Im März brachten Big Big Train mit „The Likes Of Us” ihr mittlerweile immerhin schon fünfzehntes Studioalbum auf den Markt. Dabei war gar nicht sicher, ob die Band nach dem tragischen Tod des langjährigen Sängers David Longdon überhaupt weitermachen würde. Aber zum Glück hat sie, und so haben Big Big Train die Ehre, beim finalen Night of the Prog, das Festival als letzte Band am dritten Tag zu beenden, und im Herbst geht es dann auf Europatour.
Renald Mienert sprach mit Bandmitbegründer und Bassist Gregory Spawton und dem Neueinsteiger am Keyboard Oskar Holldorff, wobei letzterer etwas zurückhaltender agierte.
Ihr habt mit „The Likes Of Us“ ein wirklich gelungenes Album veröffentlicht. Man hätte aber auch verstanden, wenn ihr nach dem Tod von David als Big Big Train nicht mehr weiter gemacht hättet.
Gregory: Tatsächlich haben wir uns gefragt, ob die Band noch eine Zukunft hat. Der Tod von David war ein großer Schock für uns. Er war einer meiner besten Freunde und wir hatten eine sehr enge Partnerschaft. Der Gedanke ohne ihn weiterzumachen war für mich zunächst sehr schwierig. Aber er hat sein Herz und sein Seele in Big Big Train gesteckt und so haben wir uns entschieden, weiter zu machen. Aber im Zuge von Covid, hat dann ja Carly uns auch verlassen, das heißt, wir brauchten auch einen neuen Keyboarder, den wir dann in Oskar gefunden haben. Aber ich denke, wir haben jetzt die richtigen Leute an Bord.
Der neue Mann am Mikro heißt Alberto Bravin und kommt von PFM.
Gregory: Ich bin ein großer Fan von PFM und haben sie Live 2015 in London gesehen. Was mich am meisten überzeugt hat, war dieser Typ im Hintergrund der Keyboard spielt und die eher schwierigen Passagen sang. Ich dachte mir, wer ist das? Ich machte mir eine Notiz auf meinem Handy, das mache ich häufig, bei Konzerten, man weiß ja nie. Und als wir auf der Suche nach einem neuen Sänger waren, habe ich mich an ihn erinnert. Mit ihm dann in Kontakt zu treten war nicht so einfach. Er ist nicht so der Social Media Typ. Aber ich habe dann eine E-Mail Adresse gefunden und er reagierte, er sei ein großer Fan von uns und wir haben ihn zu einem Vorsingen eingeladen.
Und wie du schon sagtest, einen neuen Keyboarder habt ihr auch. Oskar Holldorff spielt bei Dim Grey, die Norweger waren euer Toursupport.
Gregory: Oskar bringt eine Menge in die Band ein. Er ist auch ein guter Pianist und ich mag es, wenn ein Keyboarder auch Klavier spielen kann. Außerdem ist er ein guter Sänger, und wir arbeiten ja viel mit diesen multiplen Harmonien. Und durch ihn kommen auch diese nordischen Sounds in unsere Musik, das hebt uns musikalisch auf eine noch höhere Stufe. Und es ist toll mit ihm zu touren. Es ist noch sehr jung und bestimmt ist es nicht ganz leicht gewesen diese Shows zu spielen, als Keyboarder und als Sänger. Was sagst du, Oskar?
Oskar: Was soll ich sagen? Es freut mich natürlich, dass zu hören.
Als du das Angebot bekamst, bei Big Big Train einzusteigen, war deine Antwort klar?
Oskar: Ein wenig Selbstzweifel gab es schon. Ich habe ja vorher keinen Prog gespielt und war mir nicht sicher, ob meine Fähigkeiten ausreichen. Aber was die Leute angeht war es gar keine Problem. Schließlich war es doch eine leichte Entscheidung. Ich habe in vielen Bands gespielt, die aber nicht bekannt geworden sind. Was Dim Gray angeht würde ich die Musik auch nicht progressive nennen, vielleicht einer Art Cross Over Rock. Ich singe, produzier und schreibe Songs. Bei Dim Grey spiele ich auch Keyboards, aber das kann man nicht mit den Keys in Big Big Train vergleichen.
