Dream Theater befinden sich derzeit am Ende ihrer ersten großen Tournee, die die Wiederaufnahme ihres Gründungsmitglieds Mike Portnoy markiert. Oder sind sie doch erst in der Mitte? Weitere Konzerte in den USA sind für den Herbst angekündigt, und auf der Bühne verkünden sie heute, im Frühjahr 2026 wiederkommen zu wollen. Diese Ankündigung erfreut das anwesende Publikum natürlich sehr. Eine Bewertung der aktuellen Bandsituation soll heute nicht erfolgen, da sich in den letzten sechs Monaten nicht viel getan hat. Interessierte können dies im Live-Report des Konzertes der Band in Prag vom November 2024 auf den STONE PROG Seiten nachlesen.

Die Parkbühne im Leipziger Clara-Zetkin-Park, der Ort des heutigen Geschehens, liegt mitten im Grünen. Das hektische Stadtleben ist nur einen kurzen Fußweg entfernt. Eingerahmt von kleinen Zweckbauten, die für Merch, Gastronomie oder Toiletten dienen, bietet der Veranstaltungsort Platz für etwa 3.000 Gäste. Die terrassenförmige Anordnung der Stehplätze sorgt dafür, dass auch körperlich kleinere Konzertbesucher von überall alles gut sehen können. Verglichen mit unserem Konzerterlebnis vor etwa einem halben Jahr, bei dem vielleicht viermal so viele Fans zugegen waren, fühlt es sich heute wie ein kleines Clubkonzert im Grünen an.
Pünktlich um halb acht betreten die Jungs die Bühne – am helllichten Sommertag. Keine Projektionen sind vorbereitet, kein orchestrales Medley als Intro, wie auf anderen Bühnen der Tour. Das Bühnenlicht tanzt songdienlich um die Musiker herum; Laserlicht hätte die Show nicht einmal gebraucht. Keine Plänkeleien, alles geht sofort voll zur Sache. Zwischen den Baugerüst-Stangen des Bühnenaufbaus sehen wir nur notdürftig versteckt die Boxen für das Bühnen-Equipment und Verpackungsmüll. All dies erzeugt ein Gefühl eines sehr direkten und hautnahen Konzertes, das uns auf angenehme Weise während der gesamten Show begleiten wird.

Der Opener ist „Night Terror“ vom aktuellen Album „Parasomnia“. Ich hatte erwartet, dass dieses durchaus ordentliche Album nach seiner Veröffentlichung bei den Konzerten 2025 eine größere Bühne bekommt. Aber Pustekuchen! Mit „Midnight Messiah“ schafft es später nur ein zweiter Titel dieses Werkes auf die Setlist. Nun gut, die Tour heißt ja auch „40 Jahre Dream Theater“. Nach dem Opener folgt jedenfalls gleich ein größerer Block an Stücken vom Weltkultur-Album „Scenes From A Memory“, was niemanden mehr ruhig dastehen lässt. Der Funke zum Publikum ist hier schon übergesprungen. Die weitaus meisten Alben in der Geschichte der Band finden heute wieder Berücksichtigung in der Setlist; mit „The Enemy Inside“ ist auch ein Stück aus der Zeit der Band ohne Mike Portnoy dabei. Während des gesamten Konzertes wird abgehottet, gefeiert, mitgesungen und mitgewunken – die Leute sind toll drauf.

Ein Grund hierfür ist auch, dass bei Dream Theater vier der besten ihres Faches an ihren Instrumenten stehen, die sich im Zusammenspiel blind verstehen. Denn das gespielte Material ist (wie eigentlich immer bei dieser Band) hochkomplex, wird aber in Perfektion und Lockerheit dargeboten. Die Jungs haben ganz offensichtlich Spaß am gemeinsamen Musizieren. Es ist für einen Prog-Fan eine Riesenfreude zu beobachten, wie die Finger von John Myung über seine sechs Bass-Saiten tanzen. Als schon im zweiten Song eine dieser Saiten reißt, bringt das niemanden auf der Bühne aus der Ruhe. Der Song wird normal fortgesetzt, der Bass ruhig getauscht und weiter geht die Show.


John Petrucci ist sicher einer der schnellsten Gitarristen des Universums. Über Mike Portnoy ist genug gesagt worden; heute konzentriert er sich auf das Schlagzeugspiel hinter seinem großen Schlagwerk. Klar, er sitzt dort ein bisschen wie auf einem Thron. Er lässt aber (wie in letzter Zeit zumeist) seine Mätzchen als Showman meist sein; erfreut sich eher am Spiel gemeinsam mit seinen Bandkollegen. Die Qualitäten des Genies Jordan Rudess an den Keyboards gehen in der Band zwar immer ein wenig unter und sind besser in seinen Solo-Aufnahmen im Netz zu bestaunen. Heute gibt er aber auch mal den Rocker mit seiner Keytar zwischen John Myung und John Petrucci. Selbst die vieldiskutierte Stimme von James LaBrie, die insbesondere an hohen, lauten Stellen immer wieder Intonationsprobleme offenbart, ist heute okay und hat keinen störenden Moment.

Ein äußerst unterhaltsamer Abend geht schnell zu Ende, ist für ein Dream Theater Konzert mit knapp zwei Stunden inklusive Zugabe aber auch wirklich recht kurz. Befremdlich wirkt es, nach dem Konzert den Blick von der dunkel abgehängten Bühne abzuwenden und in einen noch ordentlich hellen Himmel zu schauen. Das Ende eines Rock-Konzertes im Sommer bei Tageslicht außerhalb eines Festivals hat schon Seltenheitswert. Als Fazit der beiden gesehenen Konzerte in Prag letzten November und heute hier in Leipzig kann man sagen, dass Dream Theater in die Herzen der Prog-Gemeinde zurückgekehrt ist. Die unterkühlte Zeit der 2010er Jahre ist vergessen. Offenbar hat die Band noch viel vor. Wir werden dies mit Freude beobachten.

Setlist:
Night Terror
Strange Déjà Vo
Through My Words
Fatal Tragedy
Panic Attack
The Enemy Inside
Midnight Messiah
A Rite Of Passage
Hollow Years
The Dark Eternal Night
Peruvian Skies
Take The Time
Zugaben:
As I Am
Pull Me Under
