Livereport: Midsummer Prog Festival 2023

Bereits seit der letzten Edition hatten wir uns darauf gefreut, wieder in das wunderschöne niederländische Valkenburg (30km hinter Aachen gelegen) zu reisen. Nach den ersten vier Auflagen, die allesamt nur über einen Tag gingen, gibt es 2023 das erste Mal eine Ausgabe über zwei Tage. Dieses Jahr freuten wir uns besonders auf etliche Acts, deren Musik wir in letzter Zeit lieb gewonnen, aber zu einem nicht geringen Teil noch nie live erleben konnten.

Die Veranstalter um Rob Palmen haben es wieder geschafft, trotz derzeit schwierigen Zeiten für Konzerte, die 800 Plätze des Openluchttheaters für diese zwei Tage auszuverkaufen. Die Fans dieser jährlichen musikalischen Zusammenkunft werden auch immer mehr: diesmal sind wir beispielsweise mit fast 20 befreundeten Prog Fans aus Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen angereist, um die wunderschöne Atmosphäre zu genießen: Hotel in der Stadt, in der konzertfreien Zeit gibt es in Valkenburg viel zu sehen wie Schlossruine, Katakomben oder die Stadt selbst mit ihren vielen Kneipen. Ist es dann soweit, läuft man vom Hotel ganze 15 Minuten zum wunderschön im Grünen gelegenen Openluchttheater. Hier wird man mit einem Minimum an Kontrollen empfangen, bekommt Sitzkissen und ein kostenloses Programmheft gereicht und darf sich auch schon seinen Platz suchen. Das Wetter meint es gut mit den Festivalisten: Am Tag zuvor öffnete Petrus noch derart die Schleusen, dass in der Stadt stellenweise der Schlamm von der Straße gekratzt werden musste. An den beiden folgenden Tagen ist schönstes Wetter.

Freitag 23.06

Cobra the Impaler

Pünktlich um 16 Uhr dürfen die belgischen Metaller, COBRA THE IMPALER, den musikalischen Reigen eröffnen. Sie tun das mit Bravour. Zuerst fällt der brillante Sound auf: ausgeglichen und gleichmäßig abgemischt ist das sehr angenehm anzuhören – bei Metal Bands kann das schon mal schnell in Krach ausarten.

Der Auftritt reißt das Publikum schnell mit, die Band strahlt eine riesige Spielfreude aus. Sänger und Schlagzeuger platzen schier vor Energie, der Gitarrist läuft sein Instrument spielend gleich schon mal durch die Ränge des Auditoriums. Das Publikum honoriert dies mit Begeisterung – und doch sind COBRA THE IMPALER nur der Anfang von weiteren großartigen Acts, die noch folgen.

Setlist Cobra The Impaler:

Colossal Gods

Mountains

Demigods

Spawn Of The Forgotten

Scorched Earth

Spirit Of Lyssa

Blood Eye

MEER

Als eines DER Festival Highlights treten die Norweger von MEER gleich als zweite Band auf. Die Gelegenheit zu einem Live-Erlebnis bot sich uns bis dato noch nicht. Ihr aktuelles Werk „Playing House“ war für uns in der STONE PROG Redaktion eines der Alben des Jahres 2021 und stellt auch den Löwenanteil des Sets in Valkenburg. Die Musik ist schwer zu beschreiben. Eher melodisch und ruhig, trotzdem proggig, komplex und zupackend. Man könnte es auch als Art-Pop(Rock) umschreiben.

Die auf CD schon beeindruckende Musik bekommt live noch mehr Kraft, auch durch den passionierten Auftritt der acht jungen Norweger. Das besondere ist auch, dass neben dem üblichen Rock-Instrumentarium Violine und Viola fest in das Band-Instrumentarium integriert ist.

Die beiden Geschwister Johanne Margarete und Knut Kippersund Nesdal (die auch das kreative Herz von MEER darstellen) bestechen durch ihren leidenschaftlichen Gesang, der meist als Duett vorgetragen wird. Das Publikum gibt stehende Ovationen, den Bandmitgliedern kommen teilweise die Tränen der Rührung. Dieses Konzert wird wahrhaft dauerhaft in unserer Erinnerung haften bleiben.

Setlist MEER:

Beehive

Honey

Across The Ocean

Child

Grains Of Sand

Songs Of Us

Lay It Down

You Were A Drum

She Goes

Today Tonight Tomorrow (bisher unveröffentlicht)

Picking Up The Pieces

Frost *

Eine kleine Supergroup ist FROST* schon. Denn deren Herz Jem Godfrey schart ein paar illustre und viel beschäftigte englische Prog Musiker in seiner Kapelle um sich. Alleine John Mitchell an der Gitarre ist mit LONELY ROBOT und ARENA eine Institution. Craig Blundell als einer der anerkannt besten Trommler der gesamten Szene wurde gar extra in einer Lücke der STEVE HACKETT Tour nach Valkenburg für dieses eine Konzert eingeflogen.

