Festivaltipp: 40.Finkenbach-Festival 2024

Es ist wieder soweit. In das verträumte, sonst ruhige Dorf in dem der idyllische Finkenbach seinen natürlichen Weg Richtung Neckar sucht, strömen nun wieder zum nunmehr 40. mal die Hippies zum 2-tägigen Finkenbach-Open-Air. Für die circa 500 Dorfbewohner ist es schon seit Jahrzehnten auch das „Guru-Feschd“, aber auch hier haben die vergangenen Jahre einige Änderungen gebracht. Wie immer wird die Hälfte der Finkenbacher wochenlang wieder wie gewohnt intensiv mit den mannigfaltigen Vorbereitungen zum Hippie-Dorf-Festival beschäftigt sein. Zwischen den ursprünglich Feuerwehr-Festen Ende der 60er bis hin zu den diesjährigen wieder mal größten Kraut-Rock-Festtagen in Europa liegen wie schon gesagt fast 50 Jahre deutsche Musik-Geschichte. Immerhin 39-mal Finkenbach-Festival mit hunderten von renommierten Bands aus dem deutschsprachigen Raum und der ganzen Welt. Das Festival-Kollektiv in Finkenbach lädt diesmal stolz zum vierzigsten Finki ein. Das traditionell 2-tägige Programm Freitag und Samstag kann sich wieder einmal sehen und hören lassen. Die Bandbreite geht von mehreren Krautrock-Urgesteinen über Blues-Superstars bis zu den jungen Wilden aus ganz Europa. Ich sage gleich deutlich zu dieser Wundertüte: 1. Ich war schon mehrmals bei den wunderbaren Bürgern im Dorf Finkenbach gerne zu Gast. Die durchweg positiven Erlebnisse würden sicher ein ganzes Buch füllen und dazu gehört auch eine Tandemfahrt Reise-Mobil hinter einem historischen Traktor. 2. Ich habe alle Bands schon mehrmals hautnah erlebt und sage euch, hier wird die Bühne brennen und die Freiwillige Feuerwehr wird 2024 einiges zu tun haben, die Glutnester im gesamten Festivalbereich zu löschen.

Allein die Bröselmaschine von Deutschlands Gitarrenlehrer Nummer Uno und Sympathie-Guru Peter Bursch (oben 2018 am Herzberg Festival) und die Dortmunder Twin-Gitarren-Legende Epitaph sind zur Eröffnung schon zwei Hauptattraktionen, die ein 2-Tage-Festival mit genug musikalischen Glanz überziehen und einen Besuch absolut rechtfertigen würden. Mal sehen wen Pädda für seinen Auftritt der Band aus dem östlichen Ruhrgebiet auf die Sportplatz-Bühne lockt. Ich spekuliere hier nicht, denn das Personal wechselt schon mal, aber es ist immer auf Top-Niveau.

Bröselmaschine | Peter Bursch

Epitaph hat zuletzt 2022 meine Wege mehrmals gekreuzt und mit ihrem klassischen harten, dennoch melodischen Rock jedes Mal das Publikum und auch mich in rockige Ektase versetzt. Die vier Rocker Bernd, Cliff, Heinz und Jim, alle wie ich im hohen Rentenalter, werden erneut souverän mit 16 Gitarren-Saiten und Trommel-Arsenal jeder jüngeren Band zeigen wie voluminöser Rock seit über 55 Jahre klingen muss. Die dagegen recht junge, aber trotzdem inzwischen sehr erfahrene, schwedische Mannschaft von Siena Root haben mit Zubaida Solid aktuell eine neue Tastendame an Bord und die passt wunderbar zum meist dreiköpfigen Männer-Club. Sie passen nahtlos zu den klassischen Gitarren-Rockern vorher. Die Wasa-Wikinger werden vielleicht erneut das Feuer auf der Orgel entfachen, aber ganz sicher das passende Abend-Programm liefern und eine gekonnte Vorlage auf die letzte Band des Freitags spielen. Und mit dem Rock-Quartett Naxatras, um Gitarrist John Delias aus Thessaloniki 2012 gegründet, werden die Besucher wie gewohnt mit psychedelischen Klängen in die späte Nacht begleitet und wenn das Wetter wieder mitspielt steht einer Hippie-Party nichts im Weg. Kompliment an den Veranstalter mit einem zeitgemäßen Ablauf für die Senioren und die junge Generation. Hier ist der Spagat zwischen den Generationen gut gelungen. Wie oft stand ich in einer Traube von jungen Leuten, wie schön waren diese Momente mit gemeinsamen Feiern.

