Interview mit Frank Bornemann von Eloy

Eloy haben gerade mit “Echoes From The Past” den  abschließenden Teil ihrer Trilogie um die französische Nationalheldin Jeanne d’Arc veröffentlicht und sind prompt auf Platz 11 der deutschen Albumcharts eingestiegen.

Renald Mienert sprach mit dem Bandleader Frank Bornemann.

pic: (C) kate cymmer

Euer neues Album ist gerade erschienen. Womit beschäftigst du dich momentan?  

Ich war gerade in Paris. Wir waren dort im Gibert, einem  Plattengeschäft, um unser Album zu signieren. Ich hatte einen kleinen Schallplattenladen erwartet und war vollkommen überrascht von der Größe – über drei Etagen, wie ein Kaufhaus. Ich war zunächst skeptisch, wir waren um 17:30 Uhr eingeladen und an dem Tag spielten in Paris “The Who”. Ich dachte, die Leute sind doch um die Zeit alles schon auf dem Weg ins Stadion, um sich die besten Plätze zu sichern, aber wir hatten richtig guten Zulauf. Die Leute waren überrascht, dass ich Französisch konnte. Die meisten haben mit Englisch gerechnet, Deutsch spricht dort ja ohnehin keiner. Aber das hat mir auch viele Sympathien eingebracht. Außerdem hat die Plattenfirma Soulfood dafür gesorgt, dass kleine Broschüren auslagen, in denen die Texte auch ins Französische übersetzt wurden.

Die Geschichte um Jeanne d’Arc beschäftigt dich ja schon länger. Warum hat es so lange gedauert, bist du mit der Umsetzung begonnen hast?

Ich habe einfach keine Zeit gehabt. Ich hatte ja einen Musikverlag und auch ein Studio zu betreuen und arbeite ja auch als Produzent. Da gab es enorm wichtige Themen, die ich zu betreuen hatte, man denke nur an die Guano Apes. Zum Schluss kam dann noch Revolverheld, es war einfach so viel, ich konnte einfach nicht anfangen. Natürlich ist es ärgerlich, wenn du ein Thema, das dir so unter den Nägeln brennt, immer wieder verschieben musst. Aber wenn du es so aufziehen willst, wie ich es gemacht habe, als Rockoper, die dann später auch noch in ein Spectacle Musical münden soll, dann kannst du nicht einfach eine Platte machen, ein paar nette Texte schreiben und hast ein Konzeptalbum. Du brauchst da schon einen langen Anlauf und musst dich der Sache mit Haut und Haaren widmen, sonst kann da nichts Vernünftiges bei rauskommen. Aber die letzte Industrieproduktion, die ich gemacht habe, war dann das Debütalbum von Revolverheld. Da war ich aber auch nur Executive Producer und musste nicht die ganze Zeit im Studio dabei sein. Aber ich war natürlich verantwortlich und habe mich mit aller Ernsthaftigkeit um das Thema gekümmert. Noch vier Monate vor der Produktion habe ich gesagt, wir sehen uns dann bei der Goldverleihung. Das sollte natürlich ein Witz sein. Damals kannte ja niemand Revolverheld, ich glaube, sie waren mal die Vorband von Die Happy. Aber ein halbes Jahr später konnte ich mir die Goldene Schallplatte abholen. Das hat mich natürlich noch einmal  gefreut, aber ich habe dann gesagt, ich will nicht mehr, zumal ich die musikalische Entwicklung in Deutschland ohnehin nicht mehr so prickelnd fand. Nicht Revolverheld, die waren in ihrem Genre schon verdammt fit und konnten ihre Songs gut arrangieren. Es war nicht so, dass ich da irgendwelche Zaubertricks anwenden musste, um die Band auf den Punkt zu kriegen. Ich gebe zu, es war eigentlich ein leichter Job. Aber es war dann trotzdem so weit, dass ich diese Herzensangelegenheit zum Thema Jeanne d’Arc angehen konnte. Aber dass es dann einmal drei Alben werden würden, habe ich damals auch noch nicht gesehen.

pic: (C) kate cymmer

Eigentlich war doch nach den ersten beiden  Alben alles gesagt?

Die Geschichte ist tatsächlich mit den beiden ersten Alben komplett erzählt. Ich habe sie aber anders ausklingen lassen, als es Literatur, Film oder Theater bislang immer gemacht haben. Üblicherweise ist Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen, das Feuer geht an, und die Leute können nach Hause gehen – da hat das Publikum natürlich nicht wirklich ein angenehmes Gefühl. Und ich dachte mir, wie kann ich das ändern? Ich kann natürlich die Geschichte nicht umschreiben, aber ich wollte den Schluss etwas versöhnlicher gestalten – und dann fiel mit “Eternity” ein. Jetzt gehst du mit einem positiven Gefühl aus der Geschichte, und genau das wollte ich erreichen. Ich wollte keine Depressionen auslösen, sondern genau das Gegenteil. Es ist ja nur ein Motiv, was von vorn bis hinten durchgeht und sich ständig wiederholt. Was mir Mühe gemacht hat, war der letzte Satz – wo die Zeit keine Bedeutung hat. Ich dachte “meaningless”, das klingt ja so mies. Dann fiel mir Oscar Wilde ein mit Dorian Gray. Der sagt an einer Stelle: “When time matters nought”- Ich habe dann im Wörterbuch nachgeschaut, aber nichts gefunden. Dann habe ich meine englischen Freunde angerufen und die haben es mir bestätigt. Das ist das englische Idiom für “Wenn Zeit keine Bedeutung hat”. Dann klang es plötzlich geil. Ich saß im Studio und hatte Gänsehaut.

