OK Goodnight
Ok Goodnight ist eine junge und vielversprechende Progressive Metal-Band aus Boston. Der Bandname ist aber nicht Programm! Bei der Musik wird niemand einschlafen. Im Gegenteil: Die jungen Musiker und die junge Sängerin bringen jede Menge frische Energie und Spielfreude mit, wenn sie ihren modernen Progmetal präsentieren. Die Musiker haben sich am Berklee College of Music kennengelernt, und sind mit ihrem vielbeachteten Konzeptalbum „The Fox And The Bird“ angereist.
Schon beim Opener “The Drought” konnte man erahnen, was in der nächsten knappen Stunde passieren würde. Handwerklich auf höchstem Niveau legten die jungen Musiker los und zogen, obwohl es noch so früh war, viele vor die Bühne. Die Instrumentalisten zeigten eine beeindruckende Virtuosität, und nach ein paar Stücken kamen die ersten Vergleiche mit Dream Theater auf. Der Focus des Auftrittes lag natürlich beim aktuellen Album „The Fox And The Bird“ und so wurden dann auch sieben Titel live präsentiert.
Beachtenswert ist auch die begnadet gute Stimme der Frontfrau, die schon im Intro “The Drought” erste Akzente setzt und ein paar tolle Melodien aus ihrem Organ zaubert. Im Titelstück setzt sie dann noch einen drauf, um spätestens in “The Raccoon (And The Myth)” eine Power zu entwickeln, die man in dieser Szene selten oder noch gar nicht gehört hat. Mir fällt da auch gerade kein Vergleich dazu ein.
Wie vielschichtig die Band ist, wird in „The Bear“ deutlich. Zum einen sind es die elektronischen Effekte, die leichten Pianoparts und die Streicher. Es ist ein sehr aggressives Stück, da wird auch mal gegrowlt, ohne das es nervig ist, weil das Zusammenspiel der Stimmen hier hervorragend passt.
Es ist die enorme musikalische Spannweite, die OK Goodnight zu einem echten Erlebnis macht. Handwerklich souverän, unglaublich kreativ und fantastisch in der vokalen Performance – mit dieser Kombination werden die jungen Musiker unaufhaltsam ihren Weg gehen und sicher bald mit den Genregrößen in einem Atemzug genannt. Was für ein grandioser Einstieg in den letzten Festivaltag!
Setlist: OK Goodnight
The Drought
The Fox And The Bird
The Falcon
Day And Night
Addled Eyes
The Raccoon (and the Myth)
The Journey
The Snake
The Bear
Free Fall
The Crocodile
Rapture
The Windmill
Als zweite Band am letzten Tag übernahmen The Windmill aus Norwegen die Bühne und präsentierten ihren melodischen, symphonischen Prog. Die Band, die mittlerweile auf eine über 20-jährige Geschichte zurückblickt, hat aber erst vier Alben veröffentlicht, was unter anderem daran liegt, dass zwischen Bandgründung 2001 und Erscheinen des Debütalbums „To be continued…“ im Jahr 2010 fast zehn Jahre lagen. Auch die nachfolgenden Alben dauerten immer etwas länger. So erschien „The Continuation“ 2013, danach „Tribus“ im Jahr 2018 und nun also ganz aktuell ihr neuestes Album „Mindscapes“.
Die aktuelle Besetzung hier beim Festival stellte sich so dar: Erik Borgen (Leadgesang, Gitarre), Emil Olsen (Leadgitarre), Arnfinn Isaksen (Bass), Morten L. Clason (Flöte, Saxophon, Backgroundgesang, Gitarre), Jean Robert Viita (Keyboards, Backgroundgesang) und Nils Harsem (Schlagzeug). Bei der Albumproduktion war noch Kristoffer Utby am Schlagzeug zu hören. Einigen dürfte aufgefallen sein, dass auch beim Infringement-Auftritt 2022 einige The Windmill-Musiker dabei waren.
