Ostern ist gerade vorbei, und das beschauliche Reichenbach ruft die Fans am Folgewochenende erneut zum Art Rock Festival in das westsächsischen Vogtland. Das dies keine Selbstverständlichkeit ist, war in den letzten Jahren deutlich zu spüren. Trotz aller mehr oder weniger bekannten Widrigkeiten ist es der positiven Sturheit eines Uwe Treitinger zu verdanken, dass das Reichenbacher Festival sogar in den Corona-Jahren stattfinden konnte und die Fans eine jährliche Edition als selbstverständlich empfinden dürfen, wenn sie es möchten. So lädt er die früh angereisten Art-Rock-Begeisterten bereits am Vorabend des offiziellen Beginns wieder zu einem Pre-Festival-Konzert in seinen Bergkeller ein. 2024 ist hier EMERALD LIES zu Gast. Diese deutsche Band hat auch schon 35 Jahre auf dem Buckel und überzeugt die Anwesenden mit ihrem selbst ernannten „Sophisticated Krautrock“.
Flying Circus
Die Neo Progger FLYING Circus eröffnen den Reigen der insgesamt 13 Bands und Interpreten, die den Art Rock Fan die nächsten drei Tage beglücken werden. Gefällige Rockmusik ist das Motto der 1990 gegründeten Band, die sich mit ihrem Stil irgendwo zwischen Hard- und Progressive Rock befindet. Die Hälfte des Konzertes nehmen Stücke der letzten beiden Studio-Konzept-Alben „Starlight Clearing“ (2016) und „1968“ (2020) ein. Die Musiker zeigen sich auf der Bühne variabel. Der studierte Musiker und Keyboarder Rüdiger Blömer überzeugt auch an der Geige, der Drummer Andre Roderigo als zweiter Sänger.
Der initiale Festival-Gesang von Michael Dörp wird aber von einer Akustik Gitarre begleitet, die vom Band kommt. Warum – das bleibt außenstehenden vor allem deshalb ein Rätsel, weil der Gitarrist Michael Rick später selbst die Akustik-Gitarre in die Hand nahm. Wie auch immer, ein guter und solider erster Festival-Gig zum Warmwerden und Ankommen für die Fans.
Setlist Flying Circus:
The World Is Mine
Fire (I Wanna Go)
More Than One
No Way Back
Voices In The Rain
Follow The Empress
Derry
My Lai
The Hopes We Had (in 1968)
Living A Lie
New York
Seasons
Karmamoi
Die in mitteleuropäischen Kreisen noch recht unbekannte italienische Band ist die Überraschung und das Highlight des ersten Festivaltages. Und das, trotz dass sie schon 2007 gegründet wurden und bis heute sechs Studioalben veröffentlicht haben. Sie treten im Neuberinhaus zu dritt auf.
Daniele Giovanni am Schlagzeug und Alessandro Cefali am Bass flankieren dabei optisch nur den am Keyboard stehenden Musiker Valerio Sgargi, der immer von den Keyboards zur dauerhaft umgehängten Gitarre wechselt und auch noch Sänger von KARAMOI ist. Die drei haben aus der Not eine Tugend gemacht: der angestammte Gitarrist Alex Massari ist kurzfristig verhindert, und man wollte den Auftritt in Reichenbach auf keinen Fall canceln.
Die Musik ist eher ruhig angelegt und kommt auch deshalb ziemlich emotional rüber, da die gesamte Show durch aufwändige Videofilme unterstützt wird. Diese sind optisch unterschiedlich angelegt, mal Naturaufnahmen, mal am PC gestaltete künstliche Umgebungen. Präsentiert wurde auch der bisher unveröffentlichte Song „Eternal“ vom gerade in Arbeit befindlichen kommenden Album. Eindrucksvoll was die Italiener abliefern! Motiviert vom begeisterten Publikum erlaubte Uwe Treitinger bereits hier mit der zweiten Band des Tages eine Zugabe, was das Publikum und letztlich auch die Band überraschte. Denn es war kein weiterer Song geprobt worden! So wurde einfach der Konzert-Opener „Your Name“ ein zweites Mal gespielt. Das Ganze führte zu einem eng umlagerten Merchandise Stand nach dem Konzert. Natürlich stand KARAMOI hier auch bereit für Fotos, Autogramme und Gespräche.
