Melanie Mau & Martin Schnella
Melli und Martin eröffnen in regelmäßiger Vertrautheit einen Tag beim ArtRockFestival. Sie sind nicht nur regional bekannt mit ihren eigenen akustischen Interpretationen bekannter Prog und Rock Songs, sondern auch mit eigenen Songs und Stücken z.B. von Martins Projekt “Flaming Row”. Egal, ob sie zu zweit oder zu fünft auftreten, es macht einfach Spaß ihnen zuzuschauen und – zu hören. Diesmal waren die beiden in Begleitung des Drummers Simon Schröder, der inzwischen zumeist bei ihren Auftritten dazu gehört. Spannend und interessant ist sein aufgebautes akustisches kleines Drumset mit Bongos, einem Cajon und Becken. Damit untermalt er entsprechend zart aber eindrucksvoll die Musik von Melli und Martin.
Neben den auf den Punkt stimmenden Duett Gesang der beiden ist Martin ́s akustischer Gitarre zuzuhören immer wieder ein Genuß. Es ist beeindruckend, welche klangliche Breite 6 Saiten ausfüllen und dabei wie ein Orchester klingen können. Mehr noch: man muss schon ein gewaltiges Selbstbewußsein haben, gestandenen Prog Fans einen de facto heiligen Titel wie “And You And I” von Yes in einer derartig eigenen Akustik-Version zu präsentieren, und der kritische Fan stellt fest – es funktioniert, der Song wird nicht plakatiert oder kopiert. Hut ab! Gleiches kann man von den im Set befindlichen Stücken “Selling England by the Pound” von Genesis, “Reasons” von Pain of Salvation oder “Running Up That Hill” von Kate Bush sagen kann. Auch ein Threshold Medley und ein Metallica Song werden präsentiert. Alles ist stimmig mit eigenen Songs gemixt. Also wir freuen uns schon aufs nächste Konzert der beiden!
Smalltape
Nach Vorliegen ihres neuen hochgelobten Albums durfte man auf einen der seltenen Auftritte von Smalltape gespannt sein. Smalltape ist de facto ein Soloprojekt von Philipp Nespital mit ausgewählten Begleitmusikern.
Vor dem ersten Ton handelte sich die Unternehmung leider einen kleinen Minuspunkt mit einem ausufernden Soundcheck ein, der die Zeitschiene der folgenden Bands wieder über den Haufen warf und darin gipfelte, dass nach bereits einer halben Stunde Überziehens des Starts nochmal entspannt für 10 Minuten von der Bühne gegangen wurde. Was folgte war allerdings ein tolles Konzert mit der Präsentation wesentlicher Teile des neuen Albums. Der dezente Einbau jazziger Elemente und Electronica wird nicht von jedem Prog Fan akzeptiert. Das Konzert war musikalisch sehr abwechslungsreich und dynamisch gestaltet. Zu beobachten war, dass das Publikum die von Smalltape aufgebaute Spannung aufnahm: an leisen Stellen gab es keinen Mucks im großen Saal! Bemerkenswert auch der Variable Gesang von Philipp: er baut ein Murmeln bzw. Flüstern genauso kontrolliert ein wie auch mal einen Schrei. Für das besondere auf der Bühne sorgte Omri Abramov am Saxofon und am EWI (Electronic Wind Instrument), einer Art elektronischer Flöte.
Alles in allem kann man das Konzert als perfektes und durchaus beeindruckendes Musikereignis werten, welches die große Musikalität und Variabilität eines Philipp Nespital zeigt und man gespannt sein darf, was die Zukunft für diesen tollen Musiker bringen möge. Am Ende muss allerdings noch die Frage gestellt werden, warum eine deutsche Band auf einem deutschen Festival mit bestimmt 80% deutschen Fans konsequent in Englisch moderieren werden muss. Das aber nur am Rande erwähnt …
Black Banjo
Nach Smalltape gönnten sich einige Festival Gäste eine Pause. Nicht nur wegen dem tollen Vorkonzert. Black Banjo aus Italien präsentierte sich mit eingängigem, aber nie effekthascherisch anmutenden Rock, ich würde es als Southern Rock bezeichnen – wenn man nach einem einfachen Bezugspunkt sucht – aber auf seine eigene Art und Weise. Alex Alessandrini Calisti hat eine fast mühelose Fähigkeit an der Gitarre, Leads aus der Luft zu zupfen, während die andere Instrumentierung, die sie verwenden, immer gut passend für die Stücke ausgewählt ist. Der Großteil der Titel stammt vom erst in diesem Jahr erschienenen Album “Out Of The Skies”, welches nach dem Konzert schnell ausverkauft war. Trotz aller düsteren Themen in den Texten – und davon gibt es einige – überwiegt das Gefühl von Spaß, Freude und Wärme. Zum Beispiel der Song “Miss Daisy”, wird Blackberry Smoke-Fans gefallen und eignet sich perfekt zum Ausrasten. Den meisten waren einige Mitglieder der Band noch aus dem letzten Jahr beim Auftritt mit Andrea Braido bekannt, so zum Beispiel der Bassist Francesco Caporaletti und der Drummer Archelao Macrillo. Den vierer komplettierte an den Tasten Alessio Contorni. Für die drei war es an diesem Tag auch ein Doppelauftritt, begleiteten sie doch am Ende Kee Marcello als Band …
Crea
Crea, eine Band aus Schweden wären jetzt an der Reihe gewesen, leider machte schon am Freitagnachmittag die Runde, das die Band krankheitsbedingt nicht anreisen kann. Wenn zwei der vier Bandmitglieder nicht fit sind macht das auch keinen Sinn.
