Die Urgesteine des deutschen Rock, STERN COMBO MEISSEN (oder auch SCM), feiern 2024 sage und schreibe den 60. Jahrestag ihrer Gründung. Martin Schreier, ein Gründungsmitglied, ist immer noch dabei und pflegt die Legende bei anscheinend guter Gesundheit. Natürlich gab es vor inzwischen schon zwölf Jahren die letzte Verjüngungskur, ohne die es die Band sicher heute nicht mehr geben würde. Allen voran ist hier Manuel Schmid zu nennen, der damals neu in die Band kam. Er wurde geboren, als die Band ihre Hoch-Zeit mit Art-/Progressive Rock (wofür wir die Band lieben und verehren) bereits überschritten hatte. Durch ihn hat die STERN COMBO MEISSEN heute einen neuen Frühling erlangt. Manuel spielt nicht nur die Keyboards und singt die klassischen Bandwerke voller Authentizität und Leidenschaft – er schreibt auch neues Material, produziert und textet. Trotz seines vergleichsweise jungen Alters ist er heute das Herz und der Motor dieser klassischen deutschen Band.
Tracklist:
1. Die Himmelsscheibe von Nebra
2. Variationen über ein Thema von Erik Satie (Gymnopédie No. 1)
3. In der kalten Nacht
4. Zwischen zwei Herzen
5. Leben mit Dir
Aktuell bringt die Band am 27.09.2024 die EP „Die Himmelsscheibe von Nebra“ heraus. Dies ist die dritte Veröffentlichung mit komplett neuer Musik in den Jahren unter der Regie von Manuel Schmid. Das Artefakt, um das es hier geht, wurde erst 1999 in Sachsen-Anhalt durch Zufall gefunden und befindet sich nun in der Schatzkammer des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Saale). Die Scheibe ist ca. 3000-4000 Jahre alt und die älteste bekannte menschliche Darstellung des Kosmos.
Im Mittelpunkt der EP steht das knapp 10-minütige Werk „Die Himmelsscheibe von Nebra“. Und das ist wirklich ein Knaller! Es beginnt mit einer spannungsgeladenen, rauchigen und dramatisch produzierten Rezitation von Martin Schreier über das Thema Zeit, die in ein sanftes Keyboard-Bett eingelegt ist. Ein fetter Gong führt dann zum eigentlichen Song, der zunächst das initiale Keyboard-Bett weiterführt. Das Stück nimmt sich an dieser Stelle Zeit, zu verharren, Stimmungen aufzubauen und Ruhe zu verbreiten, und nimmt so auch Anleihen an alte Band-Klassiker. Der alte STERN COMBO-Fan, der mit den Art-Rock-Werken Ende der 70er/Anfang der 80er groß geworden ist, aalt sich in der Musik und fühlt sich besonders hier in seine Kindheit zurückversetzt. Mit akribischem Feingefühl ist es Manuel Schmid gelungen, genau diese Stimmung zu erzeugen, den originalen STERN COMBO-Sound der 70er in das Jahr 2024 zu beamen und gleichzeitig zu entstauben. Es baut sich folgend ein Song mit beinahe Ohrwurmcharakter auf, der dann mit einem á capella Band-Chor endet. Dieses großartige Werk ist in den Augen des Rezensenten das beste Einzelstück der STERN COMBO MEISSEN in der gesamten Zeit von Manuel Schmid.
Es folgt mit „Variationen über ein Thema von Erik Satie“ ein beruhigendes kleines Instrumental, in dem eine zarte Akustik-Gitarre im Mittelpunkt steht. Spätestens an dieser Stelle ist es Zeit, den Stellenwert des Instruments Gitarre bei STERN COMBO MEISSEN zu beschreiben. Während in der klassischen Art-Rock-Zeit überhaupt keine Gitarre gespielt wurde, dominierte sie den 80er-Jahre-Pop-Sound, welcher eine völlige Abkehr vom alten Sound war und von der Art-Rock-Fraktion der SCM-Fans nahezu gehasst wurde. Sehr viele alte Freunde wandten sich hier von der Band ab. Aktuell ist erst seit wenigen Monaten Michael Lehrmann als Gitarrist und neues festes Bandmitglied wieder an Bord, wie schon damals in den 80er Jahren. Im Vergleich zu damals wird heute sehr subtil mit der Gitarre umgegangen. Im Song „Die Himmelsscheibe von Nebra“ wird das Instrument als Effekt-Instrument eingesetzt und gibt dem Stück die passende Würze, ohne den dominanten klassischen Keyboard-Sound zu stören. In „Variationen über ein Thema von Erik Satie“ gelingt es, einen neuen „STERN“-Sound mit Akustik-Gitarre zu erzeugen, was es nach Kenntnis des Rezensenten so in all den Jahren noch nie gegeben hat.
Die weiteren drei Stücke, die sich dann auf der B-Seite der angekündigten 10″ Colored-Vinyl (bestellbar über „Buschfunk“, in der Erstauflage auf 500 Stück begrenzt) befinden, sind eher „normale“ Rock-Pop-Songs im bewährten aktuellen Stil der STERN COMBO MEISSEN. „In der kalten Nacht“ enthält überraschend am Schluss das markante Bass-Zitat des SCM-Klassikers „Also was soll aus mir werden“, ein schöner kleiner A-Capella-Chor macht dann den Song-Kehraus. „Zwischen zwei Herzen“, das poppig nach vorne geht und sich von den drei Stücken am meisten an die 80er-Jahre-Pop-Fraktion der Fans zu richten scheint, endet ebenfalls überraschend mit einer kleinen Geräuschcollage aus klassischer Musik und Schritten. Das kann als kunstvolle Ergänzung des Songs, vielleicht sogar als kleiner Seitenhieb an die Pop-Fraktion der Fans verstanden werden. Das mag jeder Hörer für sich interpretieren. Mit dem etwas beschaulichen und eher balladesk gehaltenen Liebeslied „Leben mit Dir“ endet die EP.
Sicher ist das neue Oeuvre der STERN COMBO MEISSEN mit insgesamt reichlich 25 Minuten ein wenig kurz geraten. Andererseits enthält es ins Jahr 2024 transportiert alle Elemente von Geschichte und Sound, die die Band seit vielen Jahrzehnten in den Augen ihrer durchaus verschiedenen Fans ausmachen. Hier liegt durchaus in der Kürze die Würze! Dass das so gelungen ist, dafür muss man vor den Mannen um Manuel Schmid und Martin Schreier absolut den Hut ziehen. Die Fans der Band können voller Optimismus in die Zukunft mit ihren STERNen schauen.
Wertung: EP 8.5 | 10
Song: Himmelscheibe von Nebra 10 | 10
Stern Combo Meissen 2024
Manuel Schmid (voc, keyb)
Martin Schreier (perc, voc)
Sebastian Düwelt (keyb)
Michael Lehrmann (git)
Axel Schäfer (bg)
Frank Schirmer (dr, perc)
Als Gast: Marek Arnold (keyb bei Track 3, 5)