Was hat man die Kanadier von SAGA in den 1980er Jahren in Europa vergöttert. Ihre vom engmaschigen Zusammenspiel von Keyboards und Gitarre geprägten eingängigen Rock-Songs waren damals richtig neu. Ihr damaliger Drummer Steve Negus beispielsweise erfand praktisch die elektronischen Drums für die Rock- und Pop-Musik und zeigte durch sein Spiel, dass diese nicht künstlich und unterkühlt wirken müssen. Das Ganze ging dabei noch richtig einprägsam und mitreißend nach vorne. Die geniale und prägende Stimme von Michael Sadler hat auch heute, im 46. Jahr der Existenz von SAGA, nichts von ihrer Kraft und Faszination eingebüßt.
Der Siegeszug durch Europa begann auch nach Aussagen von Michael Sadler selbst mit einem Konzert in der DDR: am 29. September 1983 spielte die Band in Suhl. Das Konzert wurde aufgezeichnet, im DDR Fernsehen mehrfach ausgestrahlt und elektrisierte Menschen nicht nur hier. Der Schreiber dieser Zeilen hatte dann das Glück, an einem weiteren Einzelkonzert hinter dem Eisernen Vorhang 1987 in Halle/Saale teilnehmen zu können. Eine damals extrem aufregende Story, sich sein Ticket als Kinoschnipsel völlig unspektakulär in der FDJ Kreisleitung für ich glaube fünf Ostmark zu kaufen und dann den Veranstaltungsort in einer großen Turnhalle nicht zu finden, da es ja damals weder irgendwelche Plakate, Internet oder anderweitige Werbung dafür gab.
Seitdem tourt SAGA gefühlt kontinuierlich bis heute insbesondere durch Deutschland mit gleichbleibendem Erfolg. Eigenartigerweise macht sie dabei sehr selten Station an Veranstaltungsorten beispielsweise in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg. Da wir aber SAGA unbedingt einmal wieder sehen wollten, führt unser Weg heute ins fränkische Wunsiedel in die dortige Spielstätte Luisenburg Festspiele. Dies ist ein Open-Air Theater weit außerhalb der Stadt im Grünen, wo über den Sommer zumeist auch Theaterstücke aufgeführt werden, aber auch mal ein erlesenes Rock-Konzert stattfindet wie eben diesmal SAGA. Als wir an diesem kalten und verregneten Sommertag dieses Theater betreten sind wir überrascht, dass über perfekt bestuhlten Zuschauerreihen das Ganze mit einem großen Segel auch komplett überdacht ist. Die letzten Sorgen über schlechtes Wetter verfliegen, und einem tollen Konzertabend steht nichts mehr im Wege.
SAGA hat von ihrer magischen Kraft bei live Auftritten in all den Jahrzehnten nichts eingebüßt. Die Musik unterscheidet sich immer noch von so manchem Rock- und Pop-Standard dieser Tage. Ein wundersames Bild beispielsweise, wenn sich drei der fünf Bandmitglieder hinter gesonderten Keyboards stehen, die Gitarre von Ian Crichton beinahe verloren am rechten Bühnenrand gespielt wird und Mike Thorne das Schlagzeug hinter ihm bedient. Trotzdem kommt immer kraftvoller Rocksound von der Bühne.
Der drahtige und inzwischen mit einem gewaltigen Vollbart versehene Michael Sadler dirigiert scheinbar die Band, spielt Luftgitarre oder Luft-Schlagzeug. Er begeistert mit seiner lebendigen Performance nicht nur das Publikum, sondern bringt damit an so mancher Stelle auch seine Kollegen zum Lachen. Den Chef läßt er dabei aber nicht raushängen, verläßt beispielsweise komplett die Bühne, wenn der Haupt-Keyboarder Jim Gilmour bei „Days Like These“ oder Scratching The Surface“ das Mikrofon übernimmt. Natürlich reißt es das Publikum besonders bei den alten Krachern aus den 80ern aus den Sitzen. Und da bereits mit dem 2. Song des Sets „Careful Where You Step“ ein solcher gesetzt wird, muss SAGA ihr Publikum nicht lange warm spielen.
Mit der immensen Bühnenerfahrung weiß Michael Sadler genau, an welchen Stellen und wie er das Publikum zum Mitsingen und Mitmachen animieren kann. Im Auditorium ist man begeistert, und diese Begeisterung spürt auch SAGA. So schaukelt sich der Abend zu einem wunderbaren Beisammensein von Band und Publikum hoch. Herausragend das Drum-Solo von Mike Thorne, der nicht wie so oft gesehen für den Laien ziellos drauflos trommelt, sondern sich mit seinem Solo wunderbar an einer elektronischen rhythmischen Vorgabe entlang hangelt und damit sein Spiel viel zugänglicher macht. Hier muss sich das Publikum wie an so vielen Stellen im Konzert beteiligen, was dies mit Freude tut. Dusty Chesterfield am Bass, der 2019 Jim Crichton ablöste, erledigt seinen Job an Bass-Gitarre und -keyboards songdienlich und mit der selben Freude wie seine Kollegen. Und Ian Chrichtons Gitarrenarbeit ist speziell und besonders, und erzeugt nicht nur beim Zusammenspiel mit Jim Gilmour eine wohlige Gänsehaut.
Auch an Licht und Ton gibt es nichts zu kritteln, alles auf der Luisenburg ist stimmig und der Musikdarbietung von SAGA dienlich. Wir meinen, dass dies seit Jahren jeden Abend ähnlich gut sein muss, deshalb spielt die Band nun sechs Jahre nach der offiziellen Abschiedstournee immer noch mit unveränderter Kraft und Präzision ihre Musik auf den Bühnen dieser Welt. Jim Gilmour, Michael Sadler und Ian Crichton sind jetzt um die 70 Jahre alt und werden mit SAGA bestimmt noch ein paar Jährchen touren. Aus Erfahrung dieses Abends können wir nur empfehlen: besucht einmal wieder ein SAGA Konzert, es wird euch begeistern! Wer es 2023 nicht mehr aufs Konzert schaffen sollte, das Konzert in Ingelheim reichlich drei Wochen zuvor ist vom SWR aufgezeichnet worden und in der ARD Mediathek derzeit verfügbar.
Setlist:
No Stranger (Chapter 8)
Careful Where You Step
Framed
Days Like These
On The Loose
Conversations
On The Air
Humble Stance
Drum Solo
Tired World (Chapter 6)
Time´s Up
The Pitchman
Scratching the Surface
You´re Not Alone
Don´t Be Late
Encore 1:
Wind Him Up
The Flyer
Encore 2:
How Long
