Interview mit Manuel Schmid & Marek Arnold

Das gemeinsame Album „Ziele“ ist wieder eine echte seltene Perle der deutschsprachigen Rock-Pop-Musik. Das hatten in der Vergangenheit einige deutsche Helden auch schon einmal geschafft, verschiedentlich mit einzelnen Titeln, seltener mit LP-Seiten oder ganzen Alben. Aber zehn neue deutschsprachige Lieder mit durchgängig Suchtcharakter, das ist äußerst selten, eben eine Rarität. Martin Christgau und Roland Koch stellten Manuel Schmid und Marek Arnold ein paar Fragen darüber.

Der Grund für diese Qualität und Dichte scheinen uns Eure verbundenen Stärken von zwei musikalischen Freunden zu sein, die Marek Arnold-Seite und die Martin Schmid-Seite. Liegen wir mit unserer Annahme nahe an der Wahrheit, oder haben wir uns total getäuscht?

Marek: Ja sicher, eine so intensive Zusammenarbeit kann auf Dauer nur funktionieren, wenn die Chemie stimmt. Wir sind über die Jahre weiter zusammengewachsen, musikalisch wie menschlich. Das heißt nicht, dass wir immer einer Meinung sind, aber wir können uns mittlerweile sicher gut einschätzen. Es muss schon viel zusammenkommen, und es ist schon ein großes Glück, wenn eine Zusammenarbeit so gut funktioniert, weil eine Freundschaft sie mitträgt.

Manuel: Von außen betrachtet wird das sicher so sein. Aber wir denken da nicht so darüber nach, sondern machen einfach die Songs so, wie wir empfinden.

Ihr arbeitet nun schon sehr lange und immer wieder zusammen. Wie kommt es dazu?

Manuel: Mich reizen die ständige musikalische Herausforderung und die zielorientierte Arbeitsmoral.

Marek: Nun ja, wir haben nach den ersten gemeinsamen Songs – für Manuels Soloalbum und (damals noch) seine Gastbeiträge für das erste Cyril-Album – gemerkt, dass wir einfach gern und musikalisch erfolgreich miteinander arbeiten. Nach den ersten gemeinsamen Liveauftritten hat sich dies noch deutlicher gezeigt und wir haben immer öfter Projekte und Ideen ausgetauscht. Wir arbeiten beide sehr ergebnisorientiert – ich schätze, wir beide ticken so, dass wir ungern einen Studio- oder Probentag unzufrieden beenden wollen. Dazu kommt, dass wir beide an Keyboards und im Studio arbeiten und so natürlich häufig eine Sprache sprechen. Und – gerade wenn ich an die gemeinsamen Songs für das letzte Stern Meißen-Album denke – da hatte es natürlich unglaubliche Vorteile, dass wir beide auch in der gleichen Musik verwurzelt sind, wir wissen meist intuitiv, wo wir hinwollen, musikalisch, soundmäßig, in den Arrangements. Und ganz abseits von der Musik – wir können einerseits mit- und übereinander lachen, aber achten uns auch hoch. Das ist für das Ergebnis wichtiger, als man denkt…

Die witzigen Outtakes des EPK-Videos zu „Ziele“ zeigen den Charakter Eurer Zusammenarbeit, oder?

Manuel: Kann man sagen. Unsere Musik ist schon meist ernst und schwermütig. Da tut etwas Lockerheit sehr, sehr gut. (lacht)

Euer Zusammenspiel wirkt traumwandlerisch. Wie schafft man solche Qualität und Dichte?

Manuel: Wie gesagt, wir arbeiten einfach an den Songs und sehen das Ergebnis dann auch aus dem Moment heraus. Für uns ist das selbstverständlich. Qualität beurteilen wir bei unserer Arbeit nicht. Das wäre anmaßend.

