Es ist wieder soweit !! In das verträumte, sonst ruhige Dorf in dem der idyllische Finkenbach seinen natürlichen Weg Richtung Neckar sucht, strömen nun wieder zum nunmehr 40. mal die Hippies zum 2-tägigen Finkenbach-Open-Air. Für die circa 500 Dorfbewohner ist es historisch schon seit Jahrzehnten auch das „Guru-Feschd“, aber hier haben die letzten Jahre ebenso einige Änderungen gebracht. Wie immer wird die Hälfte der Finkenbacher wochenlang wieder wie gewohnt intensiv mit den mannigfaltigen Vorbereitungen zum Hippie-Dorf-Festival beschäftigt sein. Zwischen den ursprünglich Feuerwehr-Festen Ende der 60er bis hin zu den diesjährigen wieder mal größten Kraut-Rock-Festtagen in Europa liegen wie schon gesagt fast 50 Jahre deutsche Musik-Geschichte.
Immerhin schon 39-mal Finkenbach-Festival mit hunderten von renommierten Bands, besonders aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch europaweit und von allen Kontinenten. Das Festival-Kollektiv in Finkenbach hat diesmal stolz zum vierzigsten Finki eingeladen. Das traditionell 2-tägige Programm Freitag und Samstag konnte sich wieder einmal sehen und hören lassen. Die Bandbreite ging bei extrem guten Sommerwetter von mehreren Krautrock-Urgesteinen über Blues-Superstars bis zu den jungen Wilden aus ganz Europa. Wir sagen gleich deutlich zu dieser Wundertüte: 1. Wir war schon mehrmals bei den wunderbaren Bürgern im Dorf Finkenbach gerne zu Gast und es war wieder wie ein Heimkommen. Die durchweg positiven Erlebnisse würden sicher ein ganzes Buch füllen. 2. Wir haben alle Bands schon vielfach hautnah erlebt und sagen euch, hier hat mehrmals die Bühne gebrannt und die Freiwillige Feuerwehr hatte 2024 einiges zu tun haben, die sprichwörtlichen Glutnester im gesamten Festivalbereich zu löschen. Das gut besuchte Festival ist gewohnt optimal organisiert, trotz diesmal erschwerter Zufahrt ins Dorf und begrenzten Platz für die Camper, haben alle ihr Plätzchen gefunden, die Finki-Party kann pünktlich starten. Zehn Bands an zwei Tagen, für Jung und Alt etwas dabei, alle sehr gut im Ablauf zusammengeflochten, unterbrochen nur durch ultrakurze Umbaupausen zum Durchatmen. Es war wieder eine Werbung für Rockmusik in Breite und Tiefe. Und auch noch eine brandaktuelle Meldung hat mich sehr gefreut. Elektrolurch Mani Neumeier und das Festival-Kollektiv Finkenbach haben sich endlich ausgesprochen und wieder versöhnt, 2025 gibt es erfreulicherweise wieder einmal Guru Guru auf der Finkenbach-Bühne. Gut so, denn Unruhe haben wir momentan genug in dieser angespannten Zeit auf dem blauen Ball.
Allein die Bröselmaschine von Deutschlands Gitarrenlehrer Nummero Uno und Sympathie-Guru Peter Bursch und die Dortmunder Zwilling-Gitarren-Legende Epitaph sind zur Eröffnung schon zwei Hauptattraktionen fast nahtlos hintereinander. Schon allein mit diesen beiden deutschen Urgesteinen kann ein 2-Tage-Festival mit genug musikalischen Glanz überzogen werden und würde damit einen Besuch absolut rechtfertigen. Pädda hat für den Auftritt sein aktuelles, Star-Stammpersonal aus dem östlichen Ruhrgebiet mit auf die Sportplatz-Bühne gebracht und die spielen zur Freude der Fans gekonnt ein Potpourri von Klassikern aus der gesamten Bandgeschichte.
Peter wechselte wie gewohnt öfter sein Instrument aus seinem unerschöpflichen Gitarren-Arsenal. Auch seine schöne, voluminöse und unverwechselbare elektrische Sitar, klassisch sitzend gespielt, kommt natürlich zum Einsatz, zur Freude der Brösel-Fans später am Abend sogar diesmal noch ein zweites Mal bei den nachfolgenden Schweden.
Epitaph hat zuletzt 2022 unsere Wege mehrmals gekreuzt und uns jedes Mal begeistert. Auch hier im inzwischen nächtlichen Finkenbach wird das nun warmgelaufene Publikum mit ihrem klassischen harten, dennoch melodischen Rock, sofort weiter mitgenommen und kollektiv in rockige Ektase versetzt. Die erfahrenen Rocker Bernd Kolbe, Cliff Jackson, Heinz Glass, alle drei wie wir im hohen Rentenalter sowie der etwas jüngere Schlagzeuger Carsten Steinkämper, zeigen erneut souverän mit 16 Gitarren-Saiten und Trommel-Arsenal seit nun 55 Jahren vielen jüngeren Bands wie voluminöser Rock klingen sollte.
