Deutschlands Artrock-Legende, die Stern-Combo Meißen, ist auf einer ausgedehnten Jubiläumstour. Unter dem Motto „60 Jahre … der weite Weg“ begeistert sie als dienstälteste deutsche Band ihre Fans mit Songs aus allen Phasen ihres Schaffens. Dabei kann man sie an den verschiedensten Orten im Osten Deutschlands erleben. Uns verschlägt es nach Berlin ins Freilichtkino Friedrichshagen, um bei einem Konzert dabei zu sein.
17 Songs, darunter ein wahrer Long Track, und 2 ½ Stunden reine Spielzeit. Die Stern-Combo macht keine halben Sachen. Mit einem gewaltigen Gong-Schlag startet das Konzert und nimmt uns mit auf eine Reise in die späten 1970er Jahre. „Der weite Weg“, „Die Sage“ und „Der Alte auf der Müllkippe“ sind musikalische Zeugnisse dieser Zeit. Der Titelsong des letzten Studio-Albums der Band schließt sich an. „Freiheit ist“ erklingt im frühen Sound der Band. Das passt stilistisch zu den älteren Stücken und hat trotzdem etwas Modernes. Wir erleben die Band in bester Spiellaune. Die Combo, die inzwischen zum Sextett angewachsen ist, scheint heute schlicht in Bestform zu sein. Schon nach wenigen Songs liegt das Publikum in dem bis auf den letzten Platz besetzten Freiluftkino der Band zu Füßen. Bandgründer Martin Schreier übernimmt die Moderation des Konzerts. Dazu steigt er von seinem Podest, auf dem sein Percussion Instrumentarium steht, ans Mikrofon in der Bühnenmitte.
Martin erzählt Anekdoten aus der langen Geschichte der Band, zum Beispiel, dass er schon als Schüler von der Geschichte um die beiden Polarforscher Amundsen und Scott fasziniert gewesen ist. Aus dieser Faszination entstand schließlich der erste große Hit der Stern-Combo „Kampf um den Südpol“. Bei diesem Song setzt sich Martin wie schon immer ans Schlagzeug. Dass die Band zum Abschluss des ersten Sets tatsächlich eine verkürzte Version von „Weißes Gold“ spielt, haut mich dann völlig um. Und das geht wohl nicht nur mir so. Es ist eine Freude, Zeuge zu sein, wie die Band mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz die Fans zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Nicht nur, dass alle virtuos an ihren Instrumenten agieren, auch der Satzgesang klingt fantastisch. Danach haben sich die Musiker die kurze Pause wirklich verdient.
Ich kann es nur als ausgesprochen clever bezeichnen, dass sich die Stern-Combo im zweiten Teil des Konzerts ihren Hits aus den 1980er Jahren widmet. Viele Fans konnten es damals nicht nachvollziehen, dass die Combo, die sich fortan nur noch Stern Meißen nannte, plötzlich eingängige, radiotaugliche Musik spielte. Nicht erst jetzt, nachdem fast vierzig Jahre vergangen sind, weiß man, wie viel Hit-Potenzial in den Liedern dieser Zeit steckt. „Was fang ich an“, „Nächte“ und das faszinierende „Schnee und Erde“, bei dem ich jedes Mal eine Gänsehaut bekomme, sind einfach grandiose Songs.
Neu im Programm ist laut Manuel Schmid das Stück „Die Welt steht in Flammen“. Diese rockige Nummer aus dem Jahr 1987 ist selbst mir nicht mehr geläufig. Doch sie passt gut in die Setlist, ebenso „Nimm die Welt in die Hand“ vom letzten Studio-Album. Hier, wie im gesamten zweiten Teil des Konzerts, kann auch Neuzugang Michael Lehrmann unter Beweis stellen, dass er ein Zauberer auf den Saiten seiner Fender-Gitarre ist. Michael ist natürlich kein absoluter Stern Meißen Neuling. In den 1980er Jahren gehörte er schon mal zur Band.
„Nimm die Welt in die Hand“ ist ebenfalls ein Song, der zum Hit werden könnte, wenn er denn in den öffentlich-rechtlichen Medien gespielt werden würde. Zum Glück gibt es immer noch genügend Fans der Band, die sich ihre Alben kaufen und zu den Konzerten gehen, um gute ehrliche Rockmusik zu genießen. Als Martin Schreier anschließend die Band vorstellt, die nun auch schon seit 2012 zusammen musiziert, von Michael Lehrmann mal abgesehen, gedenkt er auch der ehemaligen Musiker, die inzwischen nicht mehr unter uns weilen, und die jetzt vielleicht von oben zusehen. Als er davon spricht, wie er und Manager Detlef Seidel 1964 mit anderen zusammen die Band gründeten, wirft Manuel Schmid ein, dass seine Mutter damals gerade ein Jahr alt gewesen ist. Ich glaube, dass es gerade Manuel ist, der mit seinem jugendlichen Elan und seinem Können als Komponist, Keyboarder und Sänger der Band neue Energie verliehen hat.
Mit dem Hit „Dein Herz“, von Ex-Sänger IC Falkenberg, beendet die Stern-Combo das reguläre zweite Set. Martin Schreier hält dabei ein gelbes Herz mit dem Logo der Stern-Combo in den Händen. Nach diesem bisher grandiosen Konzert sind Zugaben obligatorisch. Das Rabe-Medley („Leben möcht‘ ich“ und „Mein Weg“), gesungen vom „Raben“ Martin Schreier, reißt die Leute schließlich von ihren Sitzen. Zum Refrain gehen im Publikum alle Arme hoch.
Diese unglaublich euphorische Stimmung bleibt auch bei den letzten beiden Zugaben erhalten. „Wir sind die Sonne“ und „Eine Nacht“ dürfen bei einem Konzert der Stern-Combo nicht fehlen. Kurz vor zehn Uhr, während das Publikum die Refrain-Zeile „Eine Nacht in der Ewigkeit, eine Nacht wie im Fieber“ lauthals mitsingt, gibt es ein Knall. Licht aus, Sound weg, nur das Schlagzeug ist noch zu hören. Was diesen offensichtlichen Kurzschluss ausgelöst hat, lässt sich auf die Schnelle nicht ergründen. So stimmt die Band den Refrain nochmal a cappella an, und alle singen mit. Dieses besondere Konzert in Berlin vor voll besetzten Sitzreihen endet so auf eine nicht geplante und doch besondere Weise.
Die Band geht ihren “weiten Weg“ unbeirrt weiter. Ende September soll das neue Album „Die Himmelsscheibe von Nebra“ als CD und auf Vinyl erscheinen. Es wird ein Werk in bester Stern-Combo Tradition sein, zu dem Joachim Krause den Text verfasst und Manuel Schmidt die Musik geschrieben hat. Der bereits veröffentlichte Trailer lässt Großes erwarten. Auch die Jubiläumstour wird bis Ende des Jahres fortgesetzt. Ich kann nur empfehlen, sich ein Konzert anzusehen.
Setlist:
Teil 1
Der weite Weg
Die Sage
Der Alte auf der Müllkippe
Freiheit ist
Die Zeder von Jerusalem
Der Kampf um den Südpol
Weißes Gold
Teil 2
Was fang ich an
Nächte
Schnee und Erde
Also was soll aus mir werden
Die Welt steht in Flammen
Nimm die Welt in die Hand
Dein Herz
Zugaben:
Rabe Medley
Wir sind Rabe die Sonne
Eine Nacht