Interview: Ruby Dawn – In der richtigen Schublade?

Das Debüt von Ruby Dawn  “Beyond Tomorrow“ bekam zwar speziell in ihrer englischen Heimat sehr gute Kritiken, wurde aber hierzulande nicht wirklich beachtet. Was angesichts der Musik wirklich schade ist, wenn man auch durchaus diskutieren kann, ob das denn überhaupt noch Prog ist. Wer es also schräg oder hart möchte, der wird hier vermutlich falsch sein, auch Retro trifft es nicht. Am Ende des Tages sind Schubladen eh egal, Hauptsache, die Musik ist gut. Und das ist sie definitiv. Renald Mienert sprach mit Sängerin und Keyboarderin Carola Bear und dem Gitarristen Dave Salsbury.  

Euer Album Debüt erschien im April 2023, ihr seid aber durchaus erfahrene Musiker. Erzählt doch etwas zur Bandgeschichte!

Carola Bear: Dave und ich waren beide Mitglieder von „Quiet Wish“.  Am Ende waren wie zu viert und die Band bestand etwa vier Jahre. Zunächst lief es ganz gut, aber aus unterschiedlichen Gründen  – auf die wir hier nicht näher eingehen müssen –  zerbrach „Quiet Wish“ dann kurz vor Covid.  Ich glaube im Mai 2019 hatten wir unseren letzten Auftritt.  Ich hatte damals sehr viel Material und schreibe generell sehr viel.  Ich habe ein paar Solosachen gemacht aber Ende des Jahrs wollte ich eine  neue Band gründen. Aber wir hatten die Pandemie und es was so gut wie nicht möglich. Noch vor dem Ende des Lockdowns nahmen Dave und ich wieder Kontakt auf.  Als dann die Einschränkungen wegfielen, hatten wir eine ersten Drummer und Bassisten gefunden, aber die Rhythmussektion hat nicht wirklich gepasst. Ich muss mich wirklich bei Dave bedanken, dass er bei der Stange geblieben ist. Wir haben eine Menge Musiker probiert  und  haben dann zunächst unseren Bassisten Ian Turner gefunden. Er verfügte über die nötigen Kenntnisse und einen Proberaum, dann haben wir noch etwa fünf Drummer getestet, bis wir auch Adam Perry im Boot hatten. Und als wir dann eine solide Rhythmussektion hatten, passierten die Dinge eigentlich recht schnell. Und ich bin so froh darüber. Wenn es eine Band gibt, von der ich schon immer geträumt habe, dann diese. Jeder ist committed, jeder leistet seinen Beitrag.

Das Album enthält 12 Tracks, aber es sind nicht alle neu?

Carola: Etwa die Hälfte der Songs auf dem Album stammen noch von „Quite Wish“, der Rest ist neu entstanden oder stammt aus meiner Vergangenheit.

Dave: Besonders von dem neuen Material sind wir sehr begeistert.  Ian und Adam machen einen großen Unterschied aus. Aber ohne das Ende von Corona wäre das nicht geschehen.

Als Referenzen werden Bands wie Massive Attack, Porcupine Tree oder auch Pink Floyd genannt. Mit den  beiden letzten werden in der Szene Bands natürlich oft verglichen. Massive Attack kommen aus dem Trip Hop und kommen als Referenz  eher selten vor, auf der anderen Seite haben Archive auch durchaus Trip Hop Wurzeln.

Carola: Ich liebe diese Techno Grooves von Massive Attack.  Mit Pink Floyd bin ich aufgewachsen. Du hörst diese Musik und bleibst bei ihr und du bleibst und bleibst. Wir laufen unter dem Genre  Prog, aber ich mag diese überkomplexe Musik nicht. Für mich muss die Musik dich an einen Ort bringen, du bleibst an diesem Ort und wächst mit der Musik. Es gibt dieses Auf und Ab, aber nicht zu hektisch. Ich mag dieses hypnotische, emotionale.  Ich bin nicht der größte Fan davon wenn Leute sagen, die klingst wie der oder der. Wenn ich Musik schreibe, versuche ich ja nicht, wie eine andere Band zu klingen. Meine  Musik ist dann sehr inspiriert von dem Proben mit den anderen Bandmitgliedern, das ist so eine Art gegenseitiges Befruchten.  Es entstehen dann Improvisationen von bis zu 20 Minuten, ohne richtigen Text. Das höre ich mir dann an und daraus entstehen die Songs. Ich sage oft, der Song schreibt sich selbst.

Die Texte für die Band stammen alle von Carola.

Carola: Ich widme den Texten viel Zeit, sie sind für mich sehr wichtig. Ich schreibe immerhin schon etwa vierzig Jahre. Ich schreibe über nichts spezifisches, nach dem Motto ein Song über den Ersten Weltkrieg, einen über den Zweiten oder über diese und jene Person. Ich schreibe über Beziehungen, aber über jede Art von Beziehung.  Über die Beziehung zwischen deiner guten und schlechten Seite, um Dinge wie Vater – Sohn, Mann – Frau oder auch die Beziehung zu Gott oder der Menschheit zur Natur. Der Grundgedanke von „Beyond Tomorrow“ ist, das ist was wir haben, können wir etwas tun, um es besser zu machen, um uns vorwärts zu bringen.

Neben dem Gesang von Carola sind besonders die Gitarrensoli von Dave typisch für eure Musik.

Dave: Vielleicht sind sie etwas zu lang. (lacht) Die Arbeit Im Studio ist  sehr schwierig. Du kannst stundenlang an einem Gitarrensolo arbeiten, und es will einfach  nicht passen. Auf der Bühne, wenn du im Flow bist, dann spielst du einfach, du denkst nicht großartig nach.

Carola: Ich denke, unsere Band ist Live besser als im Studio. Wir geben uns gegenseitig Energie. Dave ist live unglaublich, wenn er das Publikum spürt, dann spielt er wundervolle Soli.

Obwohl euer Album schon im April des letzten Jahres erschien, startete die Promotion erst deutlich später. 

Carola: Da sind wir einfach noch nicht richtig organisiert. Wir haben das Album einfach an ein paar Leute geschickt, die wir kannten. Ich bin zwar eine erfahrene Musikerin, aber in Sachen Publicity habe ich keine. 

Dave: Es war eine Art Mundpropaganda.

Carola: Ich habe auch ein paar Plattenfirmen gegoogelt und angeschrieben, aber nichts gehört. Aber noch wichtiger sind Gigs. Es ist ja heute fast unmöglich, einen Auftritt zu bekommen. Als ob keiner mehr an Liveauftritten Interesse hätte.

Carola ist der Chef im Ring, richtig?

Carola: Aus meiner Sicht sind wir demokratisch. Ich meine, ich schreibe die Texte und die Songs, aber die Musik entsteht ja oft wie schon gesagt aus den gemeinsamen Sessions. Und ich präsentiere dann, was aus diesen Jams entstanden ist. Ich brauche die Band und wenn es um Konzerte, Aufnahmen oder den Mix geht, dann müssen auch die anderen einverstanden sein.

Dave: Was die Musik angeht, ist jeder involviert. Die Texte sind komplett Carolas Sache. Natürlich ist sie die Bandleaderin, aber dennoch sind wir sehr demokratisch.

Ich schalte jetzt mal die Kopfhörer von Carola aus und dann sehen wir, was Dave wirklich denkt! (Gelächter)

Ihr arbeitet mittlerweile an einem neuen Album und habt gerade mit „Alice Come Home“  die erste Single veröffentlicht.

Carola: Tatsächlich sind wir schon ziemlich weit. Das Album soll „White Rabbit“ heißen und wird wieder eine Mischung als altem und neuem  Material sein. Von der Vision  und den Texten ist es so stark! Wir brauchen noch einen Upbeat – Rocksong. Ich habe mit dem Bassisten gesprochen, und er war der Meinung, wenn wir konzentriert an dem Material arbeiten, könnten wir im Mai etwas veröffentlichen.  Es sollen nicht zwölf, sondern zehn Stücke enthalten sein.

Dave: Das Album wird etwas kürzer als „Beyond Tomorrow“ ausfallen.  Das erste Album war eine Art Zusammenstellung der besten Stücke, die wir bis dato hatten, inklusive überarbeitetem älteren Material. Der Nachfolger wird prägnanter sein.

Wir freuen uns darauf!

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