Die Norweger spielten viele Stücke vom Album “Mindscapes” und begannen mit dem recht rockigen Stück “Calton Hill”. Ein sehr melodisches Stück, mit typischem 70er-Jahre-Rocksound, aber auch Anleihen aus dem Hardrockbereich sind zu hören – ein recht kurzweiliger Einstieg. “The Masque” sorgte nicht nur musikalisch für Aufsehen. Optisch durch eine Tänzerin mit einer bunten Maske ergänzt, wurde das Stück noch spannender und dadurch auch für den Zuschauer aufgewertet.
Danach folgte der Longtrack “Fear” von “Mindscapes”, ein knapp 23-minütiger, ganz starker Song. Keyboard und Gitarren ergänzen sich prächtig, die Farbtupfer kommen noch durch Flöte und Saxophon ins Spiel, was einen dann tatsächlich mal an Jethro Tull oder auch Focus erinnert. Ein melodisches Stück, und auffällig ist, dass “The Windmill” eigentlich nie ihre Komfortzone verlassen. Sie bleiben immer in ihrem melodischen Schema stecken; kein übermäßiges Gefrickel oder gar eine gewisse Härte ist hier zu finden. “Nothing In Return” beschließt dann den Auftritt, wobei man noch erwähnen sollte, dass der Gesang des Gitarristen Erik Borgen durchaus zu gefallen weiß und hervorragend zur dargebotenen Musik passt.
Setlist: The Windmill
Calton Hill
The Masque
Fear
Nothing In Return
Amarok
Spätestens seit ihrem 2021er Output „Hero“ zählen Amarok nicht mehr zu den Hoffnungsträgern in Sachen Art-Rock. Sie spielen mittlerweile in der ersten Liga. Bereits 1999 gegründet, ist die Band bei Album Nummer sieben angelangt und scheint sich absolut gefunden zu haben. Wunderbare Klangwelten erinnern an Bands wie Pink Floyd, The Pineapple Thief oder Riverside und heben ihre Kunst, Songs zu schreiben, auf ein Level mit ihren Landeskollegen von eben Riverside.
Im Prinzip ist Amarok seit 2003 das Soloprojekt von Sänger, Gitarrist und Keyboarder Michal Wojtas, der gemeinsam mit Marta Wojtas (Percussions/Vocals), den Kern der Band darstellt. Sie sind – bis auf Schlagzeug und Bass – für die gesamte Instrumentierung des Songmaterials verantwortlich. Nicht selten erinnert ihr atmosphärischer, progressiver Rock an die Spätwerke von Peter Gabriel, denn auch World Music scheint im Kosmos von Amarok eine wichtige Rolle zu spielen. Vervollständigt wird die Band durch Konrad Zieliński (Drums) und Kornel Popławski (Bass/Keyboards).
Kern des Set´s bildeten Stücke aus dem aktuellen Album “Hope”. Gestartet wurde mit “Hope Is” vom neuen Album. Auffällig war, das Stück wurde wesentlich druckvoller und härter als in der Studioversion gespielt wurde. Mit „Trail“ ging es dann weiter und auch der nächste Song „Insomnia“ ist vom aktuellen Album.
Interessant ist auch das Harmonium, welches aber nur einmal zum Einsatz kam – ein Instrument, die der Musik von Amarok eine spezielle Note verleiht. Hervorheben sollte man auch die grandiose Gitarrenarbeit von Michał Wojtas, die das Publikum den ganzen Abend faszinierte.
Aber auch die anderen Musiker erwiesen sich als große Könner an ihren Instrumenten, vielseitig und vielschichtig, bei solchen Konzerten gibt es auch immer viel zu sehen. Die Band wirkt perfekt eingespielt, und bringt das auch locker auf das Publikum rüber.
Wie schon erwähnt, wenn Amarok das Tempo ein bisschen anzieht, steht ihnen das richtig gut zu Gesicht. Interessant ist auch wie Marta Wojtas ihre unzähligen Instrumente zum Klingen bringt. Und auch wenn sie ihre Stimme mit einbringt, gibt das noch einmal einen Farbtupfer im Programm.
Als Zugabe bei der letzten Tour spielte die Band ja „Hope Is“ immer als Zugabe. Und auf unsere damalige Frage an Marta, ob das neue Album etwas härter wird, verneinte Marta dies, und antwortete, das das neue Album wieder viele Facetten hat und wir uns überraschen lassen sollen. Recht hatte sie, und wir konnten uns bei diesem Auftritt davon überzeugen.
