Mit dieser Liveproduktion schließt sich sozusagen ein Kreis, der vor ein paar Jahren seinen Anfang genommen hatte. Steve Hogarth traf bei den Aufnahmen zu „Colors Not Found In Nature“ mit Ilsidurs Bane, Nicole Miller, die wiederum zum „In Praise of Folly Sting Quartett“ gehörte. Sie fragte ihn einfach, ob man nicht mal was zusammen machen würde. Steve Hogarth versprach mal darüber nachzudenken. Schon im Frühjahr 2017 bei den Marillion-Weekends in Port Zeland, kam es bei der „Dotcom Album-NIght“ zu einem ersten Auftritt mit dem Quartett. Als „Miss Havisham“ – Idee, begleiteten die 4 Musikerinnen die Band, noch mit Barockkleidern und weißen Perücken bei einigen Stücken. Die Überraschung war gelungen.
Etwas später kam es zum legendären Auftritt in der Royal Albert Hall, wo das Quartett noch mit Sam Morris (French Horn) und Emma Halnan (Flute) ergänzt wurde. Dieser Auftritt war dann der Auslöser für die nächsten Schritte. Die Band war nach dem erfolgreichen Album F.E.A.R. noch nicht bereit für ein neues Album, sodaß ein Übergangsalbum geschaffen wurde. Es wurden Stücke geprüft, wo diese Ansätze mit Orchester dann funktionieren könnten. Michael Hunter, oft als sechstes Bandmitglied bezeichnet, schrieb für mehrere Stücke die Kompositionen neu. Die ersten arbeiten begannen dann im eigenen Studio, später ging man aber ins Real World Studio, wo man Platz für alle hatte und eine gute Zeit verbrachte.
Einige Stücke wie „Beyond You“ und „The Sky Above The Rain wurden etwas radikaler verändert, bei den anderen legte man die Orchstration einfach über die Keyboards und erzeugte eine neue Intensität. Viele Stücke wurden dadurch noch mehr verstärkt und nicht geschmälert. Für die anstehende Tour wurde dann auch relativ viel geprobt, unter anderem in den Parr Street Studios in Liverpool, wo schon das Album „Brave“ finalisiert wurde. Die Tour insgesamt war ein großer Erfolg und die vorliegende Bluray, DVD bzw. CD liefert davon ein beeindruckendes Zeugnis ab.
Auf der Bluray 1 ist das komplette Konzert in der st. David´s Hall in Cardiff, plus „Man of A Thousand Faces“ live aus Paris mit zusätzlichem Chor, sowie „You´re Gone“, „Power“ und „A Collection“ als Bootleg Slideshow zu sehen.
Die Bluray 2 hat das Studio-Album „With Friends from the Orchestra“ als 96 kHz stereo pcm Version, sowie als 96 khz des 5.1 master hd Version. Zusätzlich noch ein gut gemachtes „Making Friends“, eine schöne Dokumentation mit vielen Details. Den Abschluss bildet noch ein Promo-Video von „Estonia“
Beim Konzert selbst gehen sie keine Kompromisse ein, sie haben was zu sagen. Los geht es mit „Gaza“, ein Stück über die Zustände, die Ängste der Menschen die dort leben. Ein sehr ernstes Thema und Marillion schaffen es hier mit voller Wucht das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Unterstützt auch durch gute Videos wird das ganze auch zu einem visuellen Erlebnis. Das nächste Stück „Beyond You“ profitiert von den etwas anderen neuen Arrangements, durch die Streicher im Anfangsteil wirkt das ganze noch voller. „Season End“ für mich ein Highlight des Sets, mochte ich das Stück seit je her schon, aber in dieser Version klingt das alles noch viel dramatischer und geht unter die Haut.
Steve Hogarth nimmt sich vor den Stücken auch Zeit um kurze Episoden, über Begegnungen zu erzählen, woraus dann auch die Song´s entstanden sind. Insbesondere beim nächsten „Estonia“. Für mich wieder ein Song wie gemacht für das Zusammenspiel mit den Orchestermusikern. Vom Album Brave folgte dann „Hollow Man“ eingeleitet von ruhigen Pianopassagen, abwechselnd gespielt von Mark Kelly und Steve Hogarth. Auch das Cello kommt hier besonders gut zur Geltung. Das Album F.E.A.R. war ein überaus erfolgreiches Album und hat, so glaube ich, die Band auch noch einmal auf ein neues Level gehoben. Aus diesem doch sehr politischen Album kam als nächster Song „The New Kings“. Im Zusammenspiel mit den Hintergrundvideos und den zusätzlichen Musikern, kommt dieses Stück Gewaltig und Eindrücklich daher und verdeutlicht auch noch einmal die Position Marillion´s zu diesen Themen in der Welt …
Nach diesem intensiven Song kam mit „The Sky Above The Rain“ eines der Stücke was ja auch einigermaßen verändert wurde, herausragend dabei das Gitarrenspiel von Steve Rothery. Den Abschluss des offiziellen Set´s bildete dann „Separated Out“ oder besser gesagt „Zeparated Out“. Die Version ist auch so eine Erfindung eines Marillions-Weekends, als an einem Abend Titel aus dem Backkatalog der Band von A-Z durchgespielt wurden. Da es keinen Song mit „Z“ gab wurde das Stück um einen „Led Zeppelin“-Mittelteil erweitert. Hier hatten alle Musiker richtig Spaß und es kommt auch so beim Publikum an. Die erste Zugabe dann mit „Ocean Cloud“ und „Fantastic Place“. Wenn Steve Hogarth dann zur zweiten Zugabe mit seinem Cricket Bat erscheint, wissen die meisten schon, jetzt kommt noch einmal so ein episches Stück. „This Strange Engine“ bildet einen großartigen Abschluss auf einen Konzertabend voller Emotionen, großer Spielfreude. Eingefangen wurden die Bilder mit vielen Kameras und auch der Schnitt von Tim Sidewell ist perfekt, ist man doch immer in den entscheidenden Momenten genau an der Stelle wo man sein sollte um nichts zu verpassen. Die Soli und andere Highlights wurden richtig gut eingefangen und in Szene gesetzt. Ich hatte in Essen das Vergnügen die Sache auch Live zu sehen, aber hier hat man das ganze noch einmal in hervorragender Qualität als Erinnerung.
SETLIST:
Gaza
Beyond You
Season’s End
Estonia
Hollow Man
The New Kings The Sky Above the Rain
Separated Out (including excerpt from Kashmir by Led Zeppelin)
Encore 1:
Ocean Cloud
Fantastic Place
Encore 2:
This Strange Engine
Marillion:
Steve Hogarth – Vocals, Guitar, Keyboards, Electronic Xylophone, „Cricket Bat“
Mark Kelly – Keyboards
Ian Moseley – Drums & Percussion
Steve Rothery – Guitars
Pete Trewavas – Bass Guitar, Pedals, Backing Vocals
With „Friends from the Orchestra“:
Sam Morris – French Horn
Emma Halnan – Flute
Nicole Miller – Viola
Maia Frankowski – Violin
Margaret Hermant – Violin
Annemie Osborne – Cello
Und so schliesst sich der Kreis vorerst. Wie in der Dokumentation zu erfahren ist es aber durchaus möglich, das es in der Richtung mal wieder was gibt, sei es auf dem neuen Album, mal bei einem Track oder aber auch noch so ein Album mit einer kleinen Tour. Michael Hunter bedauerte zum Beispiel das es ihm nicht gelungen ist für „Out of this World“ brauchbare Arrangements zu schreiben und es gibt noch viele Stücke die für einen Umbau geeignet sind. Für Marillion war es ein fantastisches Experiment mit sehr viel Spaß und neuen Erfahrungen, wollten sie doch so etwas nie machen … und für die Fans auch ein besonderes Erlebnis „ihre Band“ neu zu entdecken! Für mich eine der richtig guten Neuveröffentlichungen in diesem Jahr!
Wertung: 10/10
Das Album erscheint nach den Racket Records Ausgaben, jetzt am 28.05.2021 über EAR-Music in verschiedenen Varianten, erstmalig auch auf Vinyl, in schwarz und violett, sowie 2 CD, Bluray sowie DVD.