Auch „Vlyes“ waren schon zu Gast bei unserem Podcast. Aber weil doppelt bekanntlich besser hält, schieben wir nun noch ein Interview nach. Renald sprach mit dem Initiator des Projektes, dem ehemaligen Sylvan-Gitarristen Kay Soehl und dem Sänger Volker Oster.
Wenn man sich das Artwork eures neuen Albums „Why“ anschaut, und sich dann mit dem Thema auseinandersetzt, dann wirkt das alles sehr düster.
Kay: Es stimmt, dass Optik und die Musik eher düster wirken, aber das Album behandelt eben auch ein düsteres Thema. „Why“ ist vordergründig ein Protestalbum gegen die Massentierhaltung, erzählt aus der Perspektive eines Tieres. Ich sage das bewusst vordergründig, weil es auf mehreren Ebenen funktioniert. Im weiteren Sinne geht es darum, dass wir einmal innehalten und uns fragen, warum machen wir bestimmte Dinge eigentlich. Darum heißt das Album ja auch „Why“. Fleischkonsum ist da nur ein Beispiel. Überzogen gesagt, befinden wir uns alle in einer Art Massentierhaltung.
Volker: Ich denke auch, dass „düster“ nicht das richtige Wort ist. Sicherlich wirken die Farbgebung und das Ambiente düster, das ist vielleicht ein Ergebnis dessen, was passieren kann. Aber wir beschreiben kein Szenario, das kommen könnte, sondern eines, das gerade passiert. Und jeder von uns kann da etwas für sich hineininterpretieren und sehen, was er daraus macht. Das Album soll nachdenklich machen und auch die Leute wachrütteln. Natürlich wird vorrangig der Lebensweg eines Tieres in der Massentierhaltung beschrieben, aber das kann auch für alles andere heißen, Konsumverhalten in Sachen Technik oder Zeugs, was kein Mensch braucht. Wenn man sein Verhalten hinterfragt und zu dem Ergebnis kommt, das passt so, dann ist ja alles in Ordnung. Wir wollen nicht die Welt verbessern, aber schon erreichen, dass die Menschen ein klein wenig nachdenken.
Was genau war der Auslöser, sich dieser Thematik zu widmen?
Kay: Die Idee entstand, als ich eine Kabarettsendung schaute. Da wurde behauptet – ob es stimmt weiß ich nicht, ich habe es nicht nachgeprüft – dass ein Bauer als Abgabepreis für ein Schwein aus der Massentierhaltung weniger als zehn Euro bekommt. Ich denke da immer an eine Situation, die ich schon öfter im Supermarkt erlebt habe. Da steht dann ein Typ, der offensichtlich viel Geld hat, den Porsche draußen geparkt und kauft das Fleisch für Ein Euro Neunundneunzig aus dem Angebot. Das finde ich schwierig, das ist für mich kein bewusstes Leben.
Wenn euch der Inhalt der Geschichte so wichtig ist – wie geht ihr denn damit um, dass Leute den Text nicht verstehen oder ihnen nur die Musik wichtig ist?
Kai: Ich mag es, wenn man bestimmte Dinge erst entdeckt, nachdem man ein Album so sieben, acht Mal gehört hat. Und es gibt auf der CD und im Booklet genügend Hinweise darauf, worum es geht. Wenn man das Album bis zum Ende hört, im Epilog wird das besonders deutlich. Und auf dem Cover gibt es ein Graffiti, wenn man das entschlüsselt, weiß man auch, was ich meine.
Volker: Und wenn jemand einfach nur die Musik hört, ohne die Texte zu verstehen und das gefällt ihm, dann ist das natürlich auch ok. Es gibt genügend deutsche Texte, da bin ich mir auch nicht sicher, was der Künstler damit sagen wollte. Wenn jemand die Musik mag und sich mit den Texten beschäftigt, umso besser. Aber vorrangig geht es um die Musik und erst in zweiter Instanz um das, was wir als Künstler damit aussagen wollen.
Kai: „Stairway To Heaven“ ist ein geiler Song, aber ich weiß bis heute nicht, worum es in dem Text geht! Auch bei „Posthumous Silence“ haben die Leute sich viele Gedanken gemacht. Es geht ja um Vater und Tochter, aber der Vater stand für Gott und die Tochter für Mutter Erde. Wir haben das mit Sylvan damals aber nie so deutlich gesagt. Eine Rockoper mit einer klaren Aussage wollte ich nicht machen. Ich habe es viel lieber, wenn der Hörer seine eigene Interpretation daraus macht.
Du hast gesagt, wir sind alle in einer Art Massentierhaltung…
Nehmen wir den Gastarbeiter von vor fünfzig Jahren, der jede Woche sechzig Stunden gearbeitet hat und dann mit sechzig an Lungenkrebs gestorben ist, weil er unter Tage geschuftet hat. Der wurde zwar nicht gefressen, aber es ging um seine Arbeitskraft. Oder nimm heute vor allem diese Berufe wie Krankenschwester oder die in der Krankenpflege, die viel zu schlecht bezahlt werden. Das Album übt Gesellschaftskritik, aber was die Leute darin sehen, ist ja verschieden, weil ja auch die individuellen Umstände komplett unterschiedlich sind. Ich sage immer, wenn ich das Album höre, bin ich der Protagonist.