Setlist: Amarok
Hope Is
Trial
Insomnia
Queen
Hero
Surreal
It’s Not The End
Parada
Meer
Mittlerweile für viele kein Geheimtipp mehr, spielte die Band doch jetzt schon auf einigen renommierten Festivals auf. Wir verfolgen die Band seit 2019 intensiv und finden die Entwicklung bis dato sehr innovativ und ansprechend. Die jungen Norweger hatten bislang zwei Alben veröffentlicht, Nummer drei ist fertig und hört auf den Namen „Wheels Within Wheels“. Der reguläre Veröffentlichungstermin ist allerdings erst im August. Und weil sie clever sind, hatten sie das Album aber schon dabei, und es dürfte sich nach dem grandiosen Auftritt auch gut verkauft haben – sozusagen als Presale beim Festival.
Es gab in den letzten Jahren immer mal kleinere Besetzungswechsel, hier auf der Bühne standen die Geschwister Johanne und Knut Kippersund Nesdal (Gesang), Eivind Strømstad (Gitarre), Åsa Ree (Violine), Ole Gjøstøl (Klavier), Morten Strypet (Bass), Mats Lillehaug (Schlagzeug) und neu Marius Westling (Viola). Letzterer war als Ersatz für Ingvild Nordstoga Eide dabei, die kürzlich erst Mutter geworden ist.
Diese Band gehört für uns zu den großen Hoffnungsträgern im Progressive Rock, denn ihre Mischung aus Prog und Pop mit symphonischem Einschlag ist hoch melodisch und eingängig, aber dennoch sehr komplex. Damit sind sie auch für neue Fans interessant, und das Publikum wird mal ein wenig durchmischt. Man hörte hier und da wieder die üblichen Fragen: „Aber Prog ist das nicht?“ Nicht im klassischen Sinne, aber dennoch eben SEHR progressiv! Solche junge Band sind die Zukunft und davon gibt es einige. Zum Glück.
Kern des Programms war das Album „Playing House“, wobei auch ein Song vom Debüt zum Besten gegeben wurde, ebenso wie Stücke vom brandneuen Album als Livepremiere. Anfänglich gab es ein paar kleinere Probleme mit dem Sound, die aber gekonnt gemeistert wurden. Überhaupt ist die Bühnenpräsenz bestechend, besonders wenn die zwei singenden Geschwister sich mit ihren meisterhaften Stimmen beim Duett übertreffen. Waren sie letztes Jahr in Valkenburg noch geplättet nach dem erfolgreichen Auftritt, war das hier schon etwas abgeklärter, aber nicht emotionslos. Unter dem Strich zählen Meer definitiv zu den Gewinnern des Festivals, und sie sollten viele neue Fans hinzugewonnen haben.
Setlist: Meer
Chains Of Changes
Behave
Across The Ocean
Honey
Child
Something In The Water
Today Tonight Tomorrow
Grains Of Sand
Where Do We Go From Here?
Picking Up The Pieces
Come To Light
Beehive
Golden Circle
The Flower Kings
Winfried Völklein versammelt auf der letzten NIGHT OF THE PROG Edition auf der Loreley wohl das Beste des Prog Rock aus Vergangenheit und Gegenwart, was aktuell zu bekommen ist. So betritt mit den schwedischen Retro-Proggern nun eine weitere klassische Retro-Prog-Band die Bühne, die unsere Szene seit 30 Jahren mitgeprägt hat und die so mancher anwesende Fan seit Jahrzehnten tief in seinem Herzen trägt.
Gefühlt brauchen die Jungs ziemlich lange, um ihre Instrumente mit der Anlage vor Ort zu verbinden und ein paar soundtechnische Abstimmungen vorzunehmen. Die sorgenvollen Gesichter auf der Bühne nehmen zu: offenbar will das Keyboard von Lalle Larsen keinen Piep von sich geben. Immer wieder schüttelt er den Kopf und zuckt mit leicht den Schultern, bewahrt aber die Ruhe.