Worum geht es in den Texten?
Gregory: Es ist kein Konzeptalbum in Form einer Story, es gibt kein Narrativ. Aber es ist ein sehr persönliches Album, da gibt es einen Track „Miramare“ der aus der Sicht einer dritten Person erzählt wird, alle andere behandeln Erfahrungen, die wir selbst gemacht haben. Wir mussten aus circa zwei Stunden Musik auswählen, es gibt einige wirklich gute Songs, die es nicht auf das Album geschafft haben, weil sie musikalisch nicht zum Rest gepasst haben.
Ihr habt das Album ja zusammen im Studio in Italien eingespielt. Ist das euer Standardvorgehen?
Gregory: Ich glaube, dass letzte Mal, dass wir zusammen ein Album im Studio aufgenommen haben war Mitte der Neunziger. Wir wollten es dieses Mal unbedingt machen, es gibt den Stücken eine besondere Art von Energie, etwas Rockiges. Und wir haben neue Mitglieder in der Band, da war es wichtig, gemeinsam Zeit zu verbringen. Nicht nur im Studio, sondern danach auch mal zusammen ein Bier trinken. Natürlich ist es heute schwierig mit der Musik Geld zu verdienen, darum sind viele Musiker auch in mehreren Bands gleichzeitig. Dim Grey hatten einen Supportslot für Marillon, darum musste Oskar uns verlassen, nachdem er seine Parts aufgenommen hatte.
Oskar: Gerade weil die Songs so persönlich sind, war es gut, zusammen zu sein. Natürlich hat man Ideen ausgetauscht, aber man hat sich auch auf persönlicher Ebene besser kenne gelernt.
Die Mitglieder von Big Big Train kommen ja aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt – UK, Italien, Norwegen, Schweden und Amerika.
Gregory: Die Welt ist heute ein kleinerer Ort, Kommunikation ist kein Thema, von daher haben wir ohnehin ständig untereinander Kontakt. Das große Problem bei einer multinationalen Band sind aber einfach die Kosten. Irgendwer muss immer eingeflogen werden. Aber jeder hat seinen eigenen Background und ich liebe es, diese zusammen zu bringen. Und wenn wir auf Tour sind, ist es dann oft so, dass die aktuelle Show für einen von uns wie ein Heimspiel ist.
Oskar: Ich glaube, es gibt nicht viele Bands die so aufgestellt sind wie Big Big Train. Das macht uns schon ziemlich einzigartig.
Ihr habt es als Progband immerhin geschafft, euch in den Top 40 zu platzieren.
Gregory: Ich halte das immer noch für wichtig. Es kann Türen öffnen, dass auch andere Medien von dir Notiz nehmen, wie die Times zum Beispiel, nicht nur die Szene-Magazine. Wir lieben Prog, aber es ist nur eine kleine Szene, und es ist wichtig, auch außerhalb wahrgenommen zu werden. Vielleicht kommt das neue Album ja auch in die Top 40, aber wenn es nur Platz 42 wird, ist es auch nicht schlimm.
Die Band wurde ja schon 1990 gegründet. Und kaum sind 34 Jahre vorbei, schon habt ihr einen Plattenvertrag!
Gregory: Früher wollten wir alles unter eigener Kontrolle haben, nach dem Motto „Herren über unser eigenes Schicksal“. Aber Inside Out machen einen guten Job. Natürlich muss man einige Kompromisse machen, aber das ist normal, du hast einen Vertrag unterschrieben und sie möchten auch Dinge mit entscheiden.
Und wie so oft bei Inside Out haben die Fans die Qual der Wahl, was die unterschiedlichen Formate angeht. – egal ob Mediabook mit Blu-Ray oder farbigen Vinyl.
Gregory: Ich liebe Vinyl. Ich verbinde sehr viele Erinnerungen damit, eine großartige Schallplatte in den Händen zu halten. Oskar ist jünger, vielleicht ist ja Streaming alles, was er braucht.
Oskar. Ich bin mit den CDs aufgewachsen. Diese Art romantische Gefühl für eine Schallplatte habe ich nicht. Aber ich bin schon von der reinen Größe beeindruckt.
Big Big Train beeindrucken aber hoffentlich noch lange musikalisch!