Livereport: Art Rock Festival Reichenbach 2024 Tag 2 – Samstag 06.04.

Heute lest ihr vom zweiten Festivaltag. Die Eindrücke vom Freitag sind verarbeitet und nachdem sich jeder auf seine Weise für etwa 12 Stunden erholen konnte, geht es pünktlich mittags um eins mit den dänischen Prog Metallern von Manticora weiter.

Manticora

Vorsicht ist geboten, denn mit der ebenfalls im Metal Bereich beheimateten US-Band Manticore  möchte man nicht verwechselt werden. Jedenfalls gab es bei der Vorbereitung auf das Festival wegen kleinen Schreibfehlern hier und da Irritationen. Wie auch immer, hier werden jedenfalls gleich mal früh die Ohren richtig durchgeblasen.

Zwei Gitarren auf der Bühne, keine Keyboards, kompromißlos und voll auf die Zwölf. Nicht jedem Art Rock Fan gefällt dies, haben wir hier auch mehr Metal als Art Rock. Wie auch immer, die Band macht los, der Sänger post was das Zeug hält – eine Freude für die wieder zahlreich anwesenden Fotografen. Nach dem Konzert geht es im Foyer weiter locker und lustig zu,  denn MANTICORA nimmt sich für die Interessenten am persönlichen Kontakt viel Zeit. Fazit: passt, hat Spaß gemacht.

Setlist Manticora:

Intro / Necropolitans
Golem Sapiens
Tjajkovskiy Intro
Echoes Of A Silent Scream
Mycelium
Beast Of The Fall
A Long Farewell
Disciples Of The Entities
Slaughter In The Desert Room
Dia De Los Muertos

Lesoir

Nachdem wir draußen etwas von der in dieser Festivaledition warmen und üppigen Sonne getankt haben, begrüßen uns LESOIR mit einer völlig anderen Klangfarbe. Ihre melodische, eigene, manchmal durchaus auch zupackende Musik zwingt den Art Rock Fan zum Zuhören. Das Ganze kommt über die zwei Frontfrauen Maartje Meessen (voc, fl, piano) und Eleen Bartholomeus (voc, git, keyb) auch noch sehr sympathisch rüber.

Die beiden Damen wechseln ständig an ihren Instrumenten und sind so wesentlich mit für den variablen und dynamischen Klang bei LESOIR verantwortlich. Art-Rock wie er sein soll! Überraschend war auch, dass zwei musikalisch unterschiedliche Instrumentals im Set enthalten sind. Auf die Frage hin warum sie ihren meisterlichen 20 Min Longtrack „Babel“ (2022 auf  EP erschienen) nicht komplett präsentierten, meinte Maartje Meessen nach der Show „Die enthaltenen Streicher-Sequenzen wollen wir nicht vom Band präsentieren, und so haben wir nur einen Auszug von „Babel“ gespielt“.

Die umtriebigen Niederländer stehen gerade mit dem neuen Album „Push Back The Horizon“ in den Startlöchern, welches im September 2024 veröffentlicht wird. Ganze 5 Stücke von diesem noch unveröffentlichten Album werden heute dargeboten! Der Auftritt kommt richtig an und wird vom Publikum gefeiert, was gemäß Äußerungen von LESOIR in sozialen Medien die lange Anreise absolut wert war.

Setlist Lesoir:

Push Back The Horizon
Mosaic
You Are The World
Somebody Like You
Thick Skin
AEON
Babel New Life / Babel The Warning (Part 3 und 4)
Dystopia
Is This It?
The Drawer
Fireflies
As Long As Your Girls Smile
Tables Turned
Going Home
Two Faces

Trettioariga Kriget

Die Festivalzeit vergeht wie im Flug. Vertieft in Fachsimpeleien im Foyer vergessen wir, dass es ja schon weiter geht. Wir vernehmen angenehme und kräftige Klänge und finden eine schöne Runde älterer Herren auf der Bühne musizieren. Die schwedische Band mit dem für deutsche Münder beinahe unaussprechlichen Namen Trettioaria Kriget ist selbst den anwesenden Fachleuten des Prog nahezu unbekannt.

Wir staunen über die Anmoderation des Frontmannes Robert Zima nach dem ersten Stück, dass die Band von Schulfreunden 1971 gegründet wurde, von denen hier drei auf der Bühne stehen, und dass die Band in der heutigen Besetzung unverändert seit 1977 zusammen spielt. Wir haben hier eine klassische Band des schier unerschöpflichen Fundusses schwedischen Progs vor uns, und das erstaunt und erfreut uns in nicht unerheblichem Maße. Warum sie sich damals den Namen „Dreißigjähriger Krieg“ gaben, bleibt uns aber hier ein Geheimnis, kriegerische Songtitel und Albumnahmen durchziehen auch die gesamte lange Bandhistorie.

