Vor einigen Wochen ist „It Leads To This“ erschienen und ist prompt in die Top Twenty der deutschen Albumcharts eingestiegen – die Erfolgsgeschichte der Band geht also weiter. Renald Mienert sprach mit Bandleader Bruce Soord.
Wie fühlst du dich mit dem neuen Album?
Ich bin erleichtert. Wir haben drei Jahre an dem Album gearbeitet, was natürlich auch daran gelegen hat, dass Gavin zwischenzeitlich auch wieder für Porcupine Tree unterwegs war. Darum habe ich ja auch zwischendurch mein Soloalbum aufgenommen. Aber 2023 war sehr intensiv. Ich habe viel Zeit mit Gavin in seinem Haus mit Songwriting Sessions verbracht. Aber jetzt sind wir alle sehr zufrieden, weil das Album auch genauso geworden ist, wie wir es wollten. Das Album ist etwas härter und rockiger als die Vorgänger, was vor allem auf der Bühne Spaß macht.
Fällt es dir mittlerweile leichter Musik zu schreiben?
Ich glaube, man hat sich über die Jahre vor allem weiterentwickelt, hat als Songwriter deutlich mehr Erfahrung. Wir sind ja mittlerweile beim vierzehnten Studioalbum, da ist die große Herausforderung, dass man immer noch unverbraucht klingt. Mit Gavin in der Band haben wir jetzt vier Alben mit dem gleichen Line Up gemacht, das macht es auch einfacher. In den Anfängen der Band stand ich faktisch mit allem alleine da. Was das Arbeiten im Studio angeht, war es zunächst wirklich nur ich. Für die Liveauftritte gab es dann die Band. Aber Jon kenne ich schon seit 1991, da haben wir zusammen Musik gemacht. Steve kenne ich seit 1996, tatsächlich hat er auf Vulgar Unicorn Alben mitgespielt. Es war wirklich ein sehr langer Weg. Aber da wir gute Freunde sind, wird es dadurch einfacher, Musik zu machen.
Apropos Vulgar Unicorn, das wäre ja auch mal ein Comeback!
Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Neil Randall war die treibende Kraft hinter dem Projekt und er hat wohl das Interesse an der Musik verloren. Aber man soll nie nie sagen.
Du bist zwar immer noch der Kopf der Band, aber die Kompositionen gehen nicht mehr allein auf dein Konto, auch Gavin wird als Songwriter genannt.
Wenn man einen Weltklasse-Drummer wie Gavin in der Band hat, da lässt man ihn machen, was er will und steht dem nicht im Wege um sein Potenzial voll auszunutzen. Wie schon gesagt, wir haben viel in seinem Studio aufgenommen, ich an der Gitarre, er an den Drums, ziemlich altmodisches Songwriting. Aber ja, die Texte und Melodien kommen von mir.
Bei deinen Texten geht es um Themen, die uns alle beschäftigen.
Meine Texte sind recht universell, und ich merke bei Liveauftritten, wie die Texte uns mit den Fans verbinden. Die Dinge, über die wir singen, kennen sie genauso, alle die Dinge, die ums uns herum geschehen, aber auch Themen wie das Älterwerden. Texte schreiben hat für mich etwas Reinigendes. Man kann nicht sagen, dass ich jetzt mit irgendwelchen besonderen Problemen konfrontiert sein würde. Es sind eher die Probleme um uns alle herum, was passiert zum Beispiel mit der westlichen Welt, welche Konflikte existieren. Mich bewegt aber auch das Thema meiner heranwachsenden Kinder, was für eine Welt hinterlassen wir ihnen? Manchmal wachst du am Morgen auf und denkst, Kriege überall, wohin soll das alles noch führen. Aber ich glaube immer noch daran, dass die Menschheit im Grunde gut ist. Die meisten Menschen die ich kenne, sind gute Menschen.
Nehmt ihr nur Songs auf, die ihr auch live spielen könnt?
