Livereport: The Final Night of the Prog | Tag 1 Freitag, 19.07.2024

Vom 19. bis 21. Juli 2024 fand das finale Night Of The Prog Festival auf der Loreley statt. Zum 17. Mal versammelten sich zahlreiche Progressive- und Artrockbands auf dem Felsen hoch über der Loreley. Seit 2006 gehörte das Festival zum Pflichtprogramm vieler Fans von anspruchsvoller Rockmusik. Nun geht eine Ära zu Ende, bei der sowohl aufgrund des tollen Line-Ups gefeiert wurde, aber auch viel Wehmut mitschwang. Bei der letzten Vorstellung flossen auch einige Tränen.

Inhalo

Mit dem viel beachtetem Debütalbum „Sever“ im Gepäck, starteten die niederländischen Inhalo den ersten Festivaltag. Das Auditorium war schon sehr gut gefüllt, und so hatte die erste Band schon einen würdigen Rahmen als Opener. Die Band besteht aus folgenden Musiker:innen: Fons Herder (Lead-Gesang), Roy Willems (Gitarren), Peter Cats (Bass, Backgroundgesang), Pepijn Gros (Schlagzeug) und Susana Raya (Gitarren, Backgroundgesang).

Die Band war gut aufgelegt und präsentierte schon zu früher Stunde harten, druckvollen Rock. Das wurde auch vom Publikum honoriert und mit viel Applaus bedacht. Sänger Fons Herder stand hier schon einmal auf der Bühne, allerdings mit der Band “A Liquid Landscape” vor einigen Jahren. So schlich sich mit “Secret Isle” auch ein Song dieser Band ins Set.

Die Mehrheit der Songs stammte logischerweise vom aktuellen Album “Sever”. Beginnend mit einem wummernden Bass beim Stück “Subterfuge”, welches sich dann erst einmal sehr ruhig und melodisch entwickelt, um später eindrücklich und kraftvoll daherzukommen. Mit “Sisyphean” und “Pretenders” schließen sich in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Album zwei weitere Tracks an. Inhalo schaffte es, eine nahtlose Mischung aus Gelassenheit und Wildheit zu präsentieren, die durch eine emotionale Performance zusammengehalten wird. Ihr Sound verbindet verschiedene Genres und Einflüsse, was zu harmonischen Melodien und starken Rhythmen führte. Insgesamt ein sehr gelungener Auftakt in das Festival an diesem Wochenende.

Setlist Inhalo

Subterfuge
Sisyphean
Pretenders
Mantra
Eventide
Secret Isle (A Liquid Landscape – Coversong)
Mirror Door
Last Vestige

Cheeto´s Magazin

Als nächstes spielte Cheeto’s Magazine. Der erste Eindruck war, dass diese Musik überwältigend klingt. Sie hat einen sehr abenteuerlichen Ansatz, ist sehr abwechslungsreich und wird von hervorragenden Musikern dargeboten. Nicht zuletzt enthalten die Musik und die Texte ein eher seltenes Element im Prog: Humor!

Schon sehr auffällig bunt gekleidet, in einteiligen Gymnastikanzügen, erreichten sie damit die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Aber noch viel wichtiger: Vom ersten Track “Chilli Guillermo” bis zum abschließenden “Big Boy” wird man von Kaskaden wechselnder Stimmungen, überraschender Breaks, hervorragender Soli und musikalischer Ideen überflutet.

Die Songs enthalten viel Musik, die zwischen Heavy Prog, Prog Metal und AOR wechselt, mit bombastischen Keyboards und viel schwerer Gitarre, von metallischen Riffs bis zu funky Klängen. In einem Moment klingen sie wie Styx oder Kansas, im nächsten wie eine Art Spock’s Beard – sehr dynamisch und aufregend. Die lustige Atmosphäre auf der Bühne erinnert mich wiederum an Frank Zappa. Noch erwähnenswert ist das Beatles-Cover “I Am The Walrus”, welches beim Publikum ebenfalls sehr gut ankam. Für uns war die Performance ein erstes Achtungszeichen.

Setlist Cheeto´s Magazin

Chili Guillermo
Ready To Rumble
Outflow
I Am The Walrus (The Beatles – Coversong)
Cheese Cheater
Big Boy

IZZ

Die Corona-Zeit hat die US-amerikanischen IZZ ziemlich zurückgeworfen. Mit ihrem damals frisch veröffentlichten Werk „Don´t Panic“ wollten sie eigentlich 2020 schon auf dem Felsen auftreten. Nach vierjähriger Wartezeit ist es heute endlich soweit. Untätig waren sie nicht, denn erst in diesem Jahr ist ein neues Werk namens „Collapse The Wave“ herausgekommen.

