Livereport: Progressive Circus Festival Malmö 29.09.2024

Ein spannendes Lineup des Progressive Circus Festivals zieht uns Ende September 2024 ins südschwedische Malmö. Für uns in Deutschland lief dieses Festival bisher unter dem Radar, denn wir haben in diesem Jahr bereits die 10. Edition. Leider können wir nur den zweiten Tag besuchen, am ersten Tag verpassen wir EGENTLIGEN GIANT, GREEN ASPHALT, AGUSA, BOSSEBANDET und OZRIC TENTACLES. Uns überrascht vor Ort, dass wir kein deutsches Gesicht sehen und kein deutsches Wort vernehmen können, obwohl Malmö beispielsweise von Deutschlands Mitte nur eine Tagesreise entfernt ist, inklusive einer gut zu wählenden Ostseequerung.

Damit unterscheidet sich die Entfernung hierher für uns nicht wirklich von der Entfernung zu den meisten anderen Prog Festivals in Deutschland und Europa. Das Festival ist auch vom Lineup her eine nahezu rein schwedische Angelegenheit, abgesehen von OZRIC TENTACLES und den multinationalen Mitgliedern von SOEN. Ein Heimatland Schweden ist für eine Prog Band aber beinahe schon ein Qualitätssiegel, erst recht für die heute angekündigten Bands, die überwiegend auch hierzulande gute Bekannte sind.

Der 2008 gegründete Club Babel im Zentrum von Malmö begrüßt uns als eher kleiner Laden, der mit geschätzten 300 Leuten weitgehend ausgelastet scheint. Der Saal ist sehr kompakt gebaut: nach den ersten vielleicht nur 10 Reihen Publikum vor der Bühne erheben sich dahinter zwei hohe Tribünen für weiteres Publikum. Daher mag das Venue auch seinen Namen haben. Die Bühne ist mit einer ca. 10m x 10m großen Leinwand abgehängt, die offenbar auch den Turm zu Babel abbilden soll.

SONIQ CIRCUS

Zügig nach einem deutlich verspäteten Einlass beginnen die im benachbarten Ort Lund beheimateten SONIQ CIRCUS. Zunächst überrascht uns hier, das Marcus Enochsson im edlen Umhang an der Gitarre steht. Er organisiert über das Label Progressive Circus dieses Festival wesentlich, plant Konzerte der weltweit namhaftesten Prog Bands in ganz Schweden und wir konnten ihn auf dem „Night Of The Prog Festival“ 2024 beim Verteilen seiner Festival-Flyer auch schon persönlich kennenlernen.

Wir hören härteren Prog mit leichten Metal Anleihen, was gut und sympathisch rüber kommt. Aktuell haben SONIQ CIRCUS nach zwei vollen Alben und einer neunjährigen Pause seit 2020 drei EP veröffentlicht. Zwei davon verfolgen ein einheitliches Konzept. Ein dritter Teil soll noch folgen. Die ersten drei Stücke heute gespielten Stücke stammen auch von diesen EP. Das Gehörte hier macht definitiv neugierig und erzeugt Lust auf mehr.

Setlist:

Let The Game Begin

The Accident

Achilles Down

Chain Of Consequences/Awake

PAATOS

PAATOS haben ihr letztes Album 2011 veröffentlicht. Bis zu dieser Zeit waren sie auch hierzulande gut auf Konzerten unterwegs, im Netz ist sogar noch eine Rockpalast-Konzert-Aufzeichnung aus dem Jahr 2005 zu finden. Seit 2016 galten Sie nach einer entsprechenden Nachricht in den sozialen Netzwerken als aufgelöst. Von daher waren wir im Vorfeld überrascht über diese Konzertankündigung und haben diesen Auftritt gespannt erwartet. Zumal optisch gemutmaßt werden kann, dass die PAATOS in ihrer Kernbesetzung nach all den Jahren unverändert geblieben ist.

Über den härteren melancholischer Sound der Band hebt sich immer noch die schöne Stimme der Frontfrau Petronella Nettermalm und verstärkt damit die Emotionalität ihrer Musik noch. Knapp die Hälfte des Sets ist durchsetzt von unbekannten neuen Stücken. Ein schöner Auftritt, und man darf vor den beschriebenen aktuellen Entwicklungen auf neue Musik und neue Konzerte von und mit PAATOS in der Szene gespannt sein.

Setlist:

Gasoline

Happiness

Breathing

Sensor

Ligament

I´m Letting Go

Chemical Escape

Absinth Minded

Last Ones

Téa

MOON SAFARI

Anlass für unsere Reise nach Malmö ist aber ganz klar der heutige Auftritt von MOON SAFARI. Die auserwählten Auftrittsländer ihrer sehr abgezählten Konzerte in diesem Jahr sind neben einem Festivalauftritt in Rumänien, Japan, Großbritannien und eben ihr Heimatland Schweden, wo an diesem Wochenende Gastspiele in den drei großen Städten des Landes stattfinden. Nach langer Wartezeit haben die Jungs aus dem nordschwedischen Skelleftea 2023 mit „Himlabacken Vol. 2“ ein großartiges Album vorgelegt, welches die Fans übereinstimmend zu den besten Alben des Jahres der Szene zählen.

