Review: Ritual – The Story of Mr. Bogd (Part 1)

Am Ende der Credits des neuen Albums bedanken sich RITUAL bei den Fans für das „geduldige Warten auf die Ankunft des Mr. Bogd“. Tatsächlich sollten nach Erscheinen des großartigen bis dato letztem Albums „The Hemulic Voluntary Band“ ganze sechzehn Jahre und elf Monate vergehen, bis das nächste Baby der sympathischen Schweden nun endlich und tatsächlich das Licht der Welt erblickt. Nach erster Zusammenarbeit dreier Bandmitglieder bereits 1988 und Gründung von RITUAL 1993 in der heute noch aktiven Besetzung war die Band insbesondere zwischen 2004 und 2008 recht aktiv. So manche, die RITUAL damals live erleben konnten, sind der Band vor Begeisterung regelrecht verfallen und reisten teilweise über Kontinentgrenzen hinweg, um einem der bereits damals seltenen Konzerte gemeinsam mit vielleicht 100 Zuhörern beizuwohnen.

Tracklist:

01. A Hasty Departure

02. The Inn Of The Haunted Owl

03. Dreams In A Brougham

04. Chichikov Bogd

05. Mr. Tilly And His Gang

06. Through A Rural Landscape

07. The Feline Companion

08. Read All About It!

09. Forgotten Qualities

10. The Three Heads Of The Well

Bereits 2009 begannen die Planungen für ein neues Studioalbum. Doch die Band zog sich aus verschiedenen eher persönlichen Gründen zurück, ohne dieses Ziel wirklich aus den Augen zu verlieren. Als im November 2020 die EP „Glimpses of the Story of Mr. Bogd“ erschien, meinte man es sei endlich soweit. Doch es sollten noch einmal fast 4 Jahre bis zum Erscheinen von Teil 1 der Geschichte um Herrn Bogd vergehen. Aktuell kann es nun aber offenbar nicht schnell genug gehen: offiziell war der Release für den 16.08.2024 angekündigt, bei z.B. „justforkicks“ steht aber nun der 19.07.2024 als Veröffentlichungsdatum, und es ist in allen Editionen bereits hier bestellbar und lieferfähig.

Legen wir aber endlich das Album auf, auf das wir so lange gewartet haben. Ein initiales Streichquartett nimmt uns mit ins späte 19. Jahrhundert, wo Mr Bogd, gelangweilt von seinem wohlhabenden kleinstädtischen Leben, plötzlich abends von zu Hause ausbricht und mit einer Brougham-Kutsche sowie seinem Begleiter Parkhurst in den Songs unterwegs verschiedenerlei wundersame Dinge erlebt. Die Story stammt von Fredrik Lindquist und damit aus der bandeigenen Kreativküche. Klappt man das Beiheft auf, so sehen wir zu den einzelnen Titeln Texte abgedruckt, die man zunächst eher als Storyboard denn als Songtexte identifiziert. Diese Form der Darstellung der Lyrics soll ganz offensichtlich den Geschichtscharakter des Albums unterstreichen. Anknüpfend an „A Dangerous Journey“ vom letzten Album, wo in reichlich 26 Minuten eine komplette Geschichte musikalisch erzählt wird, haben wir bei der „Story of Mr. Bogd“ ein progmusikalisches Hörspiel, welches sich über zwei komplette Alben erstrecken wird, von welchem wir nun eines vorliegen haben.