Setlist Karmamoi:
Intro
Your Name
Black Hole Era
Tell Me
Nashira
Tamed Shadows
I Will Come In Your Dreams
Sirio
Eternal Mistake
Zealous Man
Zugabe:
Your Name
Chandelier
Langjährige Fans nahmen 2019 hocherfreut zur Kenntnis, dass die Urgesteine von CHANDELIER aus Neuss sich für neue Aktivitäten nach ganzen 21 Jahren Pause wieder vereint haben. Einem Auftritt beim „Night Of The Prog Festival“ 2019 und der Dokumentation dieses Auftritts auf entsprechendem Silberling folgt 2023 mit „We Can Fly“ auch ein neues Studio-Album, welches auch etwa die Hälfte des heutigen Sets einnimmt.
Aktuell ist man gemeinsam mit FLYING CIRCUS auf „Doppeldecker“-Tour, die also mit beiden Bands heute in Reichenbach Station macht. Spannend auf der Bühne: Die GROBSCHNITT-Legende Toni Moff Mollo ist bei knapp der Hälfte der Stücke als Gastsänger dabei. Seiner Ur-Band wird in der Zugabe gehuldigt, als der GROBSCHNITT-Song „Wie der Wind“ in deutscher Sprache präsentiert wird. Das passt gut: der kräftigere Neo-Prog Stil von CHANDELIER ist dem Sound von GROBSCHNITT angelehnt: ein Mix aus Neo-, Hard- und Pschedelic-Rock wird dargeboten.
Mit seinen sehr speziellen Moves zieht der Sänger Martin Eden die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Seinen kürzlich begangenen 60. Geburtstag nimmt er zum Anlass, das Konzert als „Ü-60-Party“ zu bezeichnen. Sicher hat diese Bezeichnung nicht jedem im Publikum gefallen – und doch – schaut man sich im Publikum, ist da ein ganz kräftiger Funken Wahrheit dabei. Auch wird mindestens ein Gast mit Rollator im Saal beobachtet. Doch bevor wir ins Philosophieren über den gemeinsam mit dem Publikum alternden Prog- bzw- Art-Rock kommen, widmen wir uns lieber der nächsten Band.
Setlist Chandelier:
Space Controller
Ferengi Lover
Help Me
In Between
Wash & Go
Jericha
Spring
All My Ways
Forever And A Day
Zugabe:
Wie der Wind
Start It
Comedy Of Errors
Die aus dem schottischen Glasgow stammende Band hat nun auch schon ungefähr 40 Jahre auf dem Buckel. Wir würden die Band auch mit kräftigerem Neo-Prog stilistisch beschreiben. Reformiert 2011 sind seitdem 6 Studioalben veröffentlicht. Markant bei COMEDY OF ERRORS ist der Sänger Joe Cairney, der sich mit eindrucksvoll klarer und unerwartet hoher Stimme präsentiert.
Mit einem sportlichen Outfit versucht er sich jünger zu machen. Trotz es an der Musik eigentlich nichts zu kritteln gibt – der Funke zum Publikum will nicht recht überspringen. Selbst als sich Joe Cairney das Kabelmikrofon reichen läßt, um die Zugabe vor der Bühne im Publikum zu singen. Mag sein, dass es daran liegt, dass auf der Bühne keine Kommunikation oder Spaß beim Musizieren zu spüren ist. Mag auch sein, dass viele im Publikum ziemlich geschafft sind, weil aufgrund des gesperrten Oberranges zu wenig Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dieser Act schafft es jedenfalls gemäß unserer Beobachtungen nicht, als heutiger Headliner die Mehrzahl des Publikums wirklich zu begeistern.
Setlist Comedy Of Errors:
Something She Said
Going For A Song
The Knight Returns
Wonderland
Fanfare For The Broken Hearted
Therenody For A Dead Queen
Spirit “Above The Hills”
Summer Lies Beyond
The Student Prince Part 1
Zugabe:
Tachyon
Das waren die Eindrücke vom ersten Festivaltag, morgen geht es mit dem Samstag weiter und da gab es auch wieder einige gute Bands, mit einem hervorragendem Abschluss der Von Hertzen Brothers!