Trotzdem spielen sie heute einen breiten Querschnitt ihrer seit 1999 insgesamt elf veröffentlichten Studioalben. Nach der quietschbunten Performance von Cheeto’s Magazine haben sie es etwas schwer, das Aufmerksamkeitslevel des Publikums hochzuhalten, was ihnen aber ordentlich gelingt. Wir hören komplexe, aber zugängliche Prog-Musik, die insbesondere durch mehrstimmigen Satzgesang mit zumeist zwei Sängerinnen hervorsticht. Bass, Gitarre und Keyboards spielen sich herrlich gegenseitig die Bälle zu.

Optisch auffällig ist die Arbeit mit zwei Schlagzeugen, die weitgehend im gesamten Konzert zum Einsatz kommen! Alles bleibt jedoch songdienlich, eher zurückhaltend und einem entspannten Prog-Konzerterlebnis zuträglich. Ein klasse Festivalbeitrag; schön, die Band endlich im Konzert erleben zu können.

Setlist IZZ

Solid Ground
We Are The 3rd 
Don`t Panic 
Coming Like Light
Where I Belong
Not About Me 
Brethren 
Late Night Salvation

Sylvan

Für viele Anwesende war der Auftritt der Hamburger Artrock-Band Sylvan ein Highlight. Immerhin sind sie Rekordhalter bei diesem Festival, und so war es auch ein Wunsch des Veranstalters, die Band bei der letzten Ausgabe noch einmal dabei zu haben. Sylvan veröffentlichten vor kurzen ein weiteres Livealbum, „Back To Live“, welches in den Niederlanden aufgenommen wurde, und eine hervorragende Auswahl an Titeln enthält. Und so kam eben dieses Album fast identisch hier zur Aufführung. Lediglich zwei Tracks („King Porn“ und „Heal“) mussten aus Zeitgründen gestrichen werden.

Seit 2015 spielen sie in unveränderter, konstanter Formation. Bei der Releaseparty vom 2015er Album „Home“ stand mit Johnny Beck erstmals ein neuer Gitarrist auf der Bühne, damals noch als Livegitarrist, heute jedoch festes Mitglied der Band. Gut so! Sein herrlich unaufgeregter Stil, Gitarre zu spielen, kommt gut an, und bei den Soli, die er spielt, erzielt er bei vielen Zuhörern Gänsehaut-Feeling.

Hier auf dem Felsen begeistern die Hamburger mit Highlights wie „Trust In Yourself“ oder „Posthumous Silence“ das Publikum. Herausragend ist die emotionale Tiefe und musikalische Virtuosität der Band bei ihren Auftritten, besonders auch, weil ihre Kompositionen oft in epischen Höhenflügen enden. Stehende Ovationen nach ihrem grandiosen Auftritt sprechen dann auch eine eigene Sprache. Für uns auch immer ein Gradmesser, wie die Bands bei dem Großteil des Publikums ankommen.

Setlist Sylvan

In Between
Encoded At Heart
Trust In Yourself
Given | Used | Forgotten
Part Of Me
In Chains
The Colors Changed
Go Viral
A Kind Of Eden
Posthumous Silence

Alex Henry Foster

Für uns persönlich das große Fragezeichen! Nicht weil wir Alex nicht kennen, sondern gerade weil wir ihn gut kennen und seit einigen Jahren verehren. Freitag Nachmittag, im Hellen bei gefühlten 30 Grad mit viel Sonnenschein? Kann er mit seiner Band The Long Shadows seine Magie entfachen und die Zuhörer die ihn noch nicht kennen, in seinen Bann ziehen? Fragen über Fragen! Wir machen es aber kurz: Er konnte!

In den vielen Gesprächen nach dem Konzert hörte man oft: „Mein Highlight“ oder „Das war ganz großes Kino“. So haben wir das auch empfunden. Alex hat durch seine Art zu musizieren und auch im kommunikativen Bereich einen Großteil des Publikums mitgenommen und eingefangen.

Im Jahr 2018 erschein sein erstes Soloalbum unter dem Titel „Windows In The Sky“ und es folgte 2021 das Live-Album „Standing Under Bright Lights“, welches im Rahmen des Internationalen Montrealer Jazz Musikfestivals für eine CD/DVD-Veröffentlichung 2019 aufgezeichnet wurde. Im Jahr 2023 sollte er schon mal beim NOTP auftreten, allerdings musste er das Ganze absagen, da er sich einer Herz-OP unterziehen musste, die dann planmäßig gut verlief und er wieder genesen ist, wovon man sich bei seinem Auftritt in diesem Jahr überzeugen konnte. Aktuell gibt es das Album „Kimiyo“ und es läuft auch der Pre-Order für seine neue Scheibe „A Measure Of Shape And Sound“ welche am 20.09.2024 veröffentlicht wird.

Die Setlist ist aufgrund der Länge der Tracks immer relativ überschaubar, sodass die Band die Stücke bei den Konzerten manchmal auf die doppelte Spielzeit ausdehnt. So zum Beispiel bei “The Hunter”, welches dann immer etwa zwanzig Minuten einnimmt, wobei die intensiven und bewegenden Arrangements voll zur Geltung kommen. In seinen Texten werden oft Themen wie Verlust, Trauer und Hoffnung behandelt. Auch schaffte es Alex Henry Foster mit seinem kraftvollen Live-Auftritt, wieder eine starke Verbindung zum Publikum aufzubauen und seine Musik mit großer Leidenschaft zu präsentieren. Für viele war es “das Highlight” am Freitag!

