Was ist Progressive Rock? Diese bisher nur ansatzweise geklärte Frage lässt sich umso schwerer beantworten, je mehr man sich mit dieser Musikrichtung befasst. Einer Antwort kann man sich allerdings anhand von Indizien annähern. So dürfte der Progressive Rock das einzige Musikgenre sein, bei dem es mehr Bands gibt als Fans und damit der Überblick schwierig ist. Dies trifft auch auf die niederländische Band The Aurora Project zu. Obwohl sich dieses Sextett schon 1999 formierte und mit ,,EVOS12″ ihr bereits fünftes Album auf den Markt brachte, bedurfte es eines lieben Freundes, um mich auf die Existenz dieser Band aufmerksam zu machen. Die heutige Besetzung von The Aurora Project weicht nur in einer Position von der Gründungsbesetzung ab und dies auch nur deshalb, weil einer der beiden bisherigen Gitarristen unlängst verstorben ist.

Tracklist:
1. Slave City (6:27)
2. The Movement (5:41)
3. Have Some Tea (11:36)
4. The Traveler (5:46)
5. Freedom of Thought (9:09)
Die Musik von The Aurora Project lässt sich mit einem Wort beschreiben: ArtRockNeoMetal-Prog. Was auf diesem Album zu Gehör kommt, ist unglaublich. Es löst sogar ein Zeitparadoxon aus: bei einer Laufzeit von gerade einmal knapp 39 Minuten bietet ,,EVOS12″ gefühlte 2 Stunden lang hoch- und höchstwertigen Prog, so viel passiert hier! Doch stellen wir erst einmal die Musiker vor. Die Stimme von Sänger Dennis Binnekade klingt klar und rein, ist wandlungsfähig und erinnert bisweilen an Mariusz Duda. Die Rhythmus-Sektion, bestehend aus Joris Bol (Schlagwerk) und Rob Krijgsman (Bass), unterlegt die Melodien mit düsteren Rhythmen, die so spannungsgeladen sind, dass man meint, an den Boxen direkt Strom abzapfen zu können.
Die Gitarristen Remco van den Berg und Alex Ouwehand haben von tonnenschweren Klangwänden bis hin zu feinziselierten Arabesken alles im Angebot. Und Keyboarder Marcel Guijt steuert langflorige Klangteppiche bei. Dass die Herren nicht erst seit gestern zusammen musizieren (mit Ausnahme von Alex Ouwehand; s.o.), merkt man der Band an. Die Stücke sind abwechslungsreich und komplex, ohne dabei überladen zu wirken. Mitunter streifen sie den AOR, ohne dabei banal zu klingen. Eines (,,Have Some Tea“) flirtet sogar mit dem Reggae. Und was alle Stücke gemein haben (und das ist eine absolute Seltenheit): sie haben ein definiertes Ende. Keine Da-ist-ihnen-nichts-mehr-eingefallen-Ausblende! Und das schönste kommt zum Schluss: die Band kündigt ,,EVOS12″ als ersten Teil eines zweiteiligen Werks über die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft nach einem Drohnenkrieg an. Da kommt also noch mehr!
Im Fazit liefert ,,EVOS12″ all das, was mich zum Prog gezogen und dort festgehalten hat.
The Aurora Project