Marek: Vieles bringt natürlich die Zeit, gerade wenn man live zusammenspielt. Man kennt sich, weiß, wie der andere sich verhält, auch wenn mal etwas unerwartet passiert. Das hilft natürlich auch später im Studio weiter, es ist zum Beispiel super, wenn ich beim Schreiben neuer Songs bereits erahnen kann, wie Manuel – ohnehin der vielleicht technisch brillanteste Sänger, den ich kenne – damit umgehen wird. Über die Jahre haben wir da sicher eine gemeinsame Sprache entwickelt, vielleicht auch einen eigenen Sound. Und das schafft auch immer mehr kreative Freiräume oder neue Elemente. So wurde aus der Not heraus, manche Titel mit nur zwei Klavierhänden gar nicht live umsetzen zu können, zum Beispiel unsere Live-Version von „Raum Der Illusion“, zu einer mit vier Händen gespielten Entertainment-Nummer – erst ungeplant, mittlerweile häufig vom Publikum eingefordert.

Wo seht Ihr im Duo die Stärken, wo die etwaigen Schwächen?

Manuel: Eine Stärke sehe ich darin, dass unsere Songs auch reduziert auf Stimme, Klavier und Saxophon live im Konzert ankommen. Zumindest bestätigt uns das der Applaus. Außerdem, wie bereits erwähnt, die Zielorientiertheit und das Zurückstellen egoistischer Schwächen. Eine Schwäche ist manchmal die fehlende Zeit. Dadurch, dass Marek tagsüber unterrichtet, kann ich manchmal fixe Ideen nicht schnell genug umsetzen. (lacht)

Marek: Ein großes Plus ist für uns sicher, dass wir im Duo unsere eigenen Songs, aber auch opulente Werke des sogenannten ostdeutschen Artrocks recht flexibel auf eine sparsame Besetzung herunterbrechen können. Da Manuel sich beim Singen überwiegend selbst begleitet, kann ich auf den Saxophonen nicht nur Soli, sondern zum Beispiel auch die zweiten Stimmen übernehmen oder auch mal zusätzliche Piano-Parts draufspielen. Die Kombination hat sich super bewährt. Gleichzeitig gibt es aber natürlich auch Songs, die man im Duo dann doch nicht komplett umsetzen kann (oder sollte). Was die Alben angeht, ist das zum Teil ähnlich: Während unser Umgang mit dieser Art deutscher Lyrik recht selten geworden ist und viele genau das deshalb so lieben, wirkt es für andere in einer zunehmend „legereren“ und anglisierten Sprache etwas aus der Zeit gefallen. Unsere Stärken – für die einen – geraten so schnell zur Schwäche für andere, die halt keinen Zugang finden. Damit muss man leben. Lieber polarisieren, als im kommerziellen Brei gleichförmig mitschwimmen.

Was ist für Dich das Besondere an Eurer Zusammenarbeit, im Studio und auf Bühnen?

Manuel: Die Verlässlichkeit!

Wer von Euch ist maßgeblich für die Ideen der schönen Videos verantwortlich?

Manuel: Die Videos stammen von Oliver Thomas. Er ist der Kreativling hinter dem Label A&O Records. Wir sind viele Jahre befreundet und arbeiten eng zusammen. Marek: Wir haben das Glück, dass Oliver Thomas, ein hervorragender Videofilmer ist. Von ihm stammen daher Grundideen und natürlich die technische Umsetzung der letzten Videos.

Nach „Zeiten“ und „Ziele“ kommt was? Gibt es schon einen Plan für die „Zugabe“?

Manuel: Sicher neue Stern Meißen-Produktionen.

Marek: Zunächst sind wir ja mit „Ziele“ etwas auf Tour. Daneben stehen aber bereits neue Projekte an, unter anderem sogar neue Musik für Stern Meißen. Manuel ist ja auch auf meinem bald erscheinenden Soloalbum vertreten und hat einen größeren Charakter im dritten Teil der Konzept-Trilogie meiner Band Seven Steps To The Green Door. Da steht also so viel gerade in der Pipeline, dass wir noch nicht konkret an einen Nachfolger zu „Ziele“ denken. Okay, nach „Zeiten“ haben wir das auch gesagt. Vermutlich geht es dann aus dem Nichts wieder ganz schnell. Abwarten. (lacht)

Wie hast Du und Deine helfenden Kollegen die diesjährige Pandemiewelle überstanden?

