Die Vorstellung, RPWL begleitet von einem großen Orchester live zu sehen, zieht uns heute ins oberbayrische Freising, der Heimatstadt der deutschen Prog Urgesteine. Ich denke die Band kann man inzwischen so bezeichnen, sind doch RPWL in den etwa 25 Jahren ihres bisherigen Bestehens einer der langjährig erfolgreichsten Acts im deutschsprachigen Prog Zirkus. Von den drei Konzerten in der jeweils ausverkauften Luitpoldhalle besuchen wir das „mittlere“ am Samstag.
Die Hoffnung, in diesem Konzert RPWL Musik in großem Arrangement präsentiert zu bekommen, relativiert sich aber schnell, denn eine Setlist mit Rock-Klassikern vom Vortag macht schnell die Runde. Diese enthält mit drei RPWL Stücken nur ca. 15% des gesamten Konzertes. Die Erklärung sollte schnell folgen, und zwar gleich in der ersten Moderation des Konzertabends von Yogi Lang.
Kalle Wallner bestätigt uns später im Gespräch, dass „RPWL mit Orchester“ gar nicht der Ansatz dieses Projektes ist. „Die Idee für ein derartiges Projekt kam vom Dirigenten Martin Keeser. Er ist dem Art-/Progressive Rock durchaus verhaftet und mag auch unsere Musik. Wir kennen ihn schon seit vielleicht 30 Jahren. Bereits seit den 80ern gibt es bei uns in Freising so alle ein bis zwei Jahre im Sommer ein „umsonst und draußen“ Konzert namens „Rock-Klassik am Marienplatz“, wo man die wesentlichen Freisinger Musiker zusammen bringt. Die letzten Jahre war es dann immer so, dass wir mit RPWL als eine Art Begleitband für alle fungiert haben. Irgendwann entspann sich zwischen Yogi und Martin die Idee, das Ganze mal im großen Rahmen auf eine Freisinger Bühne zu bringen.
Eine Bedingung von Martin Keeser zur Einwilligung in dieses Projekt war auch, mit seinem Orchester nicht Begleiter einer Rockband, sondern gleichberechtigter Teil des Gesamtprojekts zu sein.“ Und genau das spüren wir im Publikum: alle musikalischen Elemente, egal ob Rockband, Orchester oder Solisten, sind gleichwertig in den Songs abgebildet und abgemischt. „Das erste Mal, als wir das vor zwei Jahren gemacht haben, war ungleich komplizierter, da dort noch viele technische Probleme gelöst werden mussten: wie nimmt man ein Orchester ab? Klappt das mit den Visuals? All diese Dinge konnten wie dieses Mal schon als Erfahrung einfließen lassen.“
Wir werden Zeuge eines überwältigenden Konzertabends. Beispiele gefällig? „Music“ von John Miles. Richy Kehr am Mikrofon, mit voller Breitseite des Orchesters wie man es aus dem Radio kennt, das Ganze als live Erfahrung! Schon hier beim zweiten Stück des Abends kommt mittelschwere Begeisterung auf. „Old And Wise“, balladesk getragen von Torsten Nathans Gesang und dem Orchester – zum dahin schmelzen. Das Paket mit Orchester, kleinem Chor und Band kommt besonders bei den Pink Floyd Stücken wie „High Hopes“ zur Geltung, das abschließende Solo von Kalle hier stilecht auf der Slide Guitar. Jedes Element ist heraus zu hören und macht diese bekannten Stücke heute zu einem unglaublich tiefen Hör-Erlebnis. Sicher nicht zufällig stehen die beiden in vielen Polls über Jahrzehnte immer wieder gewählten besten Rock-Stücke aller Zeiten mit auf der Setlist dieses besonderen Konzertabends: „Bohemian Rhapsody“ und „Stairway To Heaven“, die zwar von den klasse ausgewählten Solo Sängern getragen, aber im Paket mit Band und Orchester perfekt dargeboten werden.