Und bei Nathan King am Bass, in der Band immerhin schon seit 2011, haben wir einen Tieftöner auf der Bühne stehen, der schon bei LEVEL 42 (ja, die Band mit dem Donner-Bass) seine Brötchen verdient hat. Das Ganze führt dazu, dass man FROST* seit langer langer Zeit nicht mehr auf den Bühnen des Europäischen Kontinents gesehen hat. Bis zur diesjahrigen Ausgabe des Midsummer Prog Festivals.

Gespielt wurde ein Mix von Songs des aktuellen 2022er Albums „Day And Age“ plus Bandklassiker wie „Hyperventilate“ oder „Black Light Machine“. Unbestrittener Höhepunkt der Show war die komplette 25minütige Darbietung des Stückes „Milliontown“ vom gleichnamigen Debütalbum aus 2007. Erneut reißt es das Publikum vor Begeisterung aus den Sitzen. Und wir sind immer noch nicht beim Headliner des Tages…

Setlist Frost*:

Day and Age

Terrestrial

Black Light Machine

Hyperventilate

Milliontown

Heartstrings

Repeat To Fade

HAKEN

Es ist toll zu sehen, wie sich diese ehemals kleine englische Band über viele Jahre langsam aber kontinuierlich, durch immer musikalisch und konzeptionell spannende Alben und stetige Präsenz auf den Prog Bühnen dieser Welt zu einer der aktuellen Flagschiffe des Prog ud Prog Metal entwickelt hat. Erst Anfang 2023 gab es mit der Veröffentlichung des neuen Albums „Fauna“ einen gewaltigen Schritt vorwärts.

Nach dem enttäuschend kurzen 80 Minuten Set Ihrer Europa Tour im März (was vertragliche Gründe mit dem Co-Headliner BETWEEN THE BURIED AND ME hatte) kan man eine gewisse Vorfreude, wie denn die Setlist heute aussehen würde, nicht leugnen. Denn schließlich können sie sich als Headliner wieder mehr austoben. Und die Fans werden bestens bedient, denn neben den tollen Stücken des neuen Albums werden lange nicht gehörte Stücke wie „Atlas Stone“, vor allem „The Architect“ oder „Celestrial Elexir“ dargeboten.

Headliner hier vor Ort haben immer eine besondere Magie, denn sie sind die einzigen Bands, die im Dunkeln spielen und damit die Lichtshow voll entfalten können, um ihr Set zu unterstützen. Auch diesmal wird, wie auch am folgenden Abend, das Bühnenumfeld wieder in die Lichtshow einbezogen, ein durch den Veranstalter organisiertes tolles optisches Erlebnis.

Nach dem Konzert nimmt sich die Band endlich einmal wieder Zeit für die Fans nach der Show, kommt raus und steht ausführlich für jedermann zum Quatschen und für Fotos zur Verfügung. Die Langzeit Fans nehmen dies hocherfreut zur Kenntnis, schien dies ob der inzwischen erlangten Größe der Band nach Konzerten kaum mehr möglich. Glücklich und hochzufrieden nach einem tollen HAKEN Headliner Gig begibt sich das Publikum zu den Unterkünften. Und doch voller Vorfreude auf den zweiten Tag – denn man ist gerade mal in der Mitte des Festivals angekommen.

Setlist Haken:

Taurus

In Memoriam

Sempiternal Beings

The Architect

Love Bite

Atlas Stone

Elephants Never Forget

Celestrial Elexir

Messiah Complex Pt. I – V

Samstag 24.06

The Windmill

Diese kleine nette seit 2001 existierende Band, läuft uns heute mal wieder als Festival Opener über den Weg. Auch THE WINDMILL ist extra für diesen einen Gig aus ihrem Heimatland Norwegen angereist. Gewandet in rotem Frack und Matrosenkostüm wird edler und gefälliger Neo Prog präsentiert.

Gestartet wird das Set mit dem Track „The Gamer“ vom 2013er Album „The Continuation“. Das Stück bringt es schon mal knapp auf 25 Minuten, wer die Band nicht kennt fragt sich verwundert, ist das immer noch der erste Song? Die beiden anderen Stücke, sind bislang unveröffentlichte Song´s, aus dem kommenden Album. Ein guter Opener des Festivals, nicht unbedingt nachhaltig, aber es gibt auch nichts wirklich zu meckern.