Manuel: Glücklicherweise hat sich vieles im Alltag wieder normalisiert. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Menschen dadurch noch egoistischer und feindseliger geworden sind. Die Zuschauerzahlen vor 2020 sind auch nicht mehr vorhanden.

Ihr habt Teile aus Euren Bandprojekten mitverarbeitet. Alles wirkt aber frisch und „zeitenlos“. Seid Ihr zufrieden mit „Ziele“? Was hättet Ihr aus der jetzigen Sicht doch anders gemacht?

Manuel: Ich hätte gern professionelle Unterstützung bei den Texten gehabt. Andreas Hähle war zum Beispiel immer ein guter Austauschpartner. Leider ist er 2019 verstorben. Marek: Ich bin tatsächlich sehr zufrieden. Das Album scheint mir erwachsen, ausgereift und abwechslungsreich. Die Produktion ist super, die Band-Songs, die wir mit Cyril eingespielt hatten, funktionieren mit leicht geänderten Arrangements und deutschen Texten klasse. Die Reviews und Rückmeldungen sind unglaublich euphorisch und motivierend für uns. Und selbst medial sind wir diesmal sehr gut vertreten, hatten viele Radiointerviews, Airplay auch bei öffentlichen Sendern und sogar Fernsehpräsenz beim MDR. Das ist nicht selbstverständlich und gibt uns doch etwas Sicherheit, mit diesem Album vieles richtig gemacht zu haben.

Was sind Eure Lieblingslieder auf „Ziele“ und warum?

Marek: Schwer zu sagen, da die Songs so unterschiedlich konzipiert sind und entstanden. „Ankunft“ finde ich in seiner Kombination aus meines Erachtens schöner Hookline und rhythmischen Raffinessen, auch dank der Umsetzung mit den Kollegen von Cyril, wirklich gut gelungen. Ich mag aber auch das fragile „Wände Aus Papier“ sehr, einen Song, den ich als allerersten im neuen Studio geschrieben hatte und bei dem es mich glücklich macht, dass Manuel die Vision im Kopf so ergreifend umsetzen konnte. „Und Ich Fliege“ als stilistischen Ausreißer – den Song hatte ich zunächst als atmosphärischen, instrumentalen Track für ein späteres Elektronikalbum gedacht, aber jetzt ist es eins der Highlights für mich, auch dank des spät einsetzenden, eindringlichen Gesangs.

Manuel: „Ankunft“ hat eine wunderbare Melodie und ein schönes Thema. Ich glaube, Marek sieht das auch so. „10 Milliarden Sterne“ und „Ziel Des Augenblicks“ würde ich noch dazunehmen, weil sie auch ein bisschen meine menschliche Seite zeigen.

Das Album erscheint wie ein Konzeptalbum. War das so geplant und gewollt?

Marek: Nein, absolut nicht. Interessant zu hören, dass man es so empfinden kann, trotz der stilistischen Vielfalt.

Manuel: Unsere Musik ist meist auf Konzepten aufgebaut. Von daher lag es nahe, so eine Herangehensweise auch wieder ins Auge zu fassen.

Haben auch die illustren Gäste Ideen, Anregungen, Änderungen mit eingebracht? Erzähl mal!

Marek: Unbedingt nennen muss man hier Denis Straßburg (Cyril, Bass), mit dem einige der Band-Songs gemeinsam entstanden. Aber auch alle anderen Gastbeiträge, ob zum Beispiel von den lieben Kollegen bei Cyril und SSTTGD oder auch von Peter Rasym, Marcella Arganese oder auch Gast-Texter Joachim Krause, ehemals Lift, prägen ja natürlich die Songs und können aktiv das Arrangement noch verändern. Wir sind da auch nicht dogmatisch, aber natürlich liefen die Fäden schon sehr klar bei uns zusammen.

