Livereport: Aqua Maria Festival – Tag 1, Freitag 11.08.2023

Wer den Festivalbericht vom letzten Jahr genau gelesen hat, der hat nun schon einige Hintergrund-Informationen zu diesem magischen, geschichtsträchtigen Ort mitten im Grünen von Brandenburg nördlich der nahefließenden Elbe. Wieder einmal haben Steuermann Eike Steuer und seine langerfahrene Crew wieder alle Hürden genommen und alles tadellos vorbereitet für ein Fest der Sinne auf der Plattenburg. Selbst das Wetter hat nach gefühlt sechswöchigen Schmuddel-Wetter erbarmen und pünktlich zu Beginn der Veranstaltung scheint endlich wieder die sommerliche Sonne und nachts sieht man sogar die Sterne und einige funkelnde Sternschnuppen. Nur zwei kurze aber heftige Schauer am Samstag, die aber das in Feierlaune eingestellte Publikum nicht im Geringsten stört oder beeinflusst. Das Camp am circa 350 Meter entfernten Parkplatz und die umgebenden Wiesen sind bereits Donnerstagabend gut gefüllt. Es sind mehr Feierhungrige dieses Jahr, das bestätigt mir Musik-Lehrer Eike sehr stolz. Kein Wunder bei diesem Programm und dieser wunderbaren 2-tägigen Veranstaltung. Ich habe wieder viele O-Töne gesammelt und diese sagen mir deutlich, hier wird kollektive Teamarbeit geleistet, hier wird alles getan, dass es den Gästen gut geht. Und alles zu sehr guten Preisen, denn Maria & Eike machen keinen Gewinn mit dieser Veranstaltung, sondern alles wird vorbildlich ausgeschüttet, zuletzt der Restbetrag vom Tageskarten-Verkauf an Bands und Aktivisten.

Wie Melanie beim Woodstock Forever, von dort habe ich natürlich auch wieder berichtet, und hier Eike, sind erfreulicherweise nun auch immer stärker die junge Veranstalter-Riege an den Steuerhebeln, haben den Staffelstab von Michael Memm und Maria & Uwe Steuer hier wie da übernommen. Und sie machen es sehr gut, ich sehe auch viele junge Leute, selbst mehrere Horden Kinder. Und einige feiern sogar mit, vorne stehe ich in einem Pulk von Kindern mit Gehörschutz. Und man glaubt es kaum, diese Dreikäsehochs verhalten sich schon wie die Ausgewachsenen, in Gestik und Bewegungsdrang kaum Unterschiede, nur alles viel unverfälschter. Sie schauen immer zu mir rüber: ein weißhaariger alter Mann mit so einem kleinen silberfarbigen Kasten in der Hand, den er immer wieder an das linke oder rechte Auge hält, manchmal sogar in unsere Richtung. Wir hatten viel Spaß miteinander. Zur Eröffnung gibt es auf der ältesten Wasserburg Norddeutschlands ab 19:00 Uhr diesmal schon vier Bands und durchgängig wird durch dicke Bretter gebohrt oder Scheiben vom Balken runtergeschnitten. Am Samstag sind es unglaubliche ACHT Formationen mit jeweils circa einstündige Spielzeit, nur die beiden den Tag abschließenden Bands spielen bis keiner mehr vor der Bühne steht oder Eike den Stecker zieht !!

Auch hier haben die strahlenden Frauen wieder, wie bei allen Veranstaltungen die ich bisher 2023 besucht habe, eine tragende Rolle. Und auf der Bühne, im Publikum, in den Camps, auf und neben der Burg, an den Ständen. Und das wird eigentlich jedem Besucher hier auch dadurch sehr bewusst gemacht mit der beleuchten Maria-Figur mitten im Wasser des Burggrabens. Ich sagte doch strahlend und so meinte ich es auch in jeder Hinsicht.

Gleich mit dem deutschen Hard-Rock-Trio Wolves Of Saturn wird die Marschrichtung und Taktfrequenz für zwei Tage vorgegeben, also Höllentempo, druckvolle Klangwände und durchgängig kompromisslos bis zum Schlusspunkt am Sonntagmorgen 02:00 Uhr. Alles wie immer sauber gemischt, optisch optimal unterstützt, dadurch echt zum Zunge schnalzen. Rich (Gitarre, Orgel, Synthesizer, Gesang), Steffen am Schlagzeug, Basser Kolki, bestehend aus ehemaligen Mitgliedern von Electric Acid, stellen nach dem Demo »Bunker Tapes Part 1« (2021) endlich ihr im März 2023 veröffentlichtes und in einem unterirdischen Weltkrieg-Bunker aufgenommenes Debüt »The Deserts Echo And The Peyote Delusion« auch hier Live vor.