Setlist The Windmill:

The Gamer

Fear

Nothing in Return

Kingcrow

Auch die italienischen Prog Metaller von KINGCROW sind nicht unbedingt häufig mit Konzerten unterwegs. Schenkt man der Homepage der Band Glauben, gab es seit der Tour mit BLIND EGO Anfang 2020 nur einen einzigen Festivalauftritt in 2022. Entsprechende Freude an der Präsentation ihrer Musik im grünen Openluchttheater kann man den Jungs auch ansehen.

Die Musik ist schwer zu beschreiben: schon an PROG Metal angelehnt,  klingt das Ganze angenehm als Breitwandsound. Nur die zu hörenden Keyboards sind in der live Präsenz nicht auszumachen. Seis drum. Etliche Fans der Band sind im Auditorium auszumachen; das Publikum honoriert auch diesen Auftritt mit ziemlicher Begeisterung.

Bisher Unwissende sollten motiviert sein, sich im Nachgang doch etwas mit dieser interessanten und speziellen Band zu beschäftigen; auch zeigt der Einbau eines neuen Songs in die Setlist, dass aktuell an einem neuen Album gearbeitet wird.

Setlist Kingcrow:

Drenched

Devil´s Got A Picture

The Persistance

Kintsugi

Folding

Father

At The Same Pace

The Moth

If Only

The Dear Hunter

Die Band THE DEAR HUNTER rund um ihren Ideengeber, Hauptsongwriter, Sänger und Multiinstrumentalisten Casey Crescenzo ist eine US-amerikanische Band, die man sehr selten zu Gesicht bekommt. Sie hat in den 17 Jahren ihres Bestehen bislang ganze neun Alben und 15 EPs veröffentlicht, von denen die meisten zu drei komplexen Konzepten und weithin auserzählten Geschichten gehören.

Der „Dear Hunter“ stellt dabei eine Hauptfigur in diesen Konzepten dar. Live erlebt man einen schwer zu beschreibenden Mix voller Ideen, die trotzdem eher eingängig daher kommen. Casey Crescenzo besticht dabei durch einen herausragenden Gesang. Leider findet dieses Konzert in der größten Nachmittagshitze statt, wo das Konzentrieren auf neue Prog Musik schwer fällt.

Auch hat die Band keinerlei Tonträger ihrer reichhaltigen Diskografie dabei, diese gibt es auch in einschlägigen Webshops schwer zu kaufen. Selbst auf der Band Homepage gibt es keinen Hinweis auf ein Verkaufsportal. Man muss sich also im Netz etwas bemühen, um Musik zu finden, damit man nach einem sehr ordentliche Konzert  in das offenbar hochspannende Universum der Band THE DEAR HUNTER eindringen kann.

Setlist The Dear Hunter:

Ring 7 – Industry

The Most Cursed Of Hands

Mustard Gas

The Lake And The River

Shame

Ring 5 – Middle Class

Is There Anybody Here?

The Old Haunt

Ring 3 – Luxury

Von Hertzen Brothers

Was haben wir uns auf diesen Auftritt gefreut! Die Finnen haben in ihrem Heimatland zwar Superstar-Status, machen sich aber äußerst rar auf Bühnen des restlichen Europas. Ihr letztes Album „Red Alert In The Blue Forest“ aus 2022 hatte uns in der Redaktion vollends überzeugt und war für manchen von uns das Top Album des Jahres. Komplexe, engagierte und doch eingängige Musik mit Folk-Einschlägen charakterisiert die Musik.

Die Songs des aktuellen Albums stellen auch den Löwen-Anteil des Sets. Besonders überzeugen das Akustik-Stück „The Promise“ sowie das an den Schluss gesetzte „Peace Patrol“: Die Wucht des Schlussteils dieses Stückes inklusive abschließendem Gesang mit dem Publikum erzeugt eine Begeisterung zum Niederknien, bei der Band und im Publikum. Der Saxofon-Part wurde durch ein klasse Keyboard-Solo ersetzt, und das Gitarren Solo von Kie von Hertzen ließ alle schweben.

Die hohen Erwartungen an diesen Gig wurden sogar übertroffen, vor allem auch weil sich die drei Brüder (insbesondere Kie und Mikko) als richtige Rampensäue zeigten und sich später auch nahbar für Gespräche, Fotos und Autogramme in den Merch Bereich begaben. Dieses Konzert wird fest in unserer Erinnerung bleiben, und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, dass man die VON HERTZEN BROTHERS doch einmal auf deutschen Bühnen zu sehen bekommen könnte. Zumindest nach Aussagen der Herren würden sie sich darüber freuen und gerne kommen.