Euer Album dürfte vor allem Progfans gefallen, entzieht sich aber Schubladen wie Retro – oder Neoprog und verzichtet auf übertriebene Komplexität…
Volker: Ich glaube nicht, dass Musik für diese Schubladen gemacht wird. Viel geiler ist es doch, die Leute sagen, da läuft Musik, die finde ich cool.
Kay: Man hat mein Gitarrenspiel ja auch immer als sehr melodiös beschrieben. Ich hab das so gar nicht wahrgenommen. In den letzten zwei Jahren war ich überrascht, wie viele Leute mich noch kennen. Ich habe im September 2021 mit den Arbeiten zu dem Album angefangen und habe im Prinzip gemacht, was ich auch bei Sylvan gemacht habe, auch wenn ich da nur mitkomponiert habe, Hauptschreiber ist ja mein Bruder. Ich habe hier – mit der Hilfe von Jens natürlich – einfach das gemacht, worauf ich Bock hatte. Musik, wo ich auch bei anderen Bands sage, das ist einfach wunderschön. Ob mir das gelungen ist, müssen andere beurteilen. Ich wollte Melodien, die man mitsingen und mitfühlen kann, ich höre immer wieder, es ist ein sehr emotionales Album. Mich muss alles im Leben emotional abholen, ich bin ein sehr gefühlsbetonter Mensch. Für mich bedeutet progressive Musik die Freiheit zu haben, alles zu tun, was ich möchte. Wenn ich auf dem nächsten Album griechische Folklore möchte, dann mach ich das.
Das Album überzeugt erwartungsgemäß auch mit sehr schöner Gitarrenarbeit, aber man hat nie den Eindruck, die Gitarre stünde generell im Vordergrund.
Kay: Ich habe als Gitarrist nicht so ein überbordendes Selbstbewusstsein, dass ich eine CD veröffentlichen würde, die zur Hälfte aus Gitarrensoli besteht. Mir ist die Botschaft immer wichtig, ich will Menschen emotional berühren. Man kann schon vermuten, wenn der Gitarrist einer Band ein Soloalbum macht, dass dann die Gitarre im Vordergrund steht, aber ich denke, es gibt auf „Why“ nicht mehr Gitarrensoli als damals bei Sylvan. Ich bin zwar Gitarrist, komme aber vom Klavier. Ich habe etwa sechs Jahre wie auch mein Zwillingsbruder Klavier gespielt und bin dann zur Gitarre gewechselt, zunächst zur akustischen. Ich wollte mich dem Konkurrenzdenken entziehen, nach dem Motto, welcher der Zwillinge ist nun besser. Ich hab dann auch immer gesagt, Volker, schön, dass du Klavier spielst, aber ich kann mein Instrument mitnehmen ans Lagerfeuer.
Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Volker: Wir, das sind in dem Fall Jörg, also der Bassist aus unserem Live-Setup, haben Musiker gesucht, Schlagzeuger und Gitarristen. Wir haben sie auch gefunden, aber irgendwie hat es immer nicht funktioniert, sei es nun aus beruflichen Gründen oder sozialen. Einer dieser Musiker war dann Kai. Zunächst wollten wir nur Cover machen, aber dann sagte Kai irgendwann, ich hab da noch was fürs Studio, lasst uns eine CD machen.
Kay: Ich war von meiner Seite ja auch auf der Suche nach Musikern. Ein Jahr zuvor hatte ich ja auch eine Punk – Coverband. Und da bin ich tatsächlich immer noch, auch wenn ich kein Punk mag, aber die Leute sind sehr nett. Ich will da jetzt keine Werbung für machen, viele Progger mögen ja keinen Punk! Aber wir haben zum Beispiel von „Amadeus“ von Falco eine Punkversion gemacht.
Volker: Wenn Kay keine Werbung machen will. Für den Fall, dass ich mal zu einer öffentlichen Probe mitkomme und für ein Freibier: Die Band heißt „Tatort“.
Für viele ist sicher auch der Gesang von Volker ein Highlight des Albums. Hast du dich eigentlich speziell darauf vorbereitet?
Volker: Ich hatte ja mit dem Prog vorher kaum Berührungspunkte. Ich komme eigentlich – na ja, von der Rockmusik! Groß geworden bin ich mit Gospel, dann Grunge und Metal, ich mag auch Liedermacher. Uns so bin ich auch an das Arbeiten an dem Album herangegangen, ich habe einfach so gesungen, wie ich dachte, dass es passt. Ich glaube, ich hab einfach mein Ding gemacht. Natürlich habe ich, als die musikalische Richtung des Albums feststand, auch mehr Musik aus diesem Umfeld gehört, aber das hat nichts an meinem Gesang geändert. Ich glaube nicht, dass mich die Progszene da beeinflusst hat. Ich habe nie versucht zu singen, wie es sich in Anführungsstrichen „für Prog gehört“. Viele Melodien sind im Auto auf dem Weg ins oder vom Studio entstanden. Da ist ein kleines Stück zu fahren und da singt man halt so vor sich hin, die Texte habe ich dann später geschrieben.