Schön das der sächsische Dreier aus Dresden nun wieder das oberirdische Licht erblickt hat und uns dieses schöne Material, Songs von Freiheit und Entfaltung, blitzsauber gespielt um die Ohren haut. Moderner, klassischer, harter Rock köstlich gewürzt mit Nuancen vieler Spielarten. Wir haben direkt bei der ersten Band einen Volltreffer, leider sind so früh am Abend noch nicht viele Besucher vor Ort. Sie verpassen auch die schöne Bühnen-Dekoration mit rotleuchtenden Globen des Saturn. Pech gehabt, nächstes Mal besser aufpassen. Aber Wolves Of Saturn spielen diese Saison noch etliche Konzerte, bitte hingehen, ihr bereut es sicher nicht.

Wolves Of Saturn

Eigentlich wollte diese Blues-Rock-Band aus Osnabrück schon 2022 hier in der Plattenburg als Opener groß aufspielen, so war es zumindest geplant. Aber krankheitsbedingt, man kann vermuten was es in der Pandemie war, mussten Jail Job Eve leider passen. Das Musikstudium brachte diese Band zusammen, die kräftige, sehr variable Front-Stimme von Victoria „Toja“ Semel ist der erfolgreiche Garant für bluesgetränkte Balladen aber auch kompromisslose und dynamische Rocker.

Bei dem einstündigen Auftritt befindet man sich gefühlsmäßig Anfang der 70er. Victoria wird von vier Männern an den Instrumenten, Benedikt Schlereth (Gitarren), Jens Niemann (Tasten), Josef Röhner (Trommeln), Tim Beckers (Bass), immer passgenau in Szene gesetzt, zuletzt schreit sie kontrolliert mit einem Megafon ins Mikro. Jetzt schon bereits die zweite Perle des Tages.

Passt ein 31-jähriger Hochenergie-Blues-Rocker mit feiner fingerfertiger Gitarrenkunst in ein Voll-Programm viel härterer Ausrichtung? Das Urteil dazu ist gespalten, einige sagen nein, die meisten aber, klar doch, war super der smarte britisch-norwegische Gitarren-Akrobat Krissy Matthews. Er kommt im Trio plus seiner Partnerin als Gast-Sängerin, die sich sehr schön ins sehr dynamisches Repertoire integriert. Krissy stand schon mit vielen Blues-Stars gemeinsam auf der Bühne. Ich habe ihn letztes Jahr mit der fantastischen Hamburg Blues Band inklusive dem Gott des Höllenfeuers Arthur Brown und weiteren Gästen beim Woodstock Forever Festival erlebt, dieses Jahr noch einmal sowie hier mit seiner eigenen Blues-Band. Sein Markenzeichen ist die ungezügelte Zunge bei seinem explosiven Solis. Er gehört sicher zu den besten Blues-Gitarristen Europas und es macht echt Spaß diesem Trio bei der Bühnen-Arbeit zuzuschauen.

Elias Mays Schutzman (Schlagzeug) und Adam Bufano (bis 2019 Gitarre) spielten schon bei The Flying Eyes zusammen, gründeten 2013 in Baltimore, Maryland die US-Doom-Metal-Rock-Band Black Lung. Zusammen mit den beiden Gitarristen Dave Cavalier und Dave Fullerton, zwei runtergestimmt Gitarren, ein Bass wäre damit unnötig, steht nun ein Quartett nach 2016 erneut auf der Bühne in der inzwischen romantisch beleuchteten Burg.

Black Lung sind unbestritten für die Besucher der Höhepunkt des ersten Abends, denn dafür sind viele Fans auch extra angereist. Sie beginnen übergangslos an zu spielen und nachdem im Betrieb einige technischen Probleme gelöst sind, haut uns die Truppe noch mehr als eine Stunde obendrauf ihren vokalgestützten düsteren harten Gitarrenrock in Dauerschleife um die Ohren. Der Meister der Viersaite wirkt wie an eine Externe Stromquelle angeschlossen, arbeitet an seinem Instrument bis zur Erschöpfung. Vor der Bühne ist es nun um Mitternacht wie immer etwas lebhafter, rustikaler und dichter bevölkert. Die vier US-Männer aus Baltimore sind echt in Erscheinung und Auftreten besonders, wieder ein Trio das sich hier signifikant präsentiert. Nach drei erstklassigen Bands, nun ein fantastischer Abschluss und ein musikalischer Ausklang in die noch laue Sommer-Nacht.

Bilder und Text: Roland Koch

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