Und die Stimmung stieg mit jeder Minute. Im Mittelteil gab es auch einige Lieder vom aktuellen Album „Don’t Let The Gray Hair Fool You“, dass dieses Senioren-Alter mit einem Augenzwinkern unterstreicht. Zuletzt spielte sich das Quartett wieder unter begeisterten Zurufen wahrlich in einen Rausch und wir hoffen für alle das diese Truppe noch lange so vital die Bühnen der Welt rockt.
Die dagegen recht junge, aber trotzdem inzwischen sehr erfahrene, schwedische Mannschaft von Siena Root haben mit Zubaida Solid aktuell eine neue Tastendame an Bord und die ergänzt wunderbar den zumeist dreiköpfigen Männer-Club an Bass, Gitarre und Schlagzeug. Das Quartett passt nahtlos zu den beiden klassischen Gitarren-Rockern vorher, startete aber zum Beginn psychedelisch im Quintett mit Peter Bursch und seiner Sitar. Peter: „Ich wurde kurz vorher gefragt ob ich ohne Probe spontan dazu kommen könnte, ich kannte das Lied überhaupt nicht.“
Aber hier zeigte sich die Professionalität aller Beteiligten, der Vortrag wirkte wie geplant und aus einem Guss. Der folgende berechtigte Applaus bestätigte die Gesamtleistung. Die Wasa-Wikinger haben auch erneut, und das im doppelten Sinne, das Feuer entfacht, diesmal aber nicht auf der Orgel, aber mit Pyrotechnik auf und neben der Bühne. Wie gesagt, das alles unter den wachsamen Augen der Freiwillige Feuerwehr Finkenbach.
Und mit dem Rock-Quartett Naxatras, von Gitarrist John Delias 2012 in Thessaloniki gegründet, wurde die zur sehr späten Stunde immer noch recht üppige Besucherzahl mit kraftvollen und psychedelischen Klängen und einer dazu passenden spektakulären Beleuchtung in die späte laue Sommer-Nacht begleitet. Wetter gut, Programm exzellent, Stimmung ausgelassen, zusammen mit Kulinarik und Atmosphäre alle Ingredienzien für eine Hippie-Party, so sollte es auch am nächsten Tag weitergehen. Schon jetzt ein Kompliment an den Veranstalter mit einem zeitgemäßen Ablauf für die Senioren und die junge Generation. Hier ist der Spagat zwischen den Generationen inzwischen gut gelungen, vor und hinter den Kulissen. Sehr oft stand ich in einer Traube von jungen Leuten, wie schön waren diese Momente mit gemeinsamen Feiern.
Wer dann am nächsten frühen Nachmittag nach Anreise und langem Programm bis in die Nacht hoffentlich wieder einigermaßen fit ist, den erwartete ein buntes sechsteiliges Voll-Programm. Das wurde von den jugendlichen psychedelischen Krautrockern Lucid Void aus dem Raum Darmstadt-Aschaffenburg rockig eröffnet und knüpfte damit sofort nahtlos und druckvoll an die vorherige lange Musik-Nacht an.
Das Quartett stellte ihr letztes Jahr veröffentlichtes selbstbetiteltes Album live vor, nutzte die Bühnenzeit voll aus, brachte mit ihren langen, rhythmusbetonten Instrumental-Passagen die Feierbiester zur Mittagszeit sofort wieder auf Betriebstemperatur. Sehr spannend, starker Beginn und für uns wieder ein Leckerbissen auf den man ein Auge haben sollte. Danach eine Band die zum Finkenbach Festival passt wie die Faust auf das besagte (wieder einmal) Auge. Was haben wir nicht schon für „Crazy Diamonds“ am Finki auftreten und abliefern gesehen. Die verrückten Musiker um den renommierten Singer-Songwriter Uri Brauner Kinrot aus Tel Aviv zelebrieren eine einzigartige Klang-Mischung aus Ost trifft West. Ouzo Bazooka, bereits 2013 gegründet, haben inzwischen fünf Alben (zuletzt 2021 Dalya) veröffentlicht und wie das Svenske-Team Siena Root gefühlt alle renommierten Festivals in Europa mehrmals bespielt. Aber in beiden Fällen bekommen die Bands und Fans nicht genug voneinander. Gut so, denn dadurch haben wir auch wieder mal das Vergnügen zusammen mit diesen lebensfrohen Schweden und Israelis zu feiern. Diesmal nur als Trio unterwegs, passt ihre etwas sperrige Musik recht gut zum Starter Lucid Void. Aber leider hat das Trio nicht das Glück die Stimmung weiter zu steigern, schade.
Und das letzte Drittel des Festivals steht im Zeichen des Blues in allen Facetten. Zuerst einmal Klassisch mit der Hamburg Blues Band, seit Jahrzehnten ein Aushängeschild der deutschen Blues-Szene. Letztes Jahr hatten wir das große Vergnügen diese Star-Band mit einem Dutzend Gästen erleben zu dürfen, unter anderem mit komplett Colosseum, Stoppok, Inga Rumpf und vielen mehr (2024: erneut mit Heidi Solheim, Frank Tischer und Clem Clemson beim Woodstock Forever). Diesmal bringt Leitwolf Gert Lange neben seiner Stammband den Freund und unverwüstlichen Blues-Muezzin Chris Farlowe mit zum Finkenbach.