Wart Ihr Euch einig beim Bonusmaterial – erstens mit der Veröffentlichung, zweitens der Auswahl der Titel und drittens der Titelfolge?

Manuel: Ja, wir wollten einen Querschnitt der letzten Arbeiten abbilden. „Seelenparadies“ ist zum Beispiel leider physisch vergriffen, aber noch immer sehr gefragt.

Marek: (lacht) Ganz klar: jein. Wir wussten natürlich, was wir mit den Bonustiteln gern zeigen wollten, nämlich andere Facetten unserer Zusammenarbeit, aber bei dem Fundus an gemeinsamen Projekten und Songs war es schwierig, sich festzulegen. Neben der musikalischen Qualität muss man ja auch etwas strategisch denken: Stark nachgefragte Songs von vergriffenen Alben zum Beispiel sollten unbedingt darauf sein, nur ein Song pro anderer Band – mangels Zeit. Veröffentlichungsrechte sind zu klären etc. Aber ich denke, wir haben einen guten Querschnitt hinbekommen, der hoffentlich Appetit macht.

Ihr habt doch sicher das neue Material live vorgestellt. Wie ist es beim Publikum angekommen?

Manuel: Sehr. „Ziel Des Augenblicks“ singen wir sogar gemeinsam mit unserem jeweiligen Publikum. (lacht) Marek: Hervorragend! Die neuen Songs fügten sich super ins Set, und bei „Ziel Des Augenblicks“ hat uns das Publikum auf den ersten Gigs umgehauen, wie sicher es als Backing-Chor in die Live-Version des Songs eingebunden war…

Einige Eurer Kollegen jammern ja über den Verkauf von physikalischen Tonträgern, Ihr auch?

Manuel: Also das Album läuft sehr gut, auch in den Konzerten. Unser Publikum ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Aber die mediale Entwicklung ist natürlich im digitalen Bereich vorangeschritten. CDs sind nun mal mittlerweile ein Vehikel aus der Steinzeit. (lacht)

Marek: Wer sich über die grandiose Entwicklung seiner Verkäufe physischer Tonträger positiv äußert, lügt. (lacht)

Machen wir uns nichts vor – mit dem weitestgehenden Einbruch des CD-Marktes entfällt für den Großteil der noch instrumental-handwerklichen Musiker abseits des absoluten vermarkteten oder durch Playlisten gepushten Mainstreams die wichtigste Einnahmequelle, die durch die lächerlichen Streaming-Einnahmen nicht mal in Bruchteilen kompensiert werden kann. Hier werde ich auch nicht müde, darauf hinzuweisen, und ich verfolge die überfälligen ersten zarten Gedanken, die Vergütung in Sachen digitaler Medien endlich neu einzustufen. Im Zeitalter mittlerweile von KI geschriebener Musik und allgemeinem Werteverfall von Kunst und Kultur bleibt mir aber genau genommen eher nur die Hoffnung, dass sich die Menschen wieder mehr den Live-Gigs zuwenden, in denen man echte Musiker, die vom Eintritt honoriert werden können, ihre Instrumente bedienen sieht und hört.

Gibt es einen Auftritt oder ein Konzertereignis, das Dir 2022 besonders in Erinnerung geblieben ist?

Manuel: Die Lesungen mit Wolfgang Martin waren sehr besonders.

Manuel wird stark in die Frontposition bei Stern Meißen gerückt, Marek ist in vielen Bands und Formaten aktiv – ist das Segen oder Fluch für Euch?

