Livereport: PPR-Festival Rüsselsheim 2024

Unglaublich aber wahr, Progressive Promotion Records aus dem hessischen Flörsheim gibt es nun bereits schon seit 15 Jahren. In der Zeit sind fast 150 Veröffentlichungen auf CD, DVD, Vinyl, artBOOK entstanden, von Toxic Smile mit »Overdue Visit« (PPRCD001) bis The Black Noodle Project mit »And Life Goes On…« (PPRCD122). Es gab mehrere Festivals, auf vielen Rock-Veranstaltungen war Oliver Wenzler mit seinem PPR-Stand oft präsent. Man kann sagen, das Progressive Promotion Records inzwischen zu einem der wichtigsten Aushängeschilder der progressiven Rockmusik in Europa geworden ist !! Und in seinem Wohnzimmer, dem Musik-Club Das Rind in Rüsselsheim fast direkt am Mainufer, wird dieses Jubiläum mit drei Bands würdig gefeiert. Die drei Formationen, Light Damage aus Luxemburg, Vlyes aus Norddeutschland und die Briten Also Eden, sind am Vortag bereits in Arlon, Belgien aufgetreten, haben sich also sozusagen warmgespielt. Und wie ist es für die drei Combos im bekannten Rhein-Main-Musik-Tempel gelaufen ?? Hier meine hessischen Erlebnisse.

Startpunkt dieser Truppe Light Damage aus Luxemburg ist ein Festival im Spirit Of 66 in Verviers, Belgien (09-2005). Keyboarder Sébastien Pérignon und Gitarrist Stephane Lecocq lernten sich eben dort kennen und gründeten bald darauf, nach einigen Umbesetzungen, zusammen mit Sänger/Gitarrist Nicholas-John Dewez und Bassist Frédérik Hardy die Cover-Band Brain Damage die später zu Light Damage mutierte. Dann mit diesem stabilen Line-Up, veröffentlichten sie 2009 die ersten eigenen Lieder als selbstproduzierte Demo-EP »Acronym«. Fast 10 lange Jahre nach Gründung führte dies schließlich zu ihrem ersten selbstbetitelten Konzept-Album (2014, Thema: Selbstreflexion). Das zweite Album »# Numbers«, am Schlagzeug nun bereits Christophe Szczyrk, erscheint dann bereits vier Jahre später, thematisch folgt es dem Debüt.

Auch bei dieser Band ist Progressive Promotion Records seit 2015 ein wichtiger Unterstützer, sie spielten damals bereits auf dem 5. PPR-Festival, stellten damals ihr Debüt vor. Sie eröffnen dieses 1-tägige Festival der recht unbekannten Namen und reißen sofort den trennenden Vorhang herunter, stellen mit ihren langen getragenen Kompositionen sofort die Verbindung zum überschaubaren Publikum her. Sänger Nicholas im Zentrum der Bühne moderiert dreisprachig durch das über einstündige Programm, hälftig mit vier Stücken von »# Numbers«.

Die komplexe Musik des Quintetts wird durch avantgardistische Bilder visuell im Hintergrund unterstützt. Aber bereits jetzt, Zentrum bedeutet nicht Mittelpunkt. Denn bei allen drei Formationen dieses Abends stehen deutlich die ultrastarken Kollektive immer spürbar an vorderster Stelle. Instrumental-Passagen wechselten sich mit gesungenen Liedern ab, alles war gut auf einander abgestimmt, jeder der fünf konzentrierten Akteure agierte jederzeit gruppendienlich, hatte aber auch genügend Raum und Zeit für virtuose Ausritte. Das dritte Album steht kurz vor der Vollendung, drei schöne Teilstücke davon wurden bereits an diesem Abend zu Gehör gebracht. Ein überraschend schöner homogener Auftritt ist gefühlt nach einigen Wimperschlägen vorbei.

Die Band Vlyes ist ein Neuling in der deutschen Rock-Szene und feierte am zweiten Wochenende im November im Doppelpack in Arlon, Belgien und Rüsselsheim, Deutschland (Das Rind) das famose Bühnen-Debüt. Aber neu, so stimmt das natürlich nicht. Kay Söhl war schon als Abiturient Mitgründer der deutschen Prog-Institution Sylvan und hat auf deren ersten sieben großartigen Alben mit seinem exzellenten Gitarrenspiel den typischen Sylvan-Sound maßgeblich mitgeprägt. Nach vierzehn Jahren musikalischer Pause und an einem schweren Tiefpunkt greift Kay Alexander dann doch wieder zu seinen Gitarren und spürt, was im lange gefehlt hat und ihm über ein Jahrzehnt bei Sylvan auch Lebenskraft verschafft hat.

Am Anfang ist Vlyes, seit Beginn der Pandemie Ende 2019, erst einmal ein Projekt von Gitarrist Kay Söhl, zu dem dann in der Frühphase schnell Jens Lück (Isgaard, Single Celled Organism) dazu stieß. Mit Volker Oster fand sich schnell ein extrem ausdrucksstarker Sänger und für die Live-Umsetzung konnte Jörg Linke (Bass) und der zweite Gitarrist Jockel Lüdeke gewonnen werden. Aus dieser ehemals befruