Review: Ayreon – Transitus (VÖ 25.09.2020)

Man kann von Arjen Lucassen halten was man will, aber ein kleines Genie ist er schon. Alle drei bis vier Jahre bringt er unter dem Pseudonym AYREON eine Konzept-Doppel-CD raus, die jeweils inhaltlich und musikalisch wohldurchdacht ist. Alles sehr gefällig im PROG Metal Gewand, so dass man es als geneigter Fan des Genres an ihm eigentlich nicht vorbei kommt. Diese Werke konzipiert er komplett in Eigenregie, spielt die Instrumente (bis auf Schlagzeug) selber ein. Zur Aufhübschung setzt er üblicherweise Gott und die Welt in Bewegung, um bekannte Gastmusiker des Genres zu gewinnen, an seinen Projekten mitzuwirken. So teilen sich in manchen Projekten beispielsweise 10- 20 Sänger das Mikrofon, so dass jede Rolle in der jeweiligen Geschichte durch einen anderen Sänger ausgekleidet wird.

Im vergangenen Jahr erscheint das insgesamt 7. Studio-Werk als AYREON mit dem Namen „Transitus“. Oft bewegt sich Herr Lucassen auf seinen opulenten Werken im Science Fiction Bereich oder im Bereich menschlicher Psyche. Mit „Transitus“ kreiert er etwas anderes, und zwar eine Liebesgeschichte mit Herz-Schmerz, Intrigen, Drama und Tod, aber auch Happy End. Transitus ist dabei die Zwischenwelt zwischen Himmel und Hölle, in der sich zunächst der verstorbene Daniel zurecht finden muss. Das klingt alles etwas hausbacken, ist es vielleicht auch, macht aber durch die geschlossene Geschichte beim Hören richtig Spaß. Man ist wie in einem Film. Im Kopfkino. Oder in einer Rockoper. Oder Grusical. Bezeichnungsmöglichkeiten fallen mir da viele ein.

Auch musikalisch ist einiges anders als auf anderen Alben. Auffällig ist zunächst ein Erzähler, der durch die Szenerie führt. Seit „Into The Electric Castle“ vor über 20 Jahren gab es das auf Studio- Alben nicht mehr. Gearbeitet wird teilweise mit lateinischen Texten, mit pompösen Chor und Bläsern, was die eh schon bestehende Wucht des AYREON Sounds noch steigert. Beim Lesen der Credits überrascht, dass die bisher einzige Konstante, der Drummer Ed Warby, nicht mehr dabei ist, stattdessen sitzt Juan van Emmerloot am Schlagwerk. Herauszuheben ist noch der Keyboarder Joost van den Broek, der Arjen A. Lucassen seit einigen Jahren musikalisch unterstützt, federführend insbesondere bei den sehr aufwändigen Live Produktionen. Mit Ausnahme eines auf dem Album vertretenen tollen Solos von Joe Satriani fanden Weltreisen zum Einsammeln von Musikerberühmtheiten diesmal offenbar nicht statt, die Sänger und Gastmusiker kommen diesmal im Wesentlichen wohl aus dem niederländischen Umfeld von Arjen. Verwendete Streicher und Flöte fallen weniger auf als sonst. Alles klingt mit der Erfahrung früherer Alben etwas kleiner und bescheidener. Aber keineswegs schlechter! Der wuchtige PROG Metal, der eigene Ayreon Sound und die großartigen gesanglichen Leistungen der Sänger*innen in ihren Rollen machen großen Spaß beim Lauschen.

Allerdings ist das CD Layout wirklich schlecht. Gewohnt ist mal seit Jahren, dass AYREON 2CD Editionen in einem schönem Buch, mit einer Bonus Making-of-DVD, mit Texten in fantasievollem Layout versehen sind. Diesmal sind die 2CD lieblos in die Pappe geschoben, werden von einem Poster begleitet geliefert, welches Fotos und Infos zu den Mitwirkenden enthält. Das wars. Texte fehlen, obwohl es gerade hier bei der kompakten Story darauf ankommt. Von der üblichen Bonus DVD ganz zu schweigen. Was hat sich das Management dabei gedacht? Dabei gibt es zum Album sogar ein tolles Comic Buch! Aber nicht mal dieses ist, gesondert im Online Shop zu ordern und inzwischen wohl ausverkauft, mit den Album Texten versehen. Diese müssen gesondert heruntergeladen werden, das wenigstens kostenfrei. Texte in gedruckter Form gibt es wohl nur zu den LP oder im Komplettpaket beim „Ear-Book“ (dieses wird nun wieder ohne die Vinyl ́s angeboten…). Zwar entschuldigt sich der Meister auf einem Video dafür, aber ob es wirklich ein Versehen ist oder gezieltes Marketing zur Forderung des Kaufs der teuren Editionen bleibt an dieser Stelle unbeantwortet.

„Transitus“ besticht vor allem durch seine inhaltliche und musikalische Kompaktheit. Die geschlossene Story des Albums, die wiederkehrenden, sich auf beiden CD ́s wiederholenden Motive fesseln den Hörer an seinen Player und zwingen ihn dazu, das Werk wirklich von Anfang bis Ende durchzuhören. Eben wie einen Film. Mir gefällts. Für Fans von AYREON sowieso ein Muss, Herr Lucassen hat aber unter dem Namen schon bessere Alben veröffentlicht.

Wertung: 7,5 / 10 Punkten (Abzug wegen schlechter CD Edition)

Tracklist Disc 1:

1. Fatum Horrificum

2. Daniels Descent Into Transitus

3. Listen To My Story

4. Two Worlds Now One

5. Talk Of The Town

6. Old Friend

7. Dumb Piece Of Rock

8. Get Out! Now!

9. Seven Days, Seven Nights

Tracklist Disc 2:

1. Condemned Without A Trail

2. Daniel ́s Funeral

3. Hopelessly Slipping Away

4. This Human Eqaution

5. Henry ́s Plot

6. Message From Beyond

7. Daniel ́s Vision

8. She Is Innocent

9. Lavinia ́s Confession

10. Inferno

11. Your Story Is Over!

12. Abby In Transitus

13. The Great Beyond

Recorded, produced and mixed by Arjen Lucassen

All music and lyrics by Arjen Lucassen

Narration written by Arjen Lucassen, Lori Linstruth and Tom Baker

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