Manuel: Als Frontmann ist das, glaube ich, normal. Man übernimmt automatisch viele Aufgaben, muss aber auch hin und wieder aufpassen, dass man sich nicht mal übernimmt. (lacht)

Marek: Beides. Natürlich möchte ich mich manchmal zerteilen, um alle Bands und Projekte gleichermaßen voranzutreiben, muss aber natürlich genau abwägen, welche Prioritäten ich wann setze. Auf der anderen Seite hält mich die Beschäftigung mit so unterschiedlichen Projekten, auch den Gast-Jobs, frisch im Kopf und ich hoffe, so nicht allzu schnell in immer gleiches Fahrwasser zu geraten.

Öffnet Eure Zugehörigkeit bei Stern Meißen einige Türen mehr oder etwas leichter?

Manuel: Natürlich ist man als Teil dieser Band in vielen Künstlerkreisen unterwegs. Ich habe aber stets Freude, viele Kollegen kennenzulernen und vielleicht auch für sie zu arbeiten. Marek: Ich denke, dass die „Rolle“ der Mitwirkung bei Stern Meißen eher überschätzt wird. Das liegt natürlich auch daran, dass viele vor allem nur die prägenden Personen einer Band überhaupt wahrnehmen – also neben den Persönlichkeiten wie Thomas Kurzhals oder Bandgründer Martin Schreier vor allem die Sänger. Aber der Punkt ist ein anderer für mich: Es war mir eine Ehre, Teil dieser Band gewesen zu sein. Ich habe unglaublich viel gelernt, nicht nur musikalisch, ich bin in die Musik dieser Band weiter hineingewachsen, konnte dem unglaublichen Katalog der Band eigene Titel beisteuern, durfte an der Seite absoluter Ausnahmekünstler musizieren. Und ich habe heute das Glück, an der Seite Manuels weiter Musik für diese Band schreiben zu dürfen. Das ist mir wirklich nicht einerlei! Und wenn es Feedback gibt, dass wir die Tradition der Band mit unseren Songs würdig weitertragen, dann ist das doch eine große Adelung, die mich stolz macht.

Manuel, Du bist besonders im Osten der Republik sehr präsent, unterstützt dort viele verschiedene Veranstaltungen, entwickelst Dich ein wenig zum Vermächtnisverwalter des klassischen Ost-Rock. Was sind Deine Beweggründe und Dein Antrieb, so aktiv die Ost-Helden (berechtigt) zu würdigen?

Manuel: Das musikalische Handwerk. Ich mag es, als Musiker gefordert zu sein. Für mich zählt die Musik von Lift, Holger Biege oder Veronika Fischer zum musikalischen Kulturgut.

Marek, wir sind ja schon länger in Kontakt wegen Deinem ehrgeizigen The Artrock Project. Jetzt bist Du beim letzten Schliff. Fünf Jahre Arbeit an diesem Werk – hast Du an Aufgeben gedacht?

Marek: Die ersten drei Jahre habe ich nicht mal richtig ans „Anfangen“ gedacht! „Stay“ war ja 2018 von Uwe Treitinger als Festival-Hymne des Artrock Festivals eine Art „Auftragswerk“, kam dann aber so grandios an, dass es regelmäßig Nachfragen nach einem ganzen Album gab. Zwei Jahre darauf bat mich Uwe, einen Song für und mit der Reichenbacher Sängerin Zeynah zu schreiben, den ich wie schon „Stay“ mit vielen internationalen Gästen realisierte. Dann kam Corona… und plötzlich war mal etwas Zeit, mein neues Studio, welches ich in der „ersten Welle“ aufgebaut hatte, und jede Menge „Bock“ auf ein Soloalbum. Ich habe einfach angefangen, geschrieben und arrangiert und dann pro Song entschieden, wen ich als Gast anfrage. Es wuchs einfach immer mehr… zu diesem jetzt so gigantomanisch wirkenden Projekt an.

Es ist Dein erstes Soloalbum nach immerhin über sagenhaften 60 Album-Veröffentlichungen, bei denen Du federführend oder als tragender Gast mitgewirkt hast. Warum das Solo erst jetzt?