Mein persönliches Highlight ist die Eröffnung des zweiten Teils: ein reines Orchester-Medley (welches in der Auswahl der Stücke durchaus stark an den Rock angelehnt ist, beispielsweise der Beginn mit „Firebird Suite“, mit dem jedes YES Konzert beginnt – heute und hier live!), welches nahtlos übergeht in „The Court Of The Crimson King“. Dieses Stück im Orchester Arrangement mit Band in voller Wucht und Breitseite präsentiert zu bekommen ist eine Offenbarung. Insbesondere dann auch, als sich der riesige Klangkörper im Stück zurück zieht und die Weiterführung einem Flötensolo, gemäß Original Song, überläßt. Bei diesen musikalischen Urgewalten gehen die drei RPWL Songs, die Richtung Ende des Konzerts eingebaut sind, und weshalb wir einmal her gekommen sind, emotional beinahe schon unter. Diese Wirkung des Konzertes haben wir so nicht erwartet.
Hier wird große Musik mit Leidenschaft gemacht. Die verschiedenen Elemente wie Orchester, Sologesang, Chor und Band und sind stimmig zusammen geführt. Das unterscheidet diesen Abend auch von so manchem vergleichbaren namhaften Projekt a la „Rock meets Classic“ oder „Night of The Prom“, wo Orchester zwar auf der Bühne das größte Volumen einnehmen, aber akustisch hinter die Stars oder die Rockband dargestellt werden. Heute geht es auch nicht ums Geld verdienen, denn mit knapp 40€ pro Ticket für einen mit 670 Plätzen ausverkauften Saal pro Konzert wird keiner der 60 auf der Bühne befindlichen Musiker reich. Die heutigen Orchester-Arrangements sind auch erarbeitet von Martin Keeser. „Das gibt’s für diese Stücke nicht irgendwo zu kaufen!“ erklärt uns Kalle. Genau wie die Chor-Arrangements, die auch aus der eigenen Küche kommen, und zwar von Caroline von Brünken, seit einiger Zeit festes Mitglied als Backgroundsängerin bei RPWL. Natürlich steht sie heute auf der Bühne, im Background und am Solo-Mikrofon bei „Stairway To Heaven“. Man spürt formlich, dass alle Beteiligten inklusive der Leute im Background und Verantwortliche der Stadt Freising an einem Strang ziehen, um dieses großartige Projekt an diesem Wochenende umzusetzen.
Das Ganze ist und bleibt ein rein regionales Projekt. Vor allem deshalb: keine Tour, kein offizieller Mitschnitt. Man kann nur die Daumen drücken, dass sich alle Beteiligten einmal wieder zusammenraufen und diese Projekt auch ein drittes Mal wiederholen werden. Alle die nun traurig sind nicht dabei gewesen zu sein sei ans Herz gelegt, die Informationen aus Freising und um RPWL herum aufmerksam zu verfolgen.
Freisinger Symphonieorchester; Leitung und Orchester-Arrangements: Martin Keeser
Sologesang: Caroline von Brünken, Evi Melzer, Richy Kehr, Thorsten Nathan, Hannes Samann, Reinhard Wiesheu, Yogi Lang
RPWL: Kalle Wallner, Yogi Lang, Butsch Keys, Markus Grützner, Marc Turiaux
Gastmusiker: Günter Oberprieler, Dennis Rothmaier
Chor: Caroline von Brünken, Irina Henseler, Carmen Tannich, Christian Deussen
Moderation: Yogi Lang
Setlist Teil 1:
Sirius (The Alan Parsons Project)
Wouldn´t It Be Good (Nik Kershaw)
Music (John Miles)
Here Comes The Sun (The Beatles)
Across The Universe (The Beatles)
I´ll Stand By You (The Pretenders)
Still Got The Blues (Gary Moore)
Desperado (The Eagles)
Bohemian Rhapsody (Queen)
Old And Wise (The Alan Parsons Project)
Golden Eye (Tina Turner)
High Hopes (Pink Floyd)
Setlist Teil 2:
Klassik trifft Rock (nach Themen von Strawinsky, Bach und Tschaikowsky)
The Court Of The Crimson King (King Crimson)
Sweet Talking Woman (ELO)
Stairway To Heaven (Led Zeppelin)
Crazy Lane (RPWL)
Light Of The World (RPWL)
Ordinary World (Duran Duran)
Comfortably Numb (Pink Floyd)
You´re The Voice (John Farnham)
Zugabe:
Roses (RPWL)