Marillion erklimmen mit ihrem neuesten Studiowerk wieder neue Sphären … Wer die britische Band schon länger verfolgt, weiß, das sie sich stetig weiterentwickelt hat, sich nicht, wie andere Bands aus ihrer Anfangsära, auf ihren Lorbeeren ausruht oder gar verstaubt daherkommt. Spätestens nach “Sounds That Can´t Be Made” (2012) und “F.E.A.R.” (2016) haben sie einen neuen frischen Sound kreiert und klingen zeitgemäß, modern und geben sich auch in ihren Texten und Aussagen gesellschaftskritisch, politisch und am Zahn der Zeit. Das ist auch mit ihrem neuen Album “An Hour Before It´s Dark” nicht anders. Das 20. Studioalbum der Band wurde wieder in Peter Gabriel´s “Real World Studios” aufgenommen. Doch während der Vorgänger eher ein düstereres Album war, behandelt dieses neue Output die Pandemie auf eine viel hoffnungsvollere und bereichernde Art und Weise, was zum Schluss führt, dass der Band ein sehr optimistischstes Album gelungen ist.
Schon das erste Stück “Be Hard On Yourself” beginnt mit neun Minuten intensiver, aber schneller Musik. Prägnant die Stimme Steve Hogarths, der unverwechselbare Gesang im Zentrum dieses beeindruckenden Stücks eröffnet das Album schon mal grandios.
“Reprogram The Gene” ist ein kraftvoller Song, bei der die harte, kantige Gitarre und das Schlagzeugspiel den Song vorantreiben, unterstützt von einer scharfen, passenden Basslinie und Keyboards. Steve Rothery hat hier viel Freiraum für sein Gitarrenspiel und Ian Mosley liefert hinter dem Schlagzeug eine absolut großartige Leistung ab. Ab diesem Song bemerkt man eine Linie die sich bis zum Albumende hinzieht. Als nächstes folgt das sehr kurze Instrumental “Only A Kiss”, was sozusagen als Intro in die zweite Single des Albums “Murder Machines” übergeht, ein Song, der in den schwierigen Zeiten von Abriegelung und sozialer Distanzierung erzählt. Steve Hogarth hier wieder mit toller Stimme, besonders beim Refrain des Stückes, und Rotherys Gitarre klingt einfach perfekt.
Für mich steigert sich das Album im zweiten Teil nochmals, als nächstes mit “The Crow and the Nightingale” ein Song der einfach wunderschön fließt und eine nachdenkliche Stimmung erzeugt. Es ist ja durchaus bekannt das Steve Hogarth den Sänger Leonhard Cohen sehr verehrt, und so ist dieser Song auch eine Hommage an ihn. Auch hier darf Steve Rothery wieder mit einem schönen Gitarrensolo brillieren. In einer ähnlichen Stimmung kommt “Sierra Leone” daher mit über 10 Minuten der zweitlängste Track auf diesem Album. Fast schon in Erzählform dargeboten, baut sich das Stück allmählich auf, das Tempo erhöht sich fast unmerklich, bevor wieder Steve Rotherys wundervolle Gitarre ausbricht, begleitet von Hogarths fast sprechendem, aber immer dynamischer werdendem Gesang. Es gibt zwischendrin kleine Pausen, in denen das Stück elegant dahinfließt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht – ein Countdown zum großen Finale auf diesem wirklich schönem Album. Mit dem abschließenden, über 15 minütigem Song “Care”, ist Marillion ein Meisterstück gelungen. Hinreißend, emotional ja fast hymnisch. Alle ziehen noch einmal sämtliche Register ihres Könnens, auch vom Songwriting her ein absoluter Glanzpunkt. Das Album endet mit einer positiven Stimmung und der Song könnte demnächst bei Livekonzerten der Band einen emotionalen Abschluss bilden … schließt man beim hören die Augen … sieht man Steve Hogarth in seiner unnachahmlichen Art auf der Bühne stehen …
Auch wenn das Jahr noch relativ jung ist, Marillion´s “An Hour Before Its Dark” ist für mich schon jetzt eines der Top-Alben 2022!
Bewertung: 9 / 10
Tracklist:
01. Be Hard On Yourself
i. The Tear In The Big Picture
ii. Lust For Luxury
iii. You Can Learn
02. Reprogram The Gene
i. Invincible
ii. Trouble-Free Life
iii. A Cure For Us?
03. Only A Kiss (Instrumental)
04. Murder Machines
05. The Crow And The Nightingale
06. Sierra Leone
i. Chance In A Million
ii. The White Sand
iii. The Diamond
iv. The Blue Warm Air
v. More Than A Treasure
07. Care
i. Maintenance Drugs
ii. An Hour Before It’s Dark
iii. Every Call
iv. Angels On Earth
Marillion:
Mark Kelly – Keyboards
Ian Mosley – Drums
Steve Hogarth – Vocals, Keyboards, Percussion
Pete Trewavas – Bass
Steve Rothery – Guitar