Marek: Ich habe tatsächlich keinen Gedanken daran verwendet. Ich habe über die Jahre mit meiner Progressive-Metal-Band Toxic Smile so unglaubliche Dinge erlebt, neun Alben veröffentlicht, mit der Crossover-Prog-Band Seven Steps To The Green Door eine… ja, vielleicht „modernere“ Stilrichtung des Prog bedient, mit Cyril den klassischen Prog der 70er tangiert, mit den anderen Bands wie Damanek, Flaming Row oder UPF wieder andere Stilistiken mit- oder ausleben können. Es war daher schlichtweg weder Zeit noch Notwendigkeit dafür. Und selbst als die Nachfragen immer öfter kamen, habe ich mich gefragt, wer denn überhaupt ein Soloalbum eines Marek Arnold hören will? Nun aber bin ich doch recht froh, es in die Hand genommen zu haben, trotz des unglaublichen Aufwands.

Da Du ja beim Artrock Project alle Fäden in den Händen hältst, ist alles so geworden wie geplant?

Marek: Nein, besser! Es war ja nicht absehbar am Anfang, ob es mir gelingt, für alle Positionen pro Song, die ich nicht selbst umsetzen kann (oder will), Musiker zu finden, die nicht nur einsingen/einspielen, sondern die Musik mitgestalten, Spaß daran haben, und natürlich zum Teil auch diese spieltechnisch so umsetzen zu können, wie ich es vor meinem geistigen Ohr hörte. Meine Erwartungen wurden aber wirklich übertroffen… Das Album bildet eine wirklich breite stilistische Ausrichtung ab – von Artrock über einen fast schon etwas märchenhaft wirkenden Wind-meets-Vocal-Song bis hin zum Prog-Metal-Longtrack. Dass dies am Ende trotz der unterschiedlichen Aufnahmen dennoch homogen wirkt, habe ich der Klasse der Musiker und den goldenen Händchen meines Freundes Martin Schnella zu verdanken, denn ein solch aufwändiges Projekt sollte man zumindest zum Mixing aus den eigenen in vertrauenswürdige andere Hände abgeben.

Wenn man auf die lange Liste der Mitmusiker schaut, sind viele Namen sehr bekannt. Über welche Mitarbeit hast Du Dich besonders gefreut? Gab es auch Absagen oder Enttäuschungen?

Marek: Absagen gab es tatsächlich kaum! Auf zwei Anfragen bekam ich keine Antwort, ein Musiker hat mir zugesagt, mich dann aber etwas hängenlassen. Aber ansonsten habe ich tatsächlich nur positives Feedback erfahren. Natürlich war es nicht immer einfach, alle „Wunschmusiker“ zu erreichen, hier kam mir die jahrelange Arbeit als Gast für andere Bands natürlich zugute, einige scheinen meinem Namen auch tatsächlich schon einmal begegnet zu sein, das hat ein paar Türen geöffnet. Und natürlich musste der Song auch passen, und das war immer meine größte Sorge… Aber zum Glück scheine ich ein gutes Händchen bei der Auswahl gehabt zu haben, dass mir dann alle nach dem Hören der Demos auch zusagten. Es ist schwer und unfair, bei über 40 derart hochkarätigen Musikern einige einzeln zu nennen. Gerade auch, weil viele liebe Freunde den Löwenanteil der Einspielungen trugen. Aber natürlich bin ich besonders glücklich, dass ich einige wirkliche Stars der Szene wie Marco Minnemann, Derek Sherinian, Adam Holzman, Craig Blundell, Luke Machin, Kalle Wallner, Laurence Cottle, Peter Jones, Arno Menses etc. dabeihaben darf.

Auch das Coverbild ist wirklich beeindruckend, ein echter Blickfang. Wer hatte die Idee dazu, wer hat es geschaffen und warum hat es einen futuristischen Charakter?