Diese zwei Tage im Odenwald waren extrem heiß und hinter den Kulissen munkelt man ob der Blues-Rentner Chris das halbe Dutzend Lieder tatsächlich komplett vortragen kann. Aber kaum hat er den Weg auf die staubigen Bretter geschafft und ist in Sichtweite der Zuschauer geht ein Ruck durch ihn und er präsentiert sich strahlend, gut gelaunt und in tadelloser Verfassung. Frenetischer Jubel begleitet den gesamten Auftritt und danach sind alle vier Bandmitglieder im Gelände unterwegs, lassen sich berechtigt feiern, genießen das Bad in der Menge. Einzig Chris Farlowe hat sich in eine ruhige Ecke zurückgezogen, strahlt aber immer noch auf seine typische freundliche Art.
Auch Kraan um die widergenesene Bass-Legende Hellmut Hattler hatte wieder bluesiges Futter im Gepäck, aber natürlich nicht nur das. Wir lieben diese schwer charakterisierbare Musik von Kraan seit Anfang der 70er, sind immer wieder überrascht was der gebürtige Ulmer Weltklasse-Basser aus seinem Hut oder besser Baseball-Kappe zaubert.
Wie gewohnt im Trio mit Jan Fride Wolbrandt (Schlagzeug) und Peter Wolbrandt (Gitarre) spielen sie viele Klassiker mit präzisen Gitarren-Läufen, blinden Zusammenspiel und niveauvollem Solis. Aber auch einige Titel vom aktuellen Album „Zoup“ werden zum Besten gegeben, hier haben sie dafür einen Keyboarder als Unterstützung auf der Bühne. Aber besonders das alte Material begeistert das Publikum hier beim Jubiläums-Finki, eine gemeinsame Zeitreise in die 70er. Ab jetzt wird das Lebensalter der Musiker jünger.
Und wer nun denkt, nach der Stil-Melange des Premium-Krautrock-Trio Kraan wird der Druck im Kessel vielleicht sinken, der hat auf die falsche Band gesetzt. Mir fallen spontan viele Power-Trios ein, da denken wir sofort an dutzende großartige dreiköpfige Bands die wir in fast 60 Jahren selbst erlebt habe. Aber Rory Gallagher und Jimi Hendrix Experience kommen diesem jungen niederländischen Kracher DeWolff, bestehend aus den Brüdern Luka (Schlagzeug) und Pablo van de Poel (Gitarre) sowie Robin Piso (Keyboards), mit einer gemeinsamen Schnittmenge aus beiden vorher erwähnten Trios und eigenen weiteren Zugaben am nächsten.
Deren Musik verleugnet nicht die starken Wurzeln zum Traditionellen, ist druckvoll, mitreißend, zeitgemäß aber auch irgendwie besonders. Der Hinweis an die Finkenbacher Feuerwehr, gut aufpassen und viel Löschmaterial bereithalten, war durchaus berechtigt. Spätestens als Pablo nach einem ekstatischen Gitarrensolo von der Bühne mehrere Minuten singend im Publikum verschwindet, waren hier auf dem Sportplatz einige Glutnester zu erkennen. Wir haben die drei jungen sympathischen Musiker zum ersten Mal 2017 hier in Finkenbach erlebt, für uns unvergesslich bis heute. Daran knüpft dieser Auftritt nahtlos an. Wer dieses Trio noch nicht erlebt haben sollte, merkt euch DeWolff und besucht ein Konzert, ihr werdet sicher nicht enttäuscht.
Und weiter geht es mit bluesigen Alternativ-Rock aus deutschen Landen, die Detroit Blackbirds von Alex Auer bestreiten wie 2019 (wir berichteten damals darüber) den Abschluss dieses Festivals. Alex, inzwischen ein gern gesehener Dauergast in Finkenbach, ist seit Anfang der 90er Gitarrist und Sänger in verschiedenen Projekten, seit Ende 2001 auch der Gitarrist bei Xavier Naidoo und mit „Much Better“ hat der Routinier das ekstatische Debüt des erfahrenen Quartetts Detroit Blackbirds im Gepäck. Er tritt erst lange nach Mitternacht an und spielt seine Musik bis lange in den neuen Tag. Unsere Akkus mussten dann in doppelter Hinsicht irgendwann wieder geladen werden, wir nutzten den zweiten Teil des Auftritts, mit guter Sicht auf die Bühne, als hingleiten in die verdiente Ruhe. Es war 2024 wieder vielfältig, international, magisch und laut im Tal des Finkenbachs. Und es war auch wieder gemütlich und unvergesslich. Für alle die vielleicht eine sehr weite Anreise oder das heiße Sommerwetter scheuten und sich deshalb diesen Leckerbissen entgehen gelassen haben oder mussten, plant das nächste Jahr mal im Odenwald mit zwei Tagen Finki-Party.