Review: Weather Systems – Ocean Without A Shore (2024)

Obwohl für 2020 ein neues Album angekündigt war, löst sich die Liverpooler Band ANATHEMA nach ganzen 30 Jahren ihrer Existenz und 11 Studio Alben unerwartet auf. Für viele Fans ein Schock, hatten die Engländer doch über die Jahre einen eigenen Musizierstil entwickelt und sich damit in die Oberklasse des Prog gespielt. Aufgrund des Zeitpunktes konnte man mutmaßen, dass den Musikern pandemiebedingt die finanzielle Puste ausging und sie deshalb das Handtuch schmissen. Recherchiert man ein bisschen mehr, kann man aber lesen, dass es hierfür andere Gründe gegeben hat. Eines der besten ANATHEMA – Alben nannte sich „Weather Systems“ und wurde im Jahr 2012 veröffentlicht.

Tracklist:

01 Synaesthesia 09:11
02 Do Angels Sing Like Rain? 05:06
03 Untouchable Part 3 05:55
04 Ghost In The Machine 04:53
05 Are You There? Part 2 05:58
06 Still Lake 05:58
07 Take Me With You 06:09
08 Ocean Without A Shore 07:17
09 The Space Between Us 06:04

Das sich ein aktuelles, neues Prog Projekt nun WEATHER SYSTEMS nennt und nicht nur im Bandnamen sowie im Album Cover ihres Debüt-Albums Parallelen zu ANATHEMA zieht, ist natürlich kein Zufall. Denn der kreative Kopf damals bei ANATHEMA ist heute auch der kreative Kopf von WEATHER SYSTEMS – Daniel Cavanagh. Den Drummer Daniel Cardoso bringt er von seiner alten Band mit. Viele weitere Parallelen tauchen auf: „Untouchable“ Pt .1 und Pt. 2 ist auf deren namensgebenden Album von ANATHEMA zu finden, „Untouchable“ Pt. 3 hier bei der Band WEATHER SYSTEMS. Es gibt einen Song „Ariel“ auf dem ANATHEMA – Album „Distant Satellites“, das aktuelle Album „Ocean Without A Shore“ widmet Daniel Cavanagh gemäß Booklet seinem Sohn Ariel.

Auf angenehme Weise wird auch der musikalische Stil der letzten ANATHEMA Alben weitergeführt und verfeinert. Oft treibende und manchmal komplexe Rhythmen treiben die Stücke voran. Der klassische Refrain ist abgeschafft. Das Ganze ist häufig von getragenen Gesängen überlagert. Oft lösen sich diese Klanggebilde in balladesk-emotionale Songphasen auf. Für den Zuhörer ist es leicht, sich in eigene melancholische Stimmungen gleiten zu lassen und in Musik und Texten wiederzufinden.

Und doch gibt es Unterschiede und Neuerungen bei WEATHER SYSTEMS. Insbesondere fällt hier die Gitarrenarbeit auf. Gleich im ersten und längsten Stück „Synasthesia“ finden wir in der Mitte ein lupenreines Gitarrenriff, was irgendwie vorher im Song aufgebaut wird und harmonisch da rein passt. Auch der zweite Song „Do Angels Sing Like Rain?“ ist eher noch mehr Gitarren-lastig, bevor mit „Untouchable Pt. 3“ eine balladeske, von Streichern und Piano geprägte Rückblende auf alte ANATHEMA Zeiten folgt. Der Song steigert sich nach hinten durch den Einsatz von Streicherklängen und erhält so noch mehr emotionale Wucht.

Die 9 Stücke des Albums sind in zwei große Teile gegliedert: Teil 1 „First Steps“, Teil 2 „Learning To Fly“. Es kann gemutmaßt werden, dass Daniel Cavanagh hier die Entwicklung seines Sohnes Ariel beim Schreiben vor Augen hatte. Die einzelnen Stücke sind teilweise zart verbunden, etliche Text- und auch Song-Fetzen tauchen übergreifend in verschiedenen Songs des Albums auf. Den großen Album-Bogen, der durch die 2 Teile angedeutet wird, können wir im Moment beim Hören nicht erkennen. Schnell wird klar, dass mit „Ocean Without A Shore“ ein Synonym für endlose Liebe vermittelt wird.

Das Album fließt, man kann sich leicht in die Musik fallen lassen und beim Hören der Texte eigene Bilder im Kopf formen. Die Stücke sind alle gut, herauszuheben ist aber noch der wunderbare Schluss-Song “The Space Between Us“. In diesem ansonsten eher schlichten Stück wird eine exotische Gesangslinie als tragendes Motiv gewählt, mit der man sich in die Südsee träumen kann. Ein wunderbarer Album-Ausklang.

WEATHER SYSTEMS liefern insbesondere den ANATHEMA Kennern, aber auch „Neulingen“ in diesem Universum ein klasse Debüt-Album und spielen sich damit in die Herzen vieler Prog Fans. In den Jahres-Umfragen nach den besten Prog Alben steht dieses Werk oft sehr weit vorne. Hier bei STONE PROG hat dieses Album Rang 2 des Jahres 2024 erreicht. Und das nach unserer Meinung völlig zurecht.

Zur Freude ihrer gerade wachsenden Fan-Schar gibt es im Mai 2025 eine ordentliche Europa Tour mit 21 Stationen. Darunter 3 Termine in Deutschland (Dresden, Aschaffenburg und Neunkirchen). Man darf auf die Live-Präsentation dieser tollen Musik gespannt sein.

Wertung: 9 | 10

Please follow and like us:
Facebook
Instagram
TWITTER
YOUTUBE
Copyright © 2025 | STONE PROG | Die Welt des Progressive Rock