Epitaph | Clive, Bernd & Heinz (links) Siena Root | Zubaida Solid (mitte) Naxatras | John Delias (rechts)

Wer dann am nächsten frühen Nachmittag hoffentlich wieder einigermaßen fit ist, den erwartet ein buntes sechsteiliges Voll-Programm. Das wird von den psychedelischen Krautrockern Lucid Void aus dem Raum Darmstadt-Aschaffenburg eröffnet und wird damit sofort nahtlos und druckvoll an die vorherige Musik-Nacht anknüpfen. Sie stellen ihr letztes Jahr veröffentlichtes selbstbetiteltes Album live vor. Sehr spannend und für mich wieder ein Leckerbissen. Danach eine Band die zum Finkenbach Festival passt wie die Faust auf das besagte Auge. Was habe ich nicht schon für „Crazy Diamonds“ am Finki auftreten und abliefern gesehen. Die verrückten Männer und Frauen um den renommierten Singer-Songwriter Uri Brauner Kinrot aus Tel Aviv zelebrieren eine einzigartige Klang-Mischung aus Ost trifft West. Ouzo Bazooka, bereits 2013 gegründet, haben inzwischen fünf Alben (zuletzt 2021 »Dalya«) veröffentlicht und wie das Svenske-Team Siena Root gefühlt alle renommierten Festivals in Europa mehrmals bespielt. Aber in beiden Fällen bekommen die Bands und Fans nicht genug voneinander. Gut so, denn dadurch haben wir auch wieder mal das Vergnügen zusammen mit diesen lebensfrohen Schweden und Israelis zu feiern. Und das letzte Drittel des Festivals steht im Zeichen des Blues in allen Facetten. Zuerst einmal Klassisch mit der Hamburg Blues Band, seit Jahrzehnten ein Aushängeschild der deutschen Blues-Szene. Letztes Jahr hatte ich das Vergnügen diese Star-Band mit einem Dutzend Gästen erleben zu dürfen, unter anderem mit komplett Colosseum, Stoppok, Inga Rumpf und vielen mehr. Diesmal bringt Leitwolf Gert Lange seinen Freund und unverwüstlichen Blues-Muezzin Chris Farlowe mit. Weitere Gäste sind aber bei der Hamburg Blues Band nicht ausgeschlossen. Auch Kraan um die wiedergenesene Bass-Legende Hellmut Hattler hat immer bluesiges Futter im Gepäck, aber nicht nur das. Ich liebe diese schwer charakterisierbare Musik von Kraan seit Anfang der 70er, bin immer wieder überrascht was der gebürtige Ulmer Weltklasse-Basser aus seinem Hut oder besser Baseball-Kappe zaubert. Ich freue mich immer wieder, egal welches Programm Tiefton-Hellmut mitbringt auf diese Formation und bin sehr sicher, dass Kraan mit präzisen Gitarren-Läufen, blinden Zusammenspiel und niveauvollem Musikstücken das Publikum hier beim Jubiläums-Finki begeistern wird. Ab jetzt wird das Lebensalter der Musiker jünger.

Helmut Hattler (links) | Ouzo Bazooka (rechts)

Und wer nun denkt, nach der Stil-Melange des Premium-Krautrock-Trio Kraan wird der Druck im Kessel vielleicht sinken, der wird auf die falsche Band gesetzt haben. Mir fallen spontan viele Power-Trios ein, da denke ich sofort an dutzende großartige dreiköpfige Bands die ich in fast 60 Jahren selbst erlebt habe. Aber Rory Gallagher und Jimi Hendrix Experience kommen diesem jungen niederländischen Kracher DeWolff, bestehend aus den Brüdern Luka (Schlagzeug) und Pablo van de Poel (Gitarre) sowie Robin Piso (Keyboards), mit einer gemeinsamen Schnittmenge aus beiden vorher erwähnten Trios am nähersten. Deren Musik verleugnet nicht die starken Wurzeln zum Traditionellen, ist druckvoll, zeitgemäß, mitreißend. Hier schon der Hinweis an die Finkenbacher Feuerwehr, gut aufpassen und viel Löschmaterial bereithalten. Spätestens wenn Pablo während eines ekstatischen Gitarrenspiels auf die Orgel von Robin springt wird hier auf dem Sportplatz die Bude brennen. Ich habe die drei jungen sympathischen Musiker zum ersten Mal 2017 hier in Finkenbach erlebt, für mich unvergesslich bis heute. Mit Luka hatte ich zuletzt abseits der Hektik 2023 bei einem anderen sehr großen Hippiefest ein interessantes Gespräch.

DeWolff | Robin | Pablo | Luka

Und weiter geht es mit bluesigen Alternativ-Rock aus deutschen Landen, die Detroit Blackbirds von Alex Auer bestreiten wie 2019 (ich berichtete darüber) den Abschluss dieses Festivals. Alex ist seit Anfang der 90er Gitarrist und Sänger in verschiedenen Projekten, seit Ende 2001 auch der Gitarrist bei Xavier Naidoo und mit »Much Better« hat der Routinier das ekstatische Debüt des erfahrenen Quartetts Detroit Blackbirds im Gepäck. Es wird 2024 wieder vielfältig, international, magisch und laut im Tal des Finkenbachs. Und es wird sicher auch wieder gemütlich und unvergesslich. Für alle die eine sehr weite Anreise scheuen und sich deshalb diesen Leckerbissen entgehen lassen wollen oder müssen, wir werden vom „Finki-Feschd“ berichten, das ist absolut sicher. Schon jetzt, wir freue uns, euch alle in Finkenbach im Odenwald zu treffen !!

Please follow and like us:
Facebook
Instagram
TWITTER
Copyright © 2024 | STONE PROG | Die Welt des Progressive Rock