In der italienischen Prog-Szene ist seit den frühen 70er Jahren stets Bewegung, und das bis ins Heute. Prog-Legenden wie PFM oder Banco überraschen immer wieder mit neuen Alben. Sogar Le Orme arbeiten aktuell an neuen Songs. Doch drängen sich zunehmend jüngere Bands und Künstler in die Gehörgänge der Prog liebenden Fangemeinde, wie im vorliegenden Beispiel der venezianische Bassist, Gitarrist und Sänger Alessio Trapella.
Durch seine Arbeit mit Le Orme, den UT New Trolls und der Aldo Tagliapietra Band hat sich Trapella in den vergangenen 10 Jahren einen Namen in der Prog-Szene gemacht. Nun legt er mit La ricerca dell’imferfezione (Die Suche nach der Unvollkommenheit) sein erstes Solo-Album vor. Dabei setzte er sich den Anspruch, ehrliche und authentische Songs zu produzieren, ohne dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Trapella ist davon überzeugt, dass der emotionale Erfolg eines Songs auf die Komposition und ihre Ausführung zurückzuführen ist, also auf die Art und Weise, wie er eingespielt wird.
Beim ersten Hördurchlauf wirkten die Songs wie ungeschliffene Diamanten auf mich. Ihre Komplexität und Schönheit erschlossen sich mir erst nach und nach. Und gerade das finde ich spannend. Für dieses Album muss man sich Zeit nehmen, um das Potenzial der Songs zu erkennen. Alle zehn Kompositionen stammen von Trapella. Kompositorisch kommt seine klassische Ausbildung zum Tragen und die Wahl unterschiedlichster Instrumente sorgt für angenehme Abwechslung.
Alessio Trapella, der auf dem Album singt, Mundharmonika, Blockflöte, Gitarre, E- und Kontra-Bass spielt, hatte bei den Aufnahmen versierte Musiker an seiner Seite. Ares Savioli (Hammond-Orgel, Clavinet, Klavier, Synthesizer und Gitarre), Luca Chiari (elektrische und akustische Gitarren) sowie Gianluca Raisi (Schlagzeug) verfügen über hohes Können. Das simultane Einspielen der Stücke verleiht ihnen eine gewisse Rauheit und Ehrlichkeit. Die Verwendung diverser akustischer Instrumente und analoger Technik verleiht den Stücken Originalität. Da macht es dann auch nichts, wenn der Mini-Moog mal in der Tonhöhe schwankt.
Musikalisch bewegt sich Trapella zwischen Rock, Prog und Jazz sowie in der Tradition italienischer Cantautori. Die Texte, zur Hälfte von ihm verfasst, zur anderen Hälfte von seiner Lebensgefährtin Giulia Alessio, sind meist sehr poetisch. Es sind Geschichten aus dem Leben als Musiker, von Menschen im Hier und Heute, über Behördenwillkür oder einfach nur über die Liebe. Bei dem äußerst swingenden Stück Ti cat tachi i tachi, geschrieben in einer venezianischen Mundart, scheint er über Katzen zu singen.
Mit seinen Songs, die von Kraft und Klarheit strotzen, gibt Alessio Trapella einen Einblick in seine musikalische und gedankliche Welt, die es Spaß macht zu ergründen. Er erschafft mit seinem eindringlichen Gesang und den oft schönen Melodien einen eigenen Stil, der mich zunehmend fasziniert. Oft wird mehrstimmig gesungen. Bei Al fratello mai nato entwickelt Trapella aus der sanften, mehrstimmigen Melodie gar einen Kanon. Doch vorrangig sind es sein kraftvoller Gesang und die interessanten Arrangements, die seine Songs authentisch machen. Empfehlenswert!
Tracklist:
Sonata 461
Freeda
Al fratello mai nato
Bando
Euridice a Milano
Silenzio azzurro
Un amaro
L’uomo col cuore in mano
Ti cat tachi i tachi
.Regredendo
Musiker:
Alessio Trapella – Gesang, E- und Kontra-Bass, Mundharmonika, Blockflöte, Gitarre
Ares Savioli – Hammond-Orgel, Clavinet, Klavier, Synthesizer und Gitarre
Luca Chiari – E- und Akustik- Gitarre
Gianluca Raisi – Schlagzeug