Nachdem die beiden Sylvan Musiker Volker Söhl und Jonny Beck vor einigen Monaten mit ihrem Projekt „Violent Jasper“ das Album „Control“ veröffentlichten, legte nun Sylvan Frontmann Marco Glühmann nach. „A Fragile Present“ heißt sein Solo – Debüt, das auf der ganzen Linie überzeugen kann. Renald Mienert fragte nach.
Was war der Auslöser für dein Soloalbum?
Das passierte einfach. Wir hatten mit Sylvan auch tatsächlich einen kleinen Hänger was die Motivation betrifft. Und auch Corona hat eine Rolle dabei gespielt, wir haben lange nicht getourt. Volker sagte uns dann, dass er ein Soloprojekt startet und ich wollte dem nicht nachstehen. Und jetzt geht es ja auch mit Sylvan wieder weiter. Von da her war das Timing gut, aber jetzt können wir uns voll auf Sylvan konzentrieren, und das ist auch schön so. Ich hatte eigentlich nie geplant, ein Soloalbum zu machen. Ich habe ein paar Sachen so für mich gemacht, die habe ich wieder rausgekramt und tatsächlich haben es zwei davon auch auf das Album geschafft. Aber ich hatte dann so eine Art Kompositionsflash und dann gab es auf einmal so fünfzehn Songs. Da habe ich dann Kalle und Yogi gefragt, ob sie Interesse an einem Soloalbum hätten, und die hatten total Bock darauf.
Für „A Fragile Present“ hast du die Songs geschrieben. Wie bist du eigentlich bei Sylvan in die Entstehung der Stücke eingebunden?
Ich bin immer mit dabei, weil ich das Material ja singen muss. Ich muss auf alles eine Melodie machen, den Text sowieso, ganz egal von wem der Song kommt. Es war schon so, dass auf dem letzten Album Volker relativ viel geschrieben hat, aber wir arbeiten da wirklich eng zusammen, weil die Stimme eben schon sehr prägend ist. Volker komponiert ja viel am Klavier. Er hat da sicher auch für die Gesangslinien Ideen im Kopf, aber er gibt mir nichts vor. Ich schreibe dann die Gesangsmelodie dafür und in der Regel einigen wir uns auch sehr schnell. Es passiert nur sehr selten, dass ich bereits die Gesangsparts vorgegeben bekomme und exakt so singen muss.
Schon allein durch deinen Gesang gibt es natürlich Ähnlichkeiten zu Sylvan.
Ich habe die Songs ja nicht geschrieben, weil ich irgendwie anders sein wollte. Meine Songs sind deutlich simpler strukturiert – Volker ist da wesentlich komplexer – und das hört man dem Album auch an. Was Sylvan und mein Soloalbum verbindet, das sind meine Stimme, die Melodien, die Tiefe und die Emotionen.
Dein Album ist erwartungsgemäß auch auf dem Label Gentle Art Of Music von den beiden RPWL-Köpfen Kalle Wallner und Yogi Lang erschienen. Beide haben an dem Album mitgewirkt, genau wie RPWL Bassist Markus Grützner, dein Sylvan – Kollege Johnny Beck und Drummer Tommy Eberhardt. Es gibt aber mit Steve Rothery von Marillion und Billy Sherwood von Yes auch zwei sehr prominente Gäste.
Wir haben ziemlich früh mit Kalle über das Thema Gastmusiker geredet, ob das Sinn macht und ich war da völlig offen. Es gab da diese A Capella – Passage, und das mochte ich nicht mit mir machen. Und Yogi hatte dann die Idee mit Billy, auch weil er Kontakt zu ihm hatte und Billy ist sofort eingestiegen und es hat super Spaß gemacht. Die Idee zu Steve hatte dann Kalle, ich glaube über Nachbarn gab es da Connections und wir haben ihm dann den Song geschickt. Ich bin ja ohnehin ein großer Marillion-Fan, vor allem die Alben mit Fish. Aber solche Einflüsse auf meinen Gesang waren wenn, dann unbewusst, ich habe nie versucht, wie der oder der zu klingen. Steve hat sozusagen meine Jugend mit geprägt und es war mir eine große Ehre, mit ihm spielen zu dürfen.
Kalle und Yogi sind sehr erfahrene Musiker und Produzenten. Böse Überraschungen gab es da während der Aufnahmen sicher nicht?
Überraschungen gab es keine, aber es ist schon ein großer Unterschied im Vergleich zu einem Sylvan-Album. Wir haben ja viel mehr im Studio von Kalle und Yogi eingespielt, das ist dann für mich schon ein Abenteuer oder auch ein Experiment. Aber wir haben so viel Vertrauen zueinander, ich hatte keine Zweifel, dass sie mich in meinem Sinne unterstützen. Das Album ist sehr authentisch, die beiden haben ihre ganze Kreativität und Professionalität eingebracht, ich bin jedenfalls superfroh über diese Zusammenarbeit.
Sylvan sind ja bekannt für ihre Konzeptalben, bei deinem Soloalbum sieht das anders aus.
Es gibt zwar ein übergreifendes Thema. Es geht um Dinge wie Verlustängste oder darum, einfach den Tag zu genießen. Man soll die Dinge nicht als selbstverständlich betrachten, sondern als eine Art Geschenk. Aber es ist kein Konzeptalbum. Dazu sind die Songs auch viel zu spontan entstanden. Die meiste Songs entstanden ja innerhalb von sechs Monaten und die Texte dazu sind größtenteils unmittelbar in dieser Entstehungsphase entstanden. Sie sind einfach aus mir herausgesprudelt. Bei Sylvan ist das schon anderes, bei den Konzeptalben muss man schon etwas mehr nachdenken.#
Hast du auch mal darüber nachgedacht auf Deutsch zu singen?
Nicht wirklich. Ich singe lieber englisch. Unser Publikum ist ja auch recht international, da wäre deutsch eine Einschränkung. Wir hatten auch mit Sylvan die Grundsatzdiskussion zu dem Thema und es wird englisch bleiben.
Du hast ja mehr Songs geschrieben, als auf dem Album gelandet sind.
Ich habe vier Songs aussortiert. Zu Sylvan passen sie nicht, da werden wir den kreativen Prozess von vorne beginnen. Ich habe aktuell dafür noch keine konkreten Pläne. Sie liegen also in der Schublade, wo auch schon ein paar mehr liegen.
Hast du eigentlich eine Lieblingslocation?
Die Boerderij ist schon eine geile Location. Sehr professionell und sehr nette Leute. Wir haben dort ja ähnlich wie RPWL auch unsere Live-Blu-ray aufgenommen. Und wenn ich dann gemeinsam mit Blind Ego im November live spiele, dann sind wir ja auch wieder da. Wir haben ohnehin sehr viele Fans in Holland, natürlich neben Deutschland, aber auch Polen und Frankreich sind gut dabei.
Und ansonsten liegt jetzt wieder der Focus auf Sylvan?
Wir sind sozusagen seicht in den Songwritingprozess eingestiegen.
Dann wünschen wir viel Erfolg dabei! Und dir natürlich eine gut besuchte Tour mit Blind Ego!