Es ist bestimmt nicht leicht, vielleicht 4000 anwesende Fans und damit ihr größtes Publikum des Jahres warten zu lassen, während die tickende Festival-Uhr das Set immer weiter verkürzt. Nach finalem Austausch seines Keyboards beginnt letztlich das Konzert 25 Minuten später als angesetzt. Faszinierend zu beobachten: die Jungs auf der Bühne nehmen es leicht.
Und so musste das Set stark eingekürzt werden. “Garden Of Dreams” war dann das erste Stück, gefolgt von “Big Puzzle” und “What If God Is Alone” und endete mit dem Klassiker “Stardust We Are”. Der Song, im Original um die 30 Minuten, wurde aber auch nur in einer eingekürzten Version dargeboten. Trotzdem zeigte die Band einmal mehr, warum sie als Institution im Progressive Rock gilt und bewies, dass sie auch nach fast 30 Jahren noch nichts von ihrer Energie und Kreativität eingebüßt hat.
Im Gegenteil, seit Lalle Larson fest in der Band ist, wirkt die Band frischer und entspannter denn je. Die musikalische Virtuosität und die harmonischen Kompositionen der Flower Kings wissen immer wieder zu gefallen. Trotz der anfänglichen technischen Schwierigkeiten schafften sie es trotzdem, die Zuhörer mit ihrer Musik zu fesseln und eine großartige Performance abzuliefern.
Setlist: The Flower Kings
Garden Of Dreams
Big Puzzle
What If God Is Alone
Stardust We Are (Part3)
Steve Rothery Band
Als Co-Headliner, fungierte bei der letzten Ausgabe am letzten Tag, die Steve Rothery Band. Von vielen schon sehnsüchtig erwartet zündeten sie ein Feuerwerk an Hits der frühen Marillion-Ära. Doch zu Beginn spielte Steve wie erwartet zwei Stücke, „Morpheus“ und „Old Man Of The Sea“, aus seinem letzten Soloalbum.
Als nächstes dann ein Song aus der Zeit des frühen Steve Hogarth mit „King Of Sunset Town“. Darauf hin folgten vier Stücke aus dem Erfolgsalbum „Misplaced Childhood“. Hier ging das Publikum dann auch richtig mit und die Stimmung wurde mal so richtig hochgefahren.
Die Steve Rothery Band spielt seit einigen Jahren in einer sehr konstanten Besetzung. Neben Steve Rothery (Gitarren) gehören noch Dave Foster (Gitarre), Riccardo Romano (Keyboards), Yatim Halimi (Bass), Leon Parr (Schlagzeug) und Martin Jakubski (Gesang) zur Band. Für uns, wenn man es so sehen will, die beste Marillion Cover Band, wenn man die Zeit mit Fish zum Maßstab nimmt.
Martin Jakubski singt die Stücke sehr nah am Original, aber auch bei den Songs, die eigentlich von Steve Hogarth gesungen werden, stellt er die Stimme geschickt um. Leon Parr und Yatim Halimi bilden eine sehr solide Rhythmusgruppe und mit Dave und Riccardo hat Steve Rothery zwei weitere großartige Musiker in der Band.
„Heart Of Lothian“ wurde wieder sehr lautstark mitgesungen, bevor es dann zum Album „Holidays In Eden“ aus dem Jahr 1991 ging. Fans aus der Fish-Ära ist das ein bisschen zu viel des Guten, mir persönlich gefällt es, da ich doch beide Varianten von Marillion verehre. Danach kamen mit „Slàinte Mhath“ wieder die Freunde von Fish auf ihre Kosten, bevor mit „Hooks In You“ nochmal ein Gassenhauer vom „Seasons End“-Album aus dem Ärmel gezaubert wurde.
„Forgotten Sons“ kam als nächstes. Steve Rothery sagte, dass er den Song sehr gerne spielt und er zu seinen absoluten Favoriten zählt. Danach folgte „The Last Straw“ und dann war Schluss. Noch nicht ganz. Er spielte mit „Sugar Mice“ noch eines der schönsten Marillion-Stücke als Zugabe. Was für ein Finale!
Wenn man an der Stelle ins Rund geschaut hat, sieht man, was Musik bewirken kann. Deswegen und genau darum gehen wir da immer wieder hin. Unglaublich viele faszinierende, glückliche Gesichter. Mehr geht dann an der Stelle nicht, und Steve Rothery hat nach 2015 das zweite Mal mit seiner Band den Felsen gerockt und verzückt.