Aber warum nun noch “Echoes From The Past”? Das Album wird ja aus der Sicht von Jean de Metz erzählt, einem Weggefährten von Jeanne d’Arc.

Ich dachte, da quälst du dich nun über zwei Alben auch durch die Figur des Jean de Metz und hast dich in sie hineinversetzt, soweit es nur geht, hast aber keine Zeit auch seine Gefühle zu beschreiben. Ich dachte mir, wenn du so etwas erlebt hast, das würde dich verfolgen – und so kam es zu “Echoes from the Past”. Er reflektiert die Vergangenheit, aber sie kommt immer wieder, er kann machen, was er will. Das bringt das Album zum Ausdruck, und das kann man später partiell auch einflechten, wenn es zum Spectacle Musical auf der Bühne kommt.

Mit den Arbeiten zu “Echoes From The Past” bist du ja voll in die Corona-Phase gerauscht…

Erinnere mich nicht daran! Aber ich bin kein Typ, der eine Sache dann einfach so hinschmeißt. Auch wenn ich noch so genervt bin. Ich habe einfach weitergemacht, aber gefühlt hab ich mich richtig mies! Aber zum Glück ging die Krankheit an mir vorbei, lag wohl auch am guten Immunsystem.

Du bist 78 Jahre alt – und strotzt vor Kreativität.

Ich habe einfach bisher weder einen körperlichen noch geistigen Verlust. Bis vor achtzehn Jahren habe ich geboxt, das war mein Sport. Das war die Gewichtsklasse bis 67 Kilo. Ich habe mich vor acht Tagen auf die Waage gestellt: 68,4 Kilo. Ich habe im zunehmenden Alter dann noch mehr Sport getrieben, ich jogge so 7 Kilometer und mache jeden Tag meinen Kraftsport. Und da fühlst du dich einfach anders, als wenn du nichts machst. Du fühlst dich nicht verschlissen.

Na ja, Du vielleicht nicht…

Das einzige Problem ist, dass dir die Musiker so nach und nach wegbrechen und es kommt zu Line Up Änderungen. Am Anfang einer Band streiten sich die Mitglieder über die musikalische Ausrichtung oder fühlen sich musikalisch unterbelichtet. Irgendwann fühlen sich aber einige einfach zu alt dafür. Ich werde oft nach diesen Besetzungswechseln gefragt, aber wir sind ja nun nicht die einzige Band, die so etwas betrifft. Aber es muss halt einen geben, der die Fahne hochhält, und bei Eloy bin ich das.

Und es gibt ja auch einen langjährigen Weggefährten, Klaus-Peter Matziol.

Der einzige, der seit 1976 noch dabei ist, ist Matze. Der ist ja auch sehr groß im Veranstaltungsgeschäft. Aber er hat immer noch Spaß an der Musik und ist vor allem ein einzigartiger Bassist. Ich kenne nur zwei Bassisten, die ich mit ihm vergleichen würde, aber der eine ist leider tot, das ist  John Entwistle von The Who und der zweite Geddy Lee von Rush, aber die machen ja auch nichts mehr, seit der Drummer verstorben ist. Da kann ich hundertmal der sein, der die Songs geschrieben hat, sein Bassspiel gibt den Songs immer eine eigene Note. 

Euer Anfang war nicht ganz einfach.

1971 erschien ja unser erstes Album, Matze kam fünf Jahr später  dazu. Aber wir haben auch bis dahin gebraucht, um als Band ein eigenes Profil aufzubauen. Manchen Bands gelingt das mit der ersten Platte, aber ich muss zugeben, bei uns war das nicht so. Wir haben uns erst gefunden, als wir zu EMI kamen, unsere zweiten Plattenfirma. Wir haben dann eine Richtung eingeschlagen, an der ich nicht ganz unschuldig war. Beim ersten Album war viel anders, wir hatten einen anderen Sänger. Er war gesanglich sehr gut, aber hatte absolut keine Lust, professionell Musik zu machen. Wir waren dann schon im Studio für die zweite LP und hatten noch immer keinen Sänger, und dann hieß es, du hast ja live auch schon gensingen, du gehst jetzt und singst die Songs ein. So wurde ich Sänger. Kompositorisch war ich immer stark involviert, das wurde dann immer mehr.

Und Startschwierigkeiten hattet nicht nur ihr, was deutsche Bands betrifft.

Damals waren deutsche Bands für die Kritiker und Journalisten generell Bands zweiter Klasse. Für eine deutsche Band sind die ganz gut, aber Pink Floyd oder Deep Purple …. Das haben wir alle abgekriegt, wir waren eben die Krautrocker, auch wenn wir keinen Krautrock gespielt haben. Das betraf die Scorpions genauso, die brauchten ja auch einen langen Anlauf und es fing sehr holperig an. Ihre erste Platte ist gefloppt, unsere auch, Für die zweite waren sie bei RCA und die sollte dann von einem Schlagerproduzenten produziert werden. Rudolf rief mich abends um 23 Uhr an und war völlig verzweifelt. Ich sagte, komm wir fahren morgen nach Hamburg und sehen zu, dass ich diesen Job krieg. Ich hatte für EMI schon zwei Alben gemacht, war aber noch nicht im eigentlichen Sinne ein Produzent, aber das war von Vorteil und ich hab den Job tatsächlich gekriegt. Wir sind dann nach München ins Musicland gefahren, vor uns waren die Rolling Stones da und der Toningenieur war Reinhold Mack, der später Produzent von Queen wurde. Wir haben dann “Fly To The Rainbow” gemacht, und ich finde ziemlich gut, aber die Plattenfirma war noch am mosern.

pic: (C) kate cymmer

Es gab ja auch mal diese Diskussion um den Namen “Eloy” mit dem holländischen Sänger Eloy de Jong, der Mitglied in der Boygroup Caught In The Act war.

Die Künstler-Trademark “Eloy” gehört tatsächlich mir. Aber das Thema wurde vollkommen unkrawallig abgefeiert. Wir haben uns nie getroffen, aber wenn, dann hätten wir wahrscheinlich einen Kaffee zusammen getrunken. Wir haben nichts gegeneinander, aber der Mann ist ein Schlagersänger, wenn dann seine Plakate hängen und die Leute denken, wir spielen dort – oder auch umgekehrt – das passt nicht. Aber wir haben die Sache gelöst und alles ist gut. 

Dabei ist der Bandname “Eloy” ja eigentlich abgeleitet aus dem Begriff “Eloi”, einem Volk auf dem Science Fiction Roman “Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells.

Ich habe damals einfach gedacht, mit dem I das liest sich nicht so gut und mit Y sieht das auch einfach schöner aus. H.G. Wells ist sicher der inspirierende Punkt, ich habe sowohl den alten als auch den neuen Film gesehen und fand die Thematik einfach toll. Die Eloi sind ein Volk, das ganz unten ist und sich von der Pike wieder neu aufbaut, und ich sah uns damals auch als eine Art Anfänger.

Du bist ja seit über 50 Jahren im Geschäft. Ist es besser oder schlechter geworden?

Das kann man ganz deutlich sagen, das Business hat sich extrem verschlimmbessert. Als Musiker verdient man ja am Streaming so gut wie nichts. Du musst ja schon Millionen von Streams haben, selbst da wirst du nicht reich. Die digitale Verwertung grenzt schon ans Unseriöse, damit hat sich aber auch die Musikindustrie ins Knie geschossen. Tonträger werden nur von Leuten gekauft, die was in der Hand haben wollen, beim Stream hörst du den Song und kannst dich gleich wieder schlafen legen. Auf diese Art Fans zu gewinnen, halte ich für schwierig, für Einzelkünstler mag es gehen, aber Bands, die sich nach alter Schule aufstellen, werden wahrscheinlich über kurz oder lang aussterben.

Du jedenfalls machst weiter. Aktuell planst du die Musik aus der Trilogie auf die Bühne zu bringen. Aber in einer besonderen Form.

Der Begriff “Spectacle Musical” kommt aus Frankreich. Dort gibt es auch den Begriff “Comedy Musical”, das entspricht bei uns dem Musical. Bei einem Musical ist es wie bei einer Oper, da werden Dialoge gesungen. Das finde ich so kitschig, wenn die sich da gegenseitig ansingen, da krieg ich Pickel. “Spectacle Musical” ist eine Mixtur aus Konzert und Theater. Auf der Bühne agieren richtige Schauspieler und Dialoge werden gesprochen. Und dazwischen gibt es immer wieder Musik. So etwas kann man auch viel einfacher international aufführen. Stell dir vor, es wäre ein Musical, du müsstest für jedes Land die Liedtexte übersetzen, hier werden jetzt nur die gesprochenen Texte in die Landessprache übersetzt. Ich kann mir vorstellen, das zunächst in Frankreich umzusetzen. Dort könnte ein solches Projekt sogar subventioniert werden. In Deutschland brauch ich damit nicht anfangen. Wenn es in Frankreich ein Erfolg wird, kommen sie in Deutschland ganz von alleine. Aber jetzt bin ich zunächst noch mit der Promo für das neue Album beschäftigt. Die Nachfrage an Interviews ist unerwartet hoch. Danach fahre ich nach Frankreich und beginne mal mit der Akquise.

Hoffentlich erfolgreich!

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