sehr, 2023 an die Stelle zurück zu kehren, um wieder ein tolles Festival erleben zu dürfen. Welch ein besseres Fazit kann man vom „Midsummer Prog Festival“ 2022 im wunderschönen Valkenburg ziehen!

Vielleicht kann man noch einen Ausblick wagen, wenn auch nur im Bereich der Spekulation, man hörte von einem „Nordischen“ Tag nächstes Jahr, zumindest sollen Freitag´s 4 Band´s spielen und am Samstag wieder 6. Die Veranstalter werden schon mehr wissen, aber vorstellen könnten wir uns als Opener, Newcomer, wie Chain Reaktor, Meadows oder Galaxy … auch Labelnahe Band´s wie Hasse Fröbergs Musical Companion, Anektoden, Prehistoric Animals oder auch Soup (sollte die Band um Erlend Viken weitermachen). Airbag mit Bjorn Riis wäre auch gut … Von Hertzen Brothers, Meer und noch einige andere … wir lassen uns überraschen!! Die Tickets für nächstes Jahr sind geordert und das Hotel ist gebucht!

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