Zu Beginn wird in „A Hasty Departure“ mit Unterstützung eines wunderbar vertraut-treibendem RITUAL Sound über einen etwas hektischer Reisebeginn rezitiert, worin ein lyrisches Abschiedslied eingepackt ist. Nach Befreiung einer Eule träumt man im Instrumental „Dreams In A Brougham“, musikalisch zart vorgetragen von Nyckelharpa und Akustik-Gitarre, mit dem Protagonisten förmlich in seiner Kutsche mit. Es folgt mit „Chichikov Bogd“ ein Song, der als Hit in jeder Radio Station laufen könnte, die etwas von guter Rockmusik versteht. Nicht nur musikalisch anders, es wird auch wieder gesanglich rezitiert – hier wie sich hier Mr. Bogd an seinen Sohn Chichikov erinnert. Nachdem wir eine andere Kutsche voller Musiker getroffen haben, tauchen wir bei „Through A Rural Landscape“ in ein neuens traumhaftes Instrumental ein, in welchem uns mittels einer kleinen Piano Melodie eine ländliche Landschaft gemalt wird, durch die unsere Kutsche gemächlich rollt. Beinahe experimentell wird es in „Read All About It!“, wenn wir in die Stadt zurück kehren. Wunderbar musikalisch dargestellt, wie die Stadtbevölkerung sich über das rätselhafte Verschwinden des Mr. Bogd die Mäuler zerreißt. Das Album endet mit dem großartigen „The Three Heads Of The Well“, einem aufregend unruhigem Rhythmus, komplett auf akustischen Instrumenten vorgetragen, mit stark orientalischem Einschlag und rauschhaft endender Vocalise.

Sollte es im bisher Geschriebenen nicht richtig rüber gekommen sein: auch musikalisch passiert richtig was! Die einzelnen Episoden sind melodiös, stark komponiert und von progressiven Strukturen durchsetzt. Trockener getriebener Rock wechselt nach Belieben zu akustischen Folk, oder beides ist ineinander integriert und durchmischt. Alles ist dabei stimmig und passt. Die Herren sind aber auch auch Meister ihres Faches: Jon Gamble mit seinen häufig glockenklaren trockenen Keyboard Sounds; Johan Nordgren, der auf seiner Nyckelharpa beinahe noch spannender rüber kommt als bei seinem soliden Schlagzeugspiel; oder Fredrik Lindquist, Multiinstrumentalist an verschiedenen Flöten, an Bouzouki und am Bass. Über allem strahlt mit seinem unschlagbaren Lächeln und einer einmalig schönen und klaren Stimme Patrick Lundström, der Schweden in den 90ern bereits einmal beim Eurovision Song Contest vertreten hat und der in verschiedenen Bands und Projekten tätig ist (er ist z.B. auch die Stimme bei KAIPA seit 20 Jahren). Sein klasse Gitarrenspiel scheint er wie nebenbei abzuwickeln.

Das Cover ist mal wieder eine klassische Werbung für Vinyl. Während die CD das Titelbild nur andeuten kann, hat das gemalte Bild einer düsteren wilden Kutschfahrt auf dem Vinyl Cover richtig Wucht. Und das angedeutete RITUAL Logo auf der Kutsche sieht man auf der CD gar nicht.

Es ist nur „Teil 1“ der Story. Musikalisch und inhaltlich endet das Album irgendwie in der Mitte, was ein Bißchen schade ist. Wie wenn bei einer Serie oder einem Mehrteiler plötzlich am Ende „To Be Continued“ auf dem Bildschirm steht. Schöner und genialer wäre sicher ein Doppelalbum gewesen, aber man versteht die kaufmännischen Gründe einer kleinen Band, durch die Teilung der Geschichte länger im Gespräch mit neuem Material bleiben zu wollen. Immerhin kündigen die Jungs an, dass wir auf „The Story of Mr. Bogd Part 2“ nicht noch einmal fast 17 Jahre warten müssen – schon im kommenden Jahr soll es soweit sein. Auch eine richtige Tour soll kommen. Ob dies nur ein eigener Wunsch ist oder ob man schon in Verhandlung mit den Lokalitäten ist, verschweigen uns die Jungs mit einem verschmitzten Lächeln beim Treffen auf der Loreley.

P.S. “Schon lange hat mir das Beschäftigen mit einem Album für eine Rezension mehr nicht so viel Spaß gemacht als mit „RITUAL – The Story Of Mr Bogd (Part 1)“. Die volle Punktzahl von 10 Punkten bleibt dem Album nur deshalb verwehrt, weil es nur einen Teil des Ganzen darstellt und damit unvollendet bleibt.”