Setlist Alex Henry Foster

Up Til Dawn
Afraid
The Son Of Hannah
The Hunter (By The Seaside Window)
From The City (Your Favorite Enemies – Coversong)

Arena

Eine der Neo-Prog-Institutionen! Fragt man Fans nach Bands dieser Spielart, werden eigentlich immer IQ, Arena und Pendragon genannt. Letztgenannte kommen morgen noch zum Zuge. Arena sind ja schon wieder eine Weile mit neuem Sänger unterwegs: Damian Wilson, ein Publikumsliebling, der durch eine gute Stimme und durch auffällige Performance besticht. Für einige von uns war es eine Livepremiere mit ihm am Mikro, und man war gespannt.

John Mitchell, der eigentliche Gitarrist bei Arena war auf Tour mit Asia, und so war mit Mark Bogert, wie auch schon beim Midsummer Prog Festival, ein anderer Gitarrist auf der Bühne. Ersatzmann könnte man meinen, aber Mark Bogert spielte fantastisch, als ob er schon immer in der Band wäre. Die Band zelebrierte eine große „Best Of Arena“ Show und spielte Tracks wie „Salamander, „Hanging Tree“ oder „Crack In The Ice“. Allesamt Klassiker der Bandgeschichte.

Aber auch Stücke vom aktuellen Album, das ja schon mit Damian Wilson am Mikro produziert wurde, standen auf der Setlist. Arena schafften es wieder, durch ihre einzigartige Atmosphäre die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Beim vorletzten Track “Crying For Help VII” sangen dann die meisten im Rund lautstark mit und forderten eine Zugabe. Die kam dann auch noch mit dem Stück “A State Of Grace”. Es war mittlerweile schon dunkel geworden und man freute sich auf den Headliner Riverside.

Setlist Arena

Don’t Forget To Breath
Double Vision
Time Capsule
How Did It Come To This?
The Equation (A Squience Of Magic)
Hanging Tree
A Crack In The Ice
Life Goes On
Salamander
City Of Lanterns
Riding The Tide
The Tinder Box
Ascension
Crying For Help VII

Zugabe:

A State Of Grace

Riverside

Zum Abschluss des ersten Festivaltages gaben sich Riverside die Ehre. Und das vollkommen zurecht. Die Polen brachten eine eigene Licht- und Lasershow mit, welche den Auftritt noch enorm aufwertete. Überhaupt ist die Band mittlerweile eine große Wundertüte, auch was die Auswahl der Songs angeht, aber auch was die Show betrifft. Da lassen sich die vier immer wieder neue Sachen einfallen.

Mariusz Duda gibt sich wieder sehr gesprächig zwischen den Titeln. Einigen ist das schon ein wenig zu viel, aber ich mag ihn so, wie er heute ist: sehr kommunikativ, offen und voller Freude. Mit “#Addicted” ging das Feuerwerk los, ein schönes Stück zum Mitgehen. Weiter ging es mit dem Liveklassiker “O2 Panic Room”, bei dem die Band dann mittendrin aufhörte zu spielen und wie eingefroren auf der Bühne stand. Nachdem das Publikum die Band lautstark aufforderte, wurde dann weitergespielt. Das meinte ich am Anfang mit Wundertüte – irgendetwas ist immer neu.

Mit „Landmine Blast“, ein kraftvolles Stück, das die Energie der Band perfekt einfängt, und „Big Tech Brother“ gab es dann zwei Tracks vom aktuellen Output „ID.Identity“. Auch das epische, über 13 Minuten gehende Stück „The Place Where I Belong“ welches sehr viele Stile der Band kombiniert, wurde noch dargeboten.

Bei “Friend or Foe”, dem Opener vom letzten Album, der ein wenig nach Stadionrock der Neunziger klingt, aber ein genialer Song ist, musste man nur den dauergrinsenden Michał Łapaj beobachten, wie er mit ausladenden Armbewegungen und tänzelnd sich selbst auf die Schippe nimmt. Nein, wir glauben, die Band spielt den Song ganz gerne und steht auch voll dahinter.

Der finale Abschluss kam dann mit “Conceiving You” inklusive “Silent Scream”. Wir hatten das letztes Jahr in Valkenburg schon erleben dürfen und waren nicht sicher, ob Riverside das nochmal wiederholen würde. Doch als Mariusz sich seine Kapuze aufzog, war klar, es wird nochmal magisch. Und so spielte er ein wenig mit dem Publikum, bis der “Schrei” der Menge einen schönen ersten Tag beendete.

Setlist Riverside

#Addicted
O2 Panic Room
Landmine Blast
Big Tech Brother
Lost (Why Should I Be Frightened By A Hat?)
Left Out
The Place Where I Belong
Friend Of Foe
Conceiving You (incl. Silent Scream)

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