Setlist Von Hertzen Brothers:

Disciple Of The Sun

Day Of Reckoning

Blue Forest

The Promise

Northern Lights

New day Rising

All Of A Sudden, You´re Gone

Sunday Child

Peace Patrol

Airbag

Die bekannteste der drei norwegischen Bands des Festivals versammelt auf den Rängen schon eine ordentliche Fanbase. Begonnen als PINK FLOYD Coverband hat sie seit ihrer Gründung 1994 auf dieser Basis einen eigenen Stil entwickelt, den man eher als getragen bezeichnen kann, auch wenn es schon mal laut werden kann. Gestartet wurde mit „Machines and Man“ vom letzten Album, ein zupackender Song, der die Stimmung im Publikum weiter nach oben Trieb. Das Airbag aber besonders bei den ruhigeren Stücken glänzt ist weitreichend bekannt und so konnte man im Publikum immer wieder auf zufriedene, glückliche Gesichter schauen. Krönender Abschluss war das von vielen gewünschte und erwartete „Homesick“

Setlist Airbag:

Machines And Men

Redemption

Killer

Broken

Sunset

Megalomaniac

Colours

Homesick I – III

Riverside

Die Band hat nach dem Tod ihres Gitarristen Pjotr Grudzinski emotional schwere Jahre hinter sich gelassen und Anfang 2023 mit „ID Entity“ ein buntes, positives und in Ansätzen mutiges Album veröffentlicht. Vor dem Hintergrund war man auf die Livepräsentation dieser Musik gespannt. RIVERSIDE spielten einen Mix von Stücken aus dem neuen Album plus ein paar publikumswirksame Bandklassiker.

Mariusz Duda meinte, dass man das positive bereits in seinem Outfit sehen würde: auf sein übliches schwarzes Gewand waren ein paar grüne Dreiecke aufgenäht. Derartige kleine Späße kennzeichnet das gesamte Konzert. Die Band ist super drauf, interagiert und spielt mit dem Publikum. Auch wenn man inzwischen RIVERSIDE X-Mal gesehen hat: heute Abend macht es richtig Spaß. Man könnte auch sagen das sich Riverside neu erfunden haben, Maciej Meller ist mittlerweile als vollwertiges Mitglied in die Band integriert. Dieses Spiel mit dem Publikum ist bei RIVERSIDE nicht selbstverständlich, es ist das Ergebnis einer Entwicklung über viele Jahre.

Selbst Mariusz meint „heute sind wir nicht mehr schüchtern“. Unbedingter Höhepunkt war die „Silent Scream Show“ mit dem Publikum. Wir wollen denen nicht zu viel verraten, die dies vielleicht in diesem Jahr noch mit der Band erleben werden. Ein großartiger, hochemotionaler Schlußpunkt des RIVERSIDE Konzerts und des gesamten Festivals.

Setlist Riverside:

Addicted

02 Panic Room

Landmine Blast

Big Tech Brother

Left Out

Post-Truth

Egoist Hedonsist

Friend Or Foe?

Encore:

Self-Aware

Conceiving You

Fazit:

Die Organisatoren Rob Palmen und Ingo Dassen meinten in Internet-Posts nach dem Festival, immer sehr positive Kritiken nach den letzten Tönen bekommen zu haben, aber 2023 waren die Reaktionen des Publikums überwältigend. Und das hat seine Gründe: Das Lineup 2023 mit handverlesenen, etlichen selten oder noch nie gesehenen Bands machen die diesjährige Ausgabe unvergesslich. Auch der Umstand, das bislang immer andere Band´s eingeladen wurden, macht dieses Festival so interessant. Riverside ist aktuell die einzige Band die es in Valkenburg auf zwei Teilnahmen brachte. Ein weiterer interessanter Fact ist, das bei dieser Ausgabe, insgesamt nur zwei Musikerinnen auf der Bühne in Valkenburg standen, und die gleich in einer Band. (MEER)

Irgendwann wird sich das Festival so herumgesprochen haben, dass die 800 Plätze des Openluchttheaters mit einem Fingerschnipp ausverkauft sein werden. Der Vorverkauf begann bereits während des Festivals, und wahrscheinlich war der Server da bereits überlastet, als die 300 Early Bird Tickets für 2024 bereits als ausverkauft angezeigt wurden. Wie auch immer, wir haben unsere Tickets schon gesichert, in dem Vertrauen an die Organisatoren, auch im kommenden Jahr ein großartiges Zwei-Tages-Festival zu organisieren. Mögliche Bands für die nächste Ausgabe könnten Dilemma und PreHistoric Animals sein, Collin Leijenaar und Daniel Magdic weilten auf Einladung der Veranstalter auch beim Festival …

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