Kay: Für einige der Songs existierten auch die Gesangslinien bereits, für die anderen haben wir zusammen gesessen und ich habe ihm erklärt, was in dem Song thematisch passiert. Und was Volker dann aus der Sicht des Sängers daraus gemacht hat, ist auch schon eine erste Interpretation des Albums, die Bilder die er im Kopf hat, sind vermutlich leicht anders, als meine. Aber das ist auch in Ordnung, weil er die Thematik emotional umsetzt. Das geht nur mit einem gewissen Freiraum. Wenn ich alles vorgebe, kann ich Glück haben, aber so wie wir es gemacht haben, ist es mir lieber und ich glaube, auch das Ergebnis ist so besser. Ich hatte tatsächlich ursprünglich vor, das Album selbst zu singen. Vom ersten Song des Albums gibt es auch eine Version, die ich singe, aber die werde ich nie jemandem vorspielen. Ich verstehe Englisch sehr gut, aber meine Aussprache ist eher schlecht. Ich habe extra ein Jahr Gesangsunterricht genommen. Aber es hat sich zu keinem Zeitpunkt natürlich angefühlt, und wenn man den Punkt nicht erreicht, dann macht es keinen Sinn. Ich habe überlegt, mit einer Sängerin zu arbeiten, aber die sind in der Progszene auch schwer zu finden. Als ich dann Volker kennengelernt habe, wusste ich auch noch nicht, ob er der richtige für das Album war. Aber im Studium habe ich – und ich glaube Volker auch – gemerkt, was in ihm steckt, welche Facetten. . Ich bin sehr froh, dass ich Volker gefunden hab und er hat Gigantisches geleistet, aber ich glaube, dass von ihm auch noch ganz viel kommen wird.
Macht ihr eigentlich ein Weitermachen vom Erfolg von „Why“ abhängig?
Volker: Nein!
Kay: Ganz klares Nein! Ich habe die CD nicht gemacht, weil ich kommerziell Erfolg haben will. Das Geld, das ich in das Album gesteckt habe, werde ich nicht wiedersehen. Aber es musste einfach raus, ich habe mir das Album von der Seele geschrieben. Ich habe jetzt schon Ideen für zwei weitere Konzeptalben.
Ich meinte jetzt auch weniger den kommerziellen Erfolg als zum Beispiel Feedback der Fans und der Medien!
Volker: Allein, dass ein Song, auf dem ich singe, weltweit gehört werden kann, ist doch großartig. Und dann kommen Kommentare, wenn auch nur vereinzelt, die sagen, Mensch, ist das toll. Allein das ist doch schon Antrieb für einen Musiker weiterzumachen. Und ich war stolz wie Oskar!
Kay: Auch dann nicht! Aber das ist ja zum Glück nicht der Fall, worüber ich mich sehr freue und was mich sehr stolz macht. Ich habe das Album nicht gemacht, um es mir ins Regal zu stellen. Ich will es unbedingt auch live auf die Bühne bringen. Wenn es nach meinen Träumen ginge, dann gibt man mir hunderttausend Euro in die Hand, ich miete ein großes Theater mit Videos, wo eine Zeichentrickfilm die Geschichte erzählt – die Leute sollen danach nach Hause gehen uns sagen, da muss ich jetzt erst ein paar Tage drüber nachdenken.
Und wie man ja auch auf eurer Webseite nachlesen kann, hast du in einer für dich schwierigen Phase wieder zur Musik zurück gefunden. Und wenn du dich jetzt wieder besser fühlst, dann ist das ja auch schon etwas wert.
Kay: Das stimmt. Ich habe ja zwölf Jahre nichts gemacht und meine letzte Gitarre unterm Gästebett vorgeholt – so steht es ja auch im Pressetext. Aber das hatte eine therapeutische Wirkung für mich.
Auch wenn das mit dem Theater vermutlich ein Traum bleibt, Liveauftritte sind auf alle Fälle in der Pipeline, richtig?
Kay: Am zweiten November ist die Releaseparty im Hamburger Logo. Und eine Woche später mit „Also Eden“ aus Wales im Rind. Wir hoffen, am Tag davor im Bergkeller zu spielen und am Tag danach soll es auch noch ein Konzert geben. Wir suchen dringend einen Schlagzeuger, idealerweise aus Norddeutschland. Wir haben verschiedene Drummer probiert, aber das waren Hobbymusiker, und wenn ich dann erst ungerade Taktarten erklären muss, dann macht das keinen Sinn.
Sollte also einer unserer Leser Schlagzeuger sein, sich mit krummen Takten auskennen und idealerweise in Norddeutschland leben, bitte melden!