Die isländischen Sigur Rós ist eine der wenigen Bands, die mit ihrer wahrlich besonderen Musik seit nun über zwei Jahrzehnten eine besondere Magie ausstrahlt. Sei es mit ihrer Musik von Konserve oder in ihren Konzerten, von denen wir über die Jahre schon eine reichliche Handvoll besuchen konnten. Im Juni 2023 gab die Band eines ihrer ersten Konzerte mit Orchesterbegleitung in der Hamburger Elblandphilharmonie. Damals keine Chance an die begehrten Karten zu kommen bekamen wir voller Spannung Kenntnis von einer “Nordic Tour” von Sigur Rós mit Orchesterbegleitung mit einigen Konzerten in Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark und Island im November und Dezember 2024. Die Entscheidung, schnell die Karten zu sichern und rings herum ein paar schöne Tage im wunderschönen Stockholm zu verbringen, fiel dann leicht. Sigur Rós mit Orchesterbegleitung – das versprach eine weitere Steigerung der bisher erlebten Magie bei Konzerten der isländischen Band.
Als spannend stellt sich die logistische Umsetzung dieser Tour dar. Denn die Band spielt nahezu an jedem der sechs Spielorte mit einem anderen Orchester. Ok, wenn man mit einem über 40köpfigen Orchester von Ort zu Ort reist, ist das Ganze wohl auch nicht finanzierbar. Allerdings werden alle Konzerte von Robert Ames und damit dem gleichen Dirigent geleitet. Es erscheint also wahrscheinlich, dass die betreffenden Orchester das Material zunächst intensiv und in Ruhe alleine proben, dann der Dirigent einfliegt und den Klangkörpern seinen und Sigur Rós Feinschliff gibt, bevor in der sicher kurzen Probenzeit mit der Band das Projekt auf Bühnenreife geprobt wird. Trotz angestrebter Effizienz sind Konzerte dieser Größenordnung mit einem enormen Aufwand verbunden, erst recht, wenn man diese als Tournee ansetzt.
Rechtzeitig auf unseren gebuchten Sitzen Platz genommen, sind wir überrascht, dass 10 Minuten vor Konzertbeginn sich erst vielleicht zwei Drittel der Leute im ausverkauften Saal befinden. So zieht sich der Strom der Plätze suchenden Menschen bis ein ganzes Stück nach Konzertbeginn pünktlich um 20 Uhr. Die Unsensibilität des Stockholmer Publikums bei einem Konzert diesen Ranges überrascht, stört und lässt es zunächst schwer fallen, anfangs durch diese Unruhe in die richtige Konzertstimmung zu kommen.
Sigur Rós sieht das Orchester nicht als Bandbegleitung, sondern sieht sich als Teil der Unternehmung – das sieht man sofort zum Konzertbeginn. Denn die Band postiert sich und ihr Instrumentarium inmitten des Orchesters. Und so klingt das Ganze dann auch – als einheitlicher musikalischer Klangkörper.
Die Stimmung des gesamten Konzertes ist ziemlich getragen. Das wird sicher auch daran liegen, dass das aktuelle Album komplett ohne Schlagzeug auskommt und stark an die Tradition ihres Meisterwerkes „()“ erinnert. Diese Stimmung soll auf die Bühne gebracht werden. Schlagzeug, Pauken und Bläser sind zwar auf der Bühne, aber selten zu hören. So wünschen wir uns an manchen Stellen mehr Dynamik und mehr Kraft der in Musik, mehr der eingangs beschriebenen Magie. Was nicht heißen soll dass wir ein langweiliges Konzert erleben.
Gerade die Klassiker wie die drei Stücke des „()“ Albums oder „Ekki Mukk“ bzw. „Hoppipolla“ vom „Takk“ Album sind in der live Präsentation von Band gemeinsam mit Orchester ein Hochgenuss und jagen die erwarteten Schauer den Körper hoch und runter. Der Schluss mit „Hoppipolla“ macht Vorfreude, dass es nun nochmal richtig los gehen könnte. Allerdings verlassen die drei Bandmitglieder Jonsi Birgisson, Goggi Holm und Kjarri Sveinsson danach die Bühne, überlassen diese mit dem Stück „Avalon“ nochmal alleine dem Orchester. Dann ist das Ganze leider mit dem Schluss-Beifall schon zu Ende. Zugaben sind wie immer bei Sigur Rós Fehlanzeige. Die reichlich zwei Stunden Konzert sind dann doch verdammt schnell vergangen.
Sigur Rós präsentieren ihr aktuelles Album „Atta“ aktuell ausschließlich und weltweit (!) mit derartigen aufwändigen Orchestershows. Nach dem Beginn 2023 in Europa, der Fortsetzung 2024 in Nordamerika und Skandinavien 2024 werden im Frühjahr 2025 asiatische und australische Konzertsäle bespielt. Im September/Oktober 2025 kehrt die Unternehmung nach Mitteleuropa zurück. Es gibt zwar kein Konzert in Deutschland, aber die Freunde von Sigur Rós werden sich sicher um Karten in z.B. Prag, Wien, Wroclaw oder London (Royal Albert Hall) bemühen, um die Magie der Musik von Sigur Rós gemeinsam mit einem Orchester hautnah erleben zu können.
Setlist:
Set1
1. Blóðberg
2. Ekki múkk
3. Fljótavík
4. 8
5. Von
6. Andvari
7. Starálfur
8. Dauðalogn
9. Varðeldur
Set2
10. Untitled #1 – Vaka
11. Untitled #3 – Samskeyti
12. Heysátan
13. Ylur
14. Skel
15. All Alright
16. Untitled #5 – Álafoss
17. Sé lest
18. Hoppípolla
19. Avalon