Setlist: Steve Rothery Band
Morpheus
Old Man Of The Sea
King Of Sunset Town
Kayleigh
Lavender
Bitter Suite
Heart Of Lothian
This Town
The Rakes Progress
100 Nights
Cover My Eyes (Pain And Heaven)
Slainthe Mhath
Hooks In You
Forgotten Sons
The Last Straw
Zugabe:
Sugar Mice
Big Big Train
Headliner des abschließenden Festivaltages und damit auch letzte Band auf dem Felsen beim „Night Of The Prog“ war die Multikultitruppe Big Big Train, die nach 2018 zum zweiten Mal bei diesem Festival auftraten. Immerhin standen hier jetzt Musiker aus UK, Norwegen, Schweden den USA und Italien auf der Bühne. Nach dem tragischen Tod ihres Sängers David Longdon (er stand bei der 2018er Ausgabe noch selbst auf der Bühne) hat Gregory Spawton die Frontposition im Herbst 2022 mit dem italienische Sänger Alberto Bravin (ex PFM) neu besetzt. Mit ihm ist am 01.03.2024 auch das neue Album „The Likes Of Us“ erschienen, von dem aber nur drei Stücke auf die Setlist fanden.
Big Big Train sind: Alberto Bravin (Gesang, Akustikgitarre, Keyboards), Nick D’Virgilio (Schlagzeug, Percussion, Gesang, Akustikgitarre), Oskar Holldorff (Tasteninstrumente, Gesang), Clare Lindley (Violine, Gesang), Rikard Sjöblom (Gitarren, Keyboard, Gesang), Gregory Spawton (Bass, Basspedals, 12saitige Akustikgitarre) und Paul Mitchell (Blasinstrumente). Als Gast spielte noch Dave Foster bei einem Stück Gitarre. Eigentlich gehörte Dave Foster mit zur Band, doch gab er ein paar Wochen vor dem Festival seinen Ausstieg bekannt. Und um so schöner das er sich hier noch einmal präsentieren konnte, so zusagen als Abschied auf großer Bühne.
Vielleicht noch ein paar Worte zum Wetter: Morgens wurde per Flyer eine Unwetterwarnung angekündigt, die aber zum Glück nicht eintrat. So blieb es bei der Hitze, wie schon an den vorangegangenen Tagen, mit dem einen kleinen Unterschied, dass der Himmel zu Beginn des Konzertes von Big Big Train seine Schleusen öffnete und ein ergiebiger Regen das Konzert komplett bis zum Schluss begleitete. Das sollte dann wohl so sein! Da sieht man die Tränchen, die beim letzten Konzert geflossen sind, nicht so.
Das sollte der Stimmung auf der Bühne und auf den Rängen aber keinen Abbruch tun, und so wurde der letzte Auftritt auf dem Felsen auch ein richtig guter, emotionaler Moment, der sehr lange nachhallen wird. Nach dem Einspieler, wo ein Zug lautstark donnernd ins Areal einfährt, betritt die Band die Bühne und beginnt ihr Set mit dem Stück „Miramare“ vom aktuellen Album.
Alberto Bravin agierte wie immer sehr laufstark; es gibt bestimmt keinen Quadratzentimeter auf der Bühne, den er nicht betreten hat. Auch machte er wiederholt Ausflüge zum Publikum über den nassen Laufsteg, wo er immer wieder die Verbindung von der Band zum Publikum herstellte. Richtig guter Typ!
Die Auswahl der Songs ist bei dem großen Backkatalog der Band immer schwierig, dennoch fand ich die Titel gut gewählt, sodass die Zeit wie im Fluge verging. Viele Klassiker, aber auch viele schöne Momente schlossen sich an. „Telling The Bees“ wurde erst nur von Nick und Rikard alleine, sehr akustisch, gespielt. Dann aber spielte Alberto für Nick das Schlagzeug und führte das Stück zu einem magischen Ende.