Auffällig ist auch, dass sich jetzt vor der Bühne und auf den beiden Tribünen mehr Menschen versammeln als für die Konzerte davor und danach. So stellen die wohl besten Stücke dieses Albums heute auch die Basis ihres eher kurzen Festivalauftritts dar. Unsere große Vorfreude sollte durch die Konzerteindrücke sogar noch übertroffen werden. MOON SAFARI ergab sich voller Begeisterung in ihrer eigenen Musik und im neuen von Bass und insbesondere Schlagzeug geprägten druckvollen Sound. Es ist eine große Freude, den neuen Drummer Mikael Israelsson auf das Schlagwerk eindreschen zu sehen. Dabei bleibt alles hoch-melodiös. Der Sound ist klasse, der Satzgesang von Petter Sandström, Simon Akesson und Pontus Akesson extrem sauber und harmonisch aufeinander abgestimmt. Die Solo-Gesänge in den Stücken übernehmen die drei Herren zu etwa gleichen Teilen.

Die Songs sind dabei von hoher Melodiösität und positiver Grundstimmung geprägt. Diese Szenerie jagt eine Gänsehaut hoch und runter. Wie riesig mag denn die Erfahrung des Publikums zwei Tage vorher in Stockholm gewesen sein, als die Setlist noch mindestens eine halbe Stunde länger war und mit dem Klassiker „Constant Bloom“ a capella abgeschlossen wurde? Die Sehnsucht ist heute eher noch einmal gewachsen, dass MOON SAFARI sich endlich mal wieder für eine Tour oder wenigstens ein paar Konzerte nach Mitteleuropa verirren möge. Leider konnten wir den Jungs vor Ort keine weiterführenden Aussagen entlocken.

Setlist:

198X (Heaven Hill)

Between The Devil And Me

Heartland

A Lifetime To Learn How To Love

Mega Moon

Teen Angel Meet The Apokalypse

A Kid Called Panic

SOEN

Seit einiger Zeit taucht der Name SOEN immer wieder auf den Konzertlisten auf. Gerade aktuell waren die Jungs dieser schwedisch-internationalen Unternehmung in den USA unterwegs; das heutige Konzert in Malmö ist die Premiere einer aktuellen größeren Runde durch Europa. Die Musik kann als progressiv und technisch anspruchsvoll, allerdings doch eingängig beschrieben werden. Wir hören in Richtung Metal ausgerichtete Klänge, die an TOOL und OPETH erinnern. Das ist kein Zufall, denn der Drummer und Gründer von SOEN ist mit Martin Lopez ehemaliger Drummer von OPETH.

Uns als SOEN-Neulingen fällt besonders die Aura auf, die der schwedische Sänger Joel Eklöf ausstrahlt. Die Metal-Posen überläßt er seinen Band-Kollegen, wobei er scheinbar versucht, sein Publikum in der Musik zu hypnotisieren. Jedenfalls strahlt die Präsenz von SOEN und ihre Musik eine gewisse Magie aus, der man sich schwer entziehen kann. Gut ist ein Konzert immer, wenn es unerwartet schnell zu Ende geht – und genau das ist hier der Fall. Insgesamt fünfmal machen SOEN jetzt im Oktober in Deutschland Station, die Konzerte sind teilweise sogar schon ausverkauft. Wir können Besuch eines dieser Konzerte sehr empfehlen.

Setlist:

Sincere

Martys

Savia

Memorial

Lascvicious

Unbreakable

Ideate

Monarch

Illusion

Lotus

Violence

FAZIT:

Wir haben in Malmö nicht unbedingt ein perfektes Festival erlebt. Der unerwartet späte Einlass, kein Speisenangebot im Venue, ein nahezu komplett abgebautes Merch-Angebot nach Festivalende, ein Verlassen des Publikums in den Konzertpausen ist nicht organisiert. Aber vielleicht macht gerade das den Charme des Progressive Circus Festivals hier in Malmö aus, denn mit Herzblut bei der Sache waren alle Beteiligten dabei. Das konnte man definitiv beobachten.

Zwar können wir aufgrund der komplett in schwedisch gehaltenen Ansagen keine Zwischentöne oder Zusatzinformationen vom Veranstalter und den Bands mitnehmen, sollten wir aber tatsächlich die einzigen nicht-schwedischen Gäste vor Ort gewesen sein, tolerieren wir das gerne. Essen gehen konnte man auch in einem der zahlreichen Restaurants rings herum, wir zählen mehr als fünf Stück innerhalb von 500 m Laufweg. Definitiv war die Reise nach Malmö eine spannende und insgesamt gute Erfahrung, und wir werden beobachten, welches Lineup bei der nächsten Edition angeboten wird.

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