Er schon wieder? Keine 18 Monate sind vergangen, seitdem Steven Wilson sein letztes Werk namens „The Harmony Codex“ unters Volk gebracht hat. Und nun bringt er „The Overview“ an den Start. Gefühlt waren diese anderthalb Jahre angefüllt mit Promotion für dieses neue Album, sodass die Zwischenzeit noch kürzer wirkte als sie ohnehin war.

Tracklist:
OBJECTS OUTLIVE US (23.17)
No Monkey’s Paw
The Buddha Of The Modern Age
Objects: Meanwhile
The Cicerones
Ark
Cosmic Sons Of Toil
No Ghost On The Moor
Heat Death Of The Universe
THE OVERVIEW (18.27)
Perspective
A Beautiful Infinity I
Borrowed Atoms
A Beautiful Infinity II
Infinity Measured In Moments
Permanence
Zu Steven Wilson muss man in Progger-Kreisen eigentlich nichts mehr sagen. Schließlich hat er sich angesichts seiner kompositorischen Fähigkeiten schon seit langem den Ehrentitel ,,Marek Arnold Britanniens“ verdient. Daher voran ein paar Anmerkungen zu seinen Begleitmusikern. Dass SW etwas kapriziös ist, was seine musikalische Begleitung angeht, davon können gestandene Musiker wie Colin Edwin, Nick Beggs oder auch Guthrie Govan ein mehrstimmiges Lied singen. Auf „The Overview“ hat er trotz vielfältigem persönlichen Einsatz an einer Vielzahl von Instrumenten wiederum handverlesene Musiker an Bord, darunter Keyboarder Adam Holzmann, dessen Sohn Russell als Drummer im ersten Teil, Craig Blundell im zweiten Teil und dem in Progger-Kreisen nicht gänzlich unbekannten amerikanischen Gitarristen Randy McStine. Für Saxophon und Flöte ist Theo Travis zuständig und Sprechpassagen steuert Wilsons Ehefrau Rotem bei. Dass Mr. Wilson dabei aber alle Fäden in der Hand behält bis hin zu den Handclaps, versteht sich wie immer von selbst.
Bei „The Overview“ handelt es sich um ein Konzeptalbum. Und wenn Wilson ein Konzeptalbum vorlegt, dann handelt es sich um ein durchgängiges Konzept, das nicht erst mit der ersten Umdrehung des Silberlings oder der Schwarzrille beginnt. Er will den Hörer diesmal ins Weltall entführen und ihm das sich dort einstellende Gefühl vermitteln, wie klein doch die Menschen und ihre Probleme im Angesicht der Unendlichkeit sind. Das beginnt mit dem Cover, das minimalistisch gestaltet ist, nichts lenkt von der kosmischen Botschaft ab. Der musikalische Teil des Konzepts besteht aus gerade einmal zwei Stücken mit einer Laufzeit von 23 („Objects Outlive Us“) bzw. 18 Minuten („The Overview“). Diese beiden Stücke sind unterteilt in acht bzw. sechs Kapitel, die in ihrer Gesamtheit auf die Botschaft fokussiert, trotzdem aber völlig unterschiedlich sind und nichts weniger darstellen als eine Werkschau des Schaffens des Steven Wilson seit Anbeginn von Porcupine Tree an. Da gibt es psychedelisch-spacige Passagen („No Monkey’s Paw“), Erinnerungen an „Hand.Cannot.Erase.“ („Objects: Meanwhile“) und selbst Anklänge an die von der Kritik zerrissenen Alben „To The Bone“ („A Beautiful Infinity I“) sowie „The Future Bites“ („Perspective“) finden sich hier, die wunderbar funktionieren. Auch wenn die Übergänge mitunter halsbrecherisch sind (zum Beispiel in „Objects: Meanwhile“), so passt doch alles zusammen, folgt einem einheitlichen Ziel. Nichts geschieht hier zufällig, alles hat Sinn und Verstand. Ist „Objects Outlive Us“ noch der düsterere Part (bis hin zum elektronischen Gegenstück des Demutstons einer Kirchenorgel am Ende des abschließenden Kapitels „Heat Death Of The Universe“), so klingt das zweite Stück „The Overview“ optimistischer bis hin zur Verwendung einer Ukulele in „Infinity Measured In Moments“. In diesem zweiten Stück hat auch Rotem Wilson einen prominenten Einsatz dadurch, dass sie nach Größe sortierte Himmelsobjekte sowohl in „Perspective“ als auch in „Infinity Measured In Moments“ vorträgt, allerdings in gänzlich unterschiedlicher musikalischer Begleitung.

Das Klangbild ist so brillant, der Aufbau der Stücke so durchdacht, wie es Steven Wilson keiner nachmacht und schon gar nicht vor. Er entführt uns textlich und musikalisch auf eine Ebene, von der aus zu erkennen ist, wie klein und unbedeutend die Erde und wie nützlich eine gute Marketing-Strategie ist. Ja, er schon wieder. Und das ist gut so!
Im Fazit ist „The Overview“ ein Gesamtkunstwerk, das im Idealfall über Kopfhörer erlebt wird. Es reiht sich ein in eine lange Kette von PT- und SW-Alben, die, egal, welcher Stilrichtung sie folgen und unter welchem Namen sie erscheinen, doch immer nur Steven Wilson-Musik zelebrieren. Und das ist sehr, sehr viel.