TNNE
TNNE ist die Abkürzung für “ The No Name Experience”. Kann man sagen der Name ist Programm? Jedenfalls ist für viele auch erfahrene Konzertgänger dies die erste Begegnung mit dieser aus Luxemburg direkt nach Reichenbach angereisten Band. TNNE sind Alex Rucavina (key), Patrick Kiefer (Voc), Cedric Gilis (Git), Gilles Wagner (Dr) und am Bass Mateus Wojda. Präsentiert wurde Musik in klassischen Neo Prog Strukturen mit klaren Melodiebögen, Keyboardteppichen und zurück gemischten Gitarren. Der Sänger Patrick Kiefer ist dabei tragender aber kein expressiver Mittelpunkt des Konzerts. Es wurde überraschend viel neues Material von einem erst zu 70% fertigen und voraussichtlich 2022 erscheinenden Album präsentiert, was überwiegend gut nach vorne ging und das Publikum mit ordentlich Applaus dankbar quittierte.
Im Laufe des Festivals sickerte durch, dass am Vorabend des Auftritts von TNNE die Mutter von Patrick Kiefer gestorben war. Im Konzert war davon nichts zu ahnen. Eine bemerkenswerte Leistung, unter diesen Umständen dieses Konzert durchzuziehen. That ́s Rock ́n ́Roll…
Setlist TNNE:
My Childish Mind – Final Fantasy – Dreaming Awake – Frozen In Time – Behind The Mirrors – Noman´s Land – Wonderland – Eight Weeks – Circles Of Life
Kee Marcello
Der Name des heutigen Headliners mochte vorher vielleicht wenigen bekannt sein. Wenn man allerdings weiß, dass es sich hier um den ab 1987 bei der schwedischen Band EUROPE angestellten Gitarristen handelt, der damals bereits auf großen Bühnen Welthits wie “Carry” oder “The Final Countdown” präsentiert hat, sieht die Sache gleich anders aus. Selbstverständlich wurden diese zwei Stücke als Highlight des Sets gebracht, “The Final Countdown” als Zugabe.
Nach sehr lustigen Gesprächen und gemeinsamen Gesängen mit dem Protagonisten am Vorabend beim Bier im Foyer hatte sich Vorfreude auf ein Rockkonzert ohne Prog aufgetan. Die Band (übrigens mit 3 Musikern der vorher aufgetretenen BLACK BANJO) hatte zwei Jahre vor dem Konzert nicht zusammen gespielt und nur zwei Stunden am Konzerttag gemeinsam geprobt. Kee Marcello und Alessio Contorni warfen sich in der Show die Spaßbälle zu, per Musik und per Wort. Die gehörte Musik kann man als treibenden AOR bezeichnen. Ein Rockshow halt, in der der Frontmann die Show trägt. Anfänglich wollte es Kee aber nicht gelingen, ein zuzuhören gewohntes Publikum aus den Sitzen zu treiben und vor der Bühne zum Abrocken zu bewegen. Vielleicht auch deshalb, weil das Publikum sich erst wieder an Konzerte gewöhnen muss und bereits zwei anstrengende Festivaltage in den Beinen hat.
Egal, der Spaßfunke sprang über. Schon allein wegen der Bühnenpräsenz von Kee und seinem Keyboarder. Letzterer zeigte an seinem Instrument, wie die matschigen 80er Jahre Keyboardsounds oder ein Chorsound nur aus einer Stimme kreiert werden. Auffällig waren verschiedene eigenwillige Cover wie “Amazing Grace”, “Superstition” oder “No Woman No Cry”, die natürlich im 80er Jahre Rocksound gebracht wurden. Ein schöner Abschluss des zweiten Tages, alle verließen nach dem finalem Countdown zufrieden das Neuberinhaus in Richtung ihrer Aftershow Partys oder in Richtung ihrer Betten.
Und morgen lest ihr im dritten Teil mehr über Pond, Crystal Palace, PreHistoric Animals, Ranest Rane und Focus …