Lange Zeit stand bei uns wirklich die Studioarbeit im Vordergrund. Wir haben vielleicht fünf oder sechs Shows im Jahr gespielt. Wenn jetzt ein neues Album erscheint, dann haben wir vielleicht so um die vierzig Auftritte im Jahr und es kommen deutlich mehr Leute. Die Gigs werden also immer wichtiger, du spürst das, wenn du auf der Bühne stehst und da ist diese Verbindung zu den Fans. Wir würden also im Studio keinen Song aufnehmen, den wir nicht live performen könnten. Im nächsten Jahr haben wir ja unser 25jähriges Jubiläum, aber erst seit etwa fünf Jahren haben wir begonnen, vor mehr als tausend Leuten zu spielen. Früher waren es maximal hundert Leute und man kam oft auf die Bühne und hat sich gefragt, ist es wirklich all diesen Aufwand wert?
Worin siehst du die Gründe für die wachsende Popularität, gerade live?
Es hat sicher mit Gavin zu tun. Er ist ein weltbekannter Drummer und die Leute sind neugierig, die Band zu sehen, mit der er da spielt. Und es ist auch ein wenig wie ein Kreislauf. Du merkst, es kommen mehr Leute, und musst als Band besser werden. Du wirst als Band besser, und es kommen mehr Leute. Mittlerweile hast du einen Tourbus, du hast eine Crew, das hatten wir früher alles nicht und das macht es natürlich auch einfacher. Ich kenne so viele gute Band, zu denen kaum jemand Live kommt, es ist sehr schwer heute den Punkt zu erreichen, wo man eine erfolgreiche Touringband ist.
Ihr seid zwar besonders in der Prog-Szene beliebt, obwohl ihr musikalisch nicht unbedingt typischen Prog spielt.
Wenn ich auf die Bühne gehe, schaue ich mir immer an, welche T-Shirts die Leute tragen. Da ist natürlich viel von den Siebziger, Yes, King Crimson, aber da sind auch viele Metal-T-Shirts. Überhaupt sehe ich auch sehr viele junge Leute, unsere Fans kommen wirklich aus vielen Generationen. Aber am Anfang unserer Karriere war es die Prog-Szene, die uns dazu gebracht hat, weiterzumachen. Natürlich waren da die Fans, die nur die Musik im Stil der Siebziger haben wollten, Longtracks, sehr Kompliziert. Aber da waren auch die aufgeschlossenen Prog-Fans, und die sind es auch, die immer noch kommen.
Eure Alben erschienen ja zunächst bei Cyclops, mittlerweile seid ihr aber bei Kscope, dem Label von Steven Wilson. Wie kam es zu dem Kontakt?
Ich glaube, es war beim ersten oder zweiten Blackfield-Album, als Steven auf Facebook eine Umfrage nach einer passenden Supportband startete. Und viele Leute nannten Pineapple Thief. Er hatte bis dahin nie von uns gehört und nahm Kontakt auf.
Wie heute üblich gibt es auch von euch zum neuen Album ein Video, ihr nutzt ihr Social Media…
Heute hören ja viele Leute die Musik übe ihr Handy, hoffentlich mit guten Kopfhörern und Videos spielen dabei auch eine Rolle. Sie sind für mich aber eher „Nice To Have“ und nicht wirklich essentiell. Früher waren alle Infos die du über eine Band hattest, das was auf der Platte stand. Wenn du Glück hattest, gab es ein Interview in einem Magazin. Dann hast du die Band live gesehen, und hattest dieses „Wow“ – Gefühl, das war die Band, die du liebst. Heute kann man alles über eine Band über das Internet herausfinden, das macht diesen Mythos irgendwie kaputt. Wenn in der Vergangenheit eine Band ein Album veröffentlichen wollte, dann brauchte sie einen Plattenvertrag, das heißt, es gab da schon eine Art Filter. Wenn die Leute ein Album von Cyclops oder Inside Out in der Hand hielten, da wussten sie, dass sie bestimmte Standards erwarten konnten. Heute kann jeder seine Sachen veröffentlichen, und es ist unglaublich, wie viele neue Songs jeden Tag auf Spotify erscheinen. Ich sage heute vielen Künstlern, mache keine Musik, um damit deinen Lebensunterhalt zu verdienen, mache Musik, weil du sie liebst.
Mit einem besseren Statement kann man ein Interview nicht beenden!