Sie sind bis heute aktiv, das letzte Album der Herren namens „till horisonten“ ist von 2021, von dem aber nur zwei Stücke präsentiert wurden. Hut ab und großes Lob mal hier an dieser Stelle an Uwe Treitinger, dass er diese besondere Band für uns gefunden und nach Reichenbach geholt hat. Ist man über Roine Stolt ein wenig mit z.B. den klassischen Kaipa der 70er und 80er vertraut, meint man Parallelen in der Basis heraus zu hören. Vergleichbar ist das Ganze nicht wirklich, denn auf der Bühne wird zugepackt – Kaipa dagegen klingt insgesamt eher getragen. Wie auch immer, ein starker Auftritt, und natürlich musste am Merch wieder Geld investiert werden, um die Nachhaltigkeit des Konzertes für zu Hause zu gewährleisten.

Setlist Trettioariga Kriget:

Lång Historia 
Hej på er
Staden
Brevet
Forgotten Garden
Andra Sidan
Mina Löjen 
Början Och Slutet 
Krissång 
Gnistor 
Ur Djupen

Zugabe:

Basssolo
Kaledoniska

Verbal Delirium

In schwarz gekleidet, ohne große Show und voll fokussiert auf Ihre Musik begrüßt uns die griechische Band VERBAL DELIRIUM aus Piräus. Seit Gründung 1999 werden seit 2007 kontinuierlich Alben veröffentlicht, zuletzt „Conundrum“ 2022. Einmal neu wird das Auditorium zum Zuhören gezwungen.

Natürlich – wir sind ja auf einem Art Rock Festival! Speziell hier geht es unter Anwendung des klassischen Rockmusikinstrumentariums etwas experimenteller zu, man hört klassische Anleihen von King Crimson oder Van Der Graaf Generator oder moderne Anleihen von Porcupine Tree heraus. Die Jungs tun sich schwer, ihre spannende Musik in einem eher statischen Konzert einem Publikum zu präsentieren, die diese vielfach noch nicht kennt. Trotzdem – eine schöne weitere, andere Klangfarbe heute hier im Neuberinhaus.

Setlist Verbal Delirium:

Dancing Generation
In Pieces
Intruders
Conundrum
The Children Of Water
Erased
Neon Eye Cage
Sudden Winter
The Watcher
Time
The Decayed Reflection (A Verbal Delirium)

Von Hertzen Brothers

Schon die Ankündigung dieses Auftrittes vor vielen Monaten wirkte als Sensation unter vielen Fans. Denn die finnische Band, die in ihrem Heimatland Superstarstatus besitzt, spielt nur äußerst selten überhaupt im Ausland und ist extra für uns über die Ostsee angereist.

Reichenbach wird selbst in der Biografie der Brüder (die drei Frontmänner sind tatsächlich Geschwister mit diesem Namen) eine besondere Reise bleiben: es ist der erste „richtige“ Auftritt des neuen Keyboarders Markus Pajakkala, der nur über bisherige bei Akustik-Präsentationen in der Band präsent war. Ihrem Auftritt eilt der Ruf voraus, dass sie ihr Publikum mit  Dynamik, Leben und Schweiß abholen. Dabei sind sie nahbar und interagieren mit dem Publikum. Und die VON HERTZEN BROTHERS liefern genau das. Wegen solchen Shows geht man in Konzerte!

Der Show-Abschluss mit „Peace Patrol“ ist zum Niederknien. Nicht nur weil das Stück eine live-Hymne schlechthin ist, sondern weil nun das Saxofon-Solo vom Album durch den neuen Keyboarder auch live präsentiert und nicht wie in Vergangenheit aushilfsweise als Keyboard Solo gespielt wird. VON HERTZEN BROTHERS verabschieden sich mit „Let Thy Will Be Done“ als Zugabe vom Publikum, dem Titel ihrer Karriere, mit dem sie damals in Finnland 2007 durch die Decke gegangen sind.

Es kommt nicht oft vor, dass die gesamte Stone Prog Redaktion nach einem Konzert voll den Fan mimt, am Merch auf die Band  wartet, mit strahlenden Augen Fotos mit den Jungs macht und sich Autogramme geben läßt. Auch hier geben sich Mikko, Jonne und Kie von Hertzen nahbar, freundlich und kommunikativ. Beseelt nach diesem großartigen Konzert und abschließendem Treffen gehen wir in die Nacht. Besser kann es morgen nicht werden.

Setlist Von Hertzen Brothers:

Day Of Reckoning
Somewhere in the Middle
Frozen Butterflies
Jerusalem
Kiss A Wish
Freedom Fighter
Flowers And Rust
All Of A Sudden, You’re Gone
Sunday Child
New Day Rising
Peace Patrol

Zugabe:

Let Thy Will Be Done

Das waren die Eindrücke vom Samstag. Morgen dann der finale Abschluss des Festivals mit Flamborough Head, Hayley Griffith, Franck Carducci und Alex Carpani sowie einem Fazit der drei Tage in Reichenbach.

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