Marek: Das Coverbild wurde von der „Prog Design“-Ikone Ed Unitsky geschaffen. Ich kenne seine Bilder seit Jahren von zum Beispiel unseren Alben mit The Samurai Of Prog. Hier bat ich ihn um eine Kombination aus Futurismus, Instrumenten, Studio – mal keine typischen Prog-Fantasy-Gemälde. Ich bin beeindruckt von seiner Umsetzung! Der futuristische Ansatz kommt von der auf dem Album enthaltenen circa 27-minütigen ‚Berlin:2049‘-Suite, deren SciFi-Story vom amerikanischen Autor George Andrade stammt.

Bei der Booklet-Gestaltung, die meine Frau derzeit gerade umsetzt, habe ich auf KI-Bilder setzen müssen, denn zu jedem Song soll ein passendes Bild die Infos untermalen. Der liebe Thomas Klarmann von Argos hat mir hier geholfen, die Vorstellungen KI-generieren zu lassen. Schon beängstigend, wozu die KI mittlerweile in der Lage ist.

Das Album könnte eine CD/Doppel-Vinyl komplett füllen. Wird es das Album physikalisch geben, oder setzt Du voll auf digitale Medien?

Marek: Es wird definitiv auch auf CD erscheinen. Noch ist unklar, ob es überhaupt auf nur eine CD passt… In wenigen Tagen sind alle Mixe fertig, dann werde ich das wissen. Vinyl wäre ein Traum, wird aber davon abhängen, ob es entsprechend ausreichend Nachfrage gibt und gegebenenfalls ein Label dies unterstützt.

Ihr seid schrittweise dazu übergegangen, vom Komponieren, Musizieren, Produzieren sowie darüber hinaus alle Schritte bis hin zur Vermarktung immer stärker selbst in die eigenen vier Hände zu nehmen. War das Eurer Meinung nach die richtige Entscheidung?

Manuel: Es gibt leider wenig Alternativen. Und wenn, wird es bestimmt sehr teuer, da es viel Arbeit und Zeit kostet. (lacht) Marek: Es war eigentlich keine bewusste Entscheidung, sondern es ergibt sich als Folge der Umstrukturierungen des Musikbusiness. Natürlich ist es ein Glück, wenn man wie wir im eigenen Studio arbeiten kann, finanziell wie zeittechnisch. Promo ist dann sicher nicht der Lieblingsjob der Kreativen, gehört mittlerweile aber dazu.

Studiotechnische Feinarbeiten für „Ziele“ hat auch Martin Schnella übernommen – eine gute Wahl?

Manuel: Unbedingt. Für mich einer der Besten in diesem Genre.

Marek: Wir arbeiten ja seit Jahren bereits für nahezu alle Mixe, die wir nicht selbst realisieren wollen, mit Martin zusammen. Ich kenne seine Arbeitsweise durch unsere gemeinsamen Bands (Flaming Row, ehemals SSTTGD) ja sehr gut, und wir arbeiten obendrein mit gleicher Software. Mittlerweile hat sich Martin aber noch intensiver aufs Produzieren gestürzt und ist ein wahrer Mixing-Guru geworden, auf dessen Skills und Gehör man sich einfach verlassen kann.

Gibt es auch zukünftig weiteres Material von Stern Meißen oder einem neuen/anderen Projekt?

Manuel: Natürlich. Marek und ich haben die ersten Gespräche für neues Material bereits geführt. Hoffentlich ist 2024 damit zu rechnen?! Marek: Parallel zu den aktuellen letzten Arbeiten am Artrock Project und den bald startenden weiteren Sessions mit Manuel für unter anderem Stern Meißen bin ich gerade dabei, die ebenfalls von George Andrade ausgearbeitete Storyline zu „The?Truth“ von SSTTGD mit der Musik zu koordinieren und die Gesangs-Recording-Termine zu planen. Noch 2023 wird also endlich die spannende Trilogie zum Konzeptalbum „The?Book“ | „The?Lie“ | „The?Truth“ abgeschlossen und veröffentlicht. Ein Mammutprojekt.