Oder „Love Is The Light“, bei dem Dave als Gast noch einmal mit der Band spielte und beim abschließenden Refrain alle mit einstimmten. Mein Highlight war aber „A Boy In Darkness“, ein schwer zu singender Song, den Mister Bravin aber top gemeistert hat! Mit „Apollo“ endete dann eine Ära. Das „Night of the Prog“-Festival war Geschichte. Anders als in den letzten Jahren verblieben noch viele im Rund, es galt sich zu verabschieden. Viele Fans sahen sich nur einmal im Jahr, eben hier auf dem Felsen. Ein bisschen Wehmut war schon dabei.
Setlist: Big Big Train
Miramare
Oblivion
The Connection Plan
Keeper Of Abbeys
The Florentine
Telling The Bees
Love Is The Light
East Coast Racer
A Boy In Darkness
Apollo
Fazit:
Die 17. Edition des „NOTP“ (wie ihre Fans es liebevoll abkürzen) ist zunächst vom Lineup als besonders und überdurchschnittlich zu bewerten. Viele über Jahrzehnte bekannte Acts füllten die Festivaltage (z.B. Sylvan, Arena, Lazuli, Pendragon, The Flower Kings oder Steve Rothery) und zogen ein sichtbar zahlreicheres Publikum an als bei so manchen vorangegangenen Editionen. So manche selten gesehene oder stark aufstrebende Band war dabei (IZZ, Alex Henry Foster, Ritual, Beardfish, Amarok oder Meer). Die eher unbekannten neuen Bands überzeugten, die Headliner waren ihrer würdig.
Das alles wurde aber vom Bewusstsein aller Anwesenden überstrahlt, dass man sich an dieser Stelle in dieser Form nun zum letzten Mal getroffen hat. Ungeachtet aller mehr oder weniger bekannten Probleme und Entwicklungen um das Festival über viele Jahre umwölkte dieses Festival immer eine besondere Atmosphäre. Es war das größte seiner Art in Europa; die Bühne über dem Rheintal und das Areal ringsherum sind einzigartig.
Nicht nur viele Fans strahlten an diesem Wochenende diesbezüglich eine gewisse Melancholie aus, sondern auch viele Musiker äußerten mehr oder weniger offen ihre Trauer, das letzte Mal hier vor tausenden Fans spielen zu dürfen. Denn üblich sind für die meisten hier auftretenden Acts im Konzertalltag eher niedrige dreistellige Besucherzahlen oder sogar weniger. Als ob der Wettergott das genau geplant hätte: BIG BIG TRAIN als letzte Band des Festivals spielten als einzige Band des Wochenendes im Regen, der dann auch pünktlich zum Ende des Konzerts wieder aufhörte. Passender geht es nicht.
Es waren aber nicht nur die Bands und ihre Musik, die dieses Festival in seinen 17 Editionen so anziehend gemacht haben. Es waren vor allem auch die Menschen, die sich hier kennengelernt, verabredet und gefreut haben, sich jedes Jahr hier wieder zu treffen. Einig in ihrem Hobby, ihrer Liebe und Leidenschaft zum Progressive Rock. Aus Deutschland, Europa und durchaus auch aus Übersee. Dies alles ist an dieser Stelle nun Geschichte. Das ist der harte Fakt. Und doch: jedes Ende ist ein Anfang. Eine bereits in den sozialen Medien angeteaserte „Night Of The Prog – At Sea“ als erste Prog-Kreuzfahrt in Europa, die 2026 stattfinden könnte, ist ein spannendes Thema, das auch schon in seinem Für und Wider unter Fans diskutiert wird.
Aktuell verbleibt hierzulande das „Art Rock Festival“ in Reichenbach/Vogtland als einziges 3-Tages-Festival. Um Deutschland herum gibt es aber auch zahlreiche etablierte oder sich etablierende sehr gute Festivals, wie das „Midsummer Prog Festival“ im niederländischen Valkenburg, das „Summer Fog Festival“ im polnischen Katowice oder das „2 days Prog + 1“-Festival im italienischen Veruno, um mal ein paar wahllose Beispiele zu nennen. Und warum soll man nicht wie üblich im Sommer ein Prog-Festival besuchen, aber nun ein paar hundert Kilometer weiter fahren? Die Prog-Welt dreht sich auch ohne das „NOTP“ weiter – lasst uns also positiv in die Zukunft schauen.