„Empty“ ist der Titel des fünften Soloalbums vom Kristoffer Gildenlöw, der den meisten Progfans aus seiner Zeit mit Pain Of Salvation ein Begriff sein dürfte. Renald Mienert unterhielt sich mit dem in Holland lebenden Skandinavier.
Dein neues Album „Empty“ ist sehr ruhig und melancholisch, wirkt aber auch eher düster.
Es ist in gewisser Weise auch zynisch und sarkastisch. Ich meine, „Let Me be A Ghost” und “Rain” sind auch ziemlich dunkel, aber auf eine andere Art und Weise. „Empty“ ist kein Konzeptalbum im Sinne einer Story wie es „Rain“ war, aber wie auch bei den anderen Alben gibt es ein zentrales Thema. Auf „Empty“ geht es um die Erde und die Menschheit, und zwar aus drei Perspektiven. Darum hat auch das Cover diese drei Farben, schwarz, weiß und rot. Da ist zunächst diese Ebene der einzelnen Menschen, dann blicken wir auf die Menschheit als Ganzes, was machen wir, was geschieht hier, und dann zoomen wir noch weiter heraus und blicken auf die Erde als blassblauen Punkt im Weltraum und was über Tausende von Jahren stattgefunden hat. Als ob ein Schöpfer – ob es nun Gott ist oder Mutter Natur – auf die Erde schaut. Es gibt ja zu unterschiedliche Zeiten verschieden dominierende Lebensformen auf der Erde, wie zum Beispiel die Dinosaurier und jetzt die Menschen. Darum geht es auf „Time To Turn The Page“ – Ist das Kapitel der Menschheit abgeschlossen und es wird ein neues aufgeschlagen oder bleiben uns noch wie viele Jahre auch immer?
Der ursprüngliche Plan sah vor, „Empty“ fast parallel mit einem anderen Soloalbum von dir zu veröffentlichen?
Eigentlich sollte „Empty“ mein drittes Album werden. Aber dann hatte ich zu viele eher softe Songs, zu viel Akustikgitarre. Ich entschied mich also, das Material aufzuteilen, so entstanden „Homebound“ und „Empty“. Ich habe mit den Aufnahmen zu beiden Alben 2019 begonnen, war dann aber mit „Homebound“ eher fertig. Das Album erschien im Frühjahr 2020 und der Plan war, dass „Empty“ noch im Herbst des gleichen Jahres erscheinen sollte, also zwei Alben in einem Jahr. Aber dann kam Covid und ich konnte das Album nicht beenden. Während Covid konnte ich aber nicht nur rumsitzen und so erschien „Let Me Be A Ghost“ dazwischen, auf dem ich fast alles alleine eingespielt habe.
„Empty“ ist ein wunderbares Album geworden, wirkt jetzt aber nicht übermäßig komplex.
Ich höre viel Musik aus den Siebzigern und Achtzigern, etwas Neunziger. Wenn man sich große Bands anschaut, also wirklich erfolgreiche Bands wie Toto oder Dire Straits. Auch diese Songs klingen zunächst simple, aber wenn man sie analysiert merkt man schnell, dass da mehr dahinter steckt. Du kannst nicht einfach deine Gitarre nehmen und den Song nachspielen, das ist schon Musik, die wirklich von richtigen Musikern gemacht wurde. Ich will mich jetzt nicht mit diesen Künstlern auf eine Stufe stellen, aber auch ich versuche mehr in die Songs zu legen, als man beim ersten Mal hört. Wenn wir uns jetzt auf Liveshows vorbereiten geht es sogar mir bei den Proben so, dass ich denke, was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht, aber es funktioniert in dem Song perfekt.
Gerade Einflüsse von Pink Floyd sind nicht zu überhören!
Es ist definitiv eine Art Hommage an Pink Floyd und Roger Waters, beides meine wichtigsten Einflüsse und Lieblingskünstler. Es gibt aber auch Verweise auf die Dire Straits, Mike Oldfield oder Blackfield. Ich versuche nicht, diese Bands zu kopieren, ich möchte ihnen durch meine Musik meine Ehre erweisen. Ich versuche auch erst gar nicht, diese Einflüsse zu verstecken.
Du hast vieles auf dem Album selbst gemacht, arbeitest aber auch mit vielen Gastmusikern zusammen. Aber dir reicht offenbar ein Drummer oder ein Gitarrist nicht aus.
Ich sehe mich als eine Art Sammler von Sounds. Wenn ich ein Album produziere bin ich immer nach der Suche nach dem optimalen Sound. Es war kein Zufall, dass ich mit drei Drummern gearbeitet habe, ich genau diese drei für die jeweiligen Stücke geplant. Bei der Gitarre war es ähnlich. Das meiste habe ich selbst gespielt, aber ich bin ja eigentlich Bassist, und war der Meinung, dass andere diese Soli viel besser spielen konnten al s ich, also spielen auch drei Gitarristen drei verschieden Gitarrensoli. Auf dem Song „Empty“ spielen zwei Gitarristen, darüber hinaus gibt es auf dem Album ja auch Streicher und Blasinstrumente.