Werdet Ihr zukünftig wieder illustre Gäste und Helfer zu Produktionen hinzuziehen?

Manuel: Ich mag es, mit Gästen zu arbeiten. Es eröffnet neue Horizonte, und der kreative Austausch wird angekurbelt.

Marek: Natürlich, aber nicht zum Selbstzweck. Es wird auch weiterhin hinterfragt, ob ein Musiker ein Werk mit seinen Fähigkeiten entscheidend voranbringen und prägen kann.

Wie beurteilst Du den Zustand der deutschsprachigen Musikszene im Moment?

Manuel: Mir ist der kommerzielle Aspekt zu sehr im Vordergrund. Es gibt so unglaublich gute Leute, die kennt man nur leider nicht beziehungsweise zu wenig.

Recken von Puhdys, City oder Karat sind in den Medien omnipräsent, warum so nicht Manuel & Marek?

Manuel: Musst Du die Medien fragen.

Würdest Du zurzeit gerne in einem anderen Land oder einer anderen Region leben?

Manuel: Nein.

Habt Ihr die Saison 2023 schon geplant? Wo werden wir Euch erleben können?

Manuel: Einfach auf manuel-schmid.com unter „Termine“ schauen.

Marek: Der Tourkalender hat sich mittlerweile ganz gut gefüllt und es kommen noch weitere Termine dazu. Ich empfehle, regelmäßig auf meiner Homepage (marekarnold.de) die Termine zu checken, da ist noch Bewegung drin. (lacht) Auf der Seite findet man natürlich auch den Link zu Bandcamp, wo man in meine Alben auch reinhören kann.

Gibt es auch wieder Konzerte in der Reihe ›Ost-Rock – Ein Wunschkonzert‹ oder ›Ost-Rock Meets Symphonic‹?

Manuel: Ich bin vielseitig unterwegs. Da ist definitiv etwas dabei. (lacht)

Hast Du auch wieder Gastspiele bei anderen Formaten und Projekten geplant?

Marek: Ja, glücklicherweise werde ich nach wie vor regelmäßig von interessanten Musikern und Bands angefragt, habe mittlerweile bereits einige kommende Alben anderer weiterer Künstler mit eingespielt. Lasst Euch also überraschen…

Was sind Eure Wünsche und Ziele für 2023 im Allgemeinen wie auch als Künstler?

Manuel: Besonnenheit, Kreativität, Liebe und vor allem Frieden!

Marek: Natürlich wünsche ich mir nichts sehnlicher als Gesundheit und Frieden, für uns, aber vor allem für unsere Kinder. Dass dieser Irrsinn ein Ende findet und die Menschheit sich endlich darauf besinnt, die Probleme zu lösen, denen wir bereits nicht mehr ausweichen können. Als Künstler wünsche ich mir, dass meine Kreativität nicht versiegt, dass Kunst und Kultur wieder mehr Wert bekommen, die Veranstaltungsbranche sich erholt und die Menschen wieder in die Konzerte – auch abseits der Mega-Acts – strömen. Dass die Tour mit Manuel ein Erfolg wird, andere Auftritte erfolgreich verlaufen. Und natürlich, dass meine Herzensprojekte, besonders mein Soloalbum, möglichst viele Menschen erreichen können.

Danke, nicht nur für diesmal, für eure Zeit & Mühe und die tiefen, ehrlichen Einblicke in euer facettenreiches Leben. Wir und viele Leser sind sehr gespannt wie es bei Euch weitergeht und wir werden die weiteren Schritte aufmerksam beobachten. Wir wünschen euch Beiden und allen euren vielen Freunden, Kollegen und Helfern bleibend Kraft und Leidenschaft für die weitere Reise auf der Stony Road des Musikzirkus.

Das Interview führten Roland Koch und Martin Christgau. Die Fotos kommen von Bodo Kubatzki.

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