Auch das Artwork geht auf dein Konto!
In gewisser Weise. Ich habe alles zusammengestellt, aber das Foto stammt von einem guten Freund von mir. Er hat es mir geschickt und meinte, ich weiß nicht warum, aber als ich dieses Bild betrachtet habe, musste ich an deine Musik denken. Ich sagte, es wird das Frontcover!
Wenn ich einen Song hervorheben müsste, dann wäre es „Black and White“.
Es gibt dort sowohl einen Backgroundsänger als auch eine Backgroundsängerin. Wenn ich meinen eigenen Gesang stumm schalten würde, würdest du denselben Song hören. Die beiden sollten genau zum Takt singen, und darüber eher etwas fließend mein tiefer Gesang. Auch das ist eine Art Hommage, dieses Mal an Leonard Cohen wir er es live mit den Webb Sisters performed hat.
Du forcierst deine Solokarriere, hast aber auch Erfahrungen in Bands und bist ein gefragter Sessionmusiker. Was sind die jeweiligen Vor – und Nachteile?
Bei den Soloproduktionen ist es natürlich ein großer Vorteil dass ich alles genau so machen kann, wie ich es möchte. Jedenfalls versuche ich es. Man muss keine Kompromisse eingehen, es gibt keiner der sagt, ich möchte es so oder so. Der Nachteil ist, du musst alles alleine machen. Wenn du live spielen willst, musst du Musiker verpflichten, ich habe ja keine Band. Wenn du in einer Band spielst, hast du den Vorteil der Kreativität der restlichen Bandmitglieder. Ideen werden hin und her gespielt und weiter entwickelt, aber hier geht es natürlich nicht ohne Kompromisse. Aber auch die Arbeit als Session-Musiker empfinde ich als sehr interessant. Hier bist du sozusagen nur auf dem Rücksitz. Du bekommst einen Auftrag und alles ist schon erledigt, die Musik ist komplett geschrieben, du musst nur deinen Part spielen. Manchmal bekommst du einen Song und der Basspart ist schon mit einem Midi-Synthesizer aufgenommen und ich soll ihn exakt so nachspielen. Vermutlich würde keiner der Unterschied hören, aber wenn man es so will. Es kommt aber auch vor, dass ich beim Bass etwas mehr Spielraum habe. Aber du kommst mit so viel unterschiedlicher Musik in Kontakt. Aber du hast natürlich kein Mitspracherecht, es sein denn, sie fragen dich oder man hat schon eine gute Beziehung untereinander und kann ein paar Vorschläge machen. Aber ich mag alle diese drei Arten zu arbeiten, ich kann nicht sagen, dass ich eine bevorzuge.
Du warst auch auf dem letzten Album von Nine Skies vertreten, aber dieses Mal als Sänger!
Ja, es ist eher untypisch, dass ich gebeten werde, auf dem Album anderer Künstler zu singen. Meine erste Reaktion ist immer: Bist du sicher, dass du den richtigen Gildenlöw erwischt hast, es ist eigentlich mein Bruder, der singt. Das Besondere an diesem Album war aber, dass ich die Vocal Lines alleine geschrieben habe. Sie gaben mir die Musik und die Texte und ich habe dann versucht, daraus den passenden Gesang zu machen.
Du arbeitest als wie viele andere Künstler heute viel remote?
Das Versenden von Dateien ist ja mittlerweile Standard. Wenn man aber zum Beispiel als Sessionmusiker zusammen mit den anderen im Studio arbeitet, dann weiß man sofort, ob die Aufnahme passt oder nicht. Die Kommunikation ist viel schneller. Das Arbeiten Remote dauert länger. Ich nehme es auf, verschicke es, dann muss es runtergeladen werden, wird mit dem restlichen Mix zusammengefügt und man muss entscheiden, ob es passt. Dann gibt es Feedback und es beginnt unter Umständen von vorn. Aber dafür kann ich entscheiden, wann ich das Material aufnehme und bin nicht an Studiozeiten gebunden.
Man verbindet deinen Namen ja vor allem mit deiner Zeit bei „Pain Of Salvation“. Wie ist eure Beziehung?
Ich hätte jetzt fast gesagt, es gibt keine. Mein Bruder ist noch in der Band. Wenn immer die Band in der Nähe ist, gehe ich zu den Shows. Aber es gibt keine Probleme zwischen uns.
Fühlst du dich der Progszene zugehörig?
Ich habe nie bewusst versucht ein Teil der Progszene zu werden. Ich wollte als Solist andere Musik machen, schon mit den ersten Alben wie „Rust“ und „Homebound“ eher einfachere Songs schreiben, nicht wirklich fröhliche Musik, eher melancholisch. Die Musik mach technisch nicht so kompliziert sein, aber wenn man genau hinhört, merkt man schnell, es sind nicht nur Songs, die aus vier Akkorden bestehen. Ich glaube aber dennoch, dass ich mich mit dem neuen Album etwas mehr in Richtung Prog bewege.
Auf alle Fälle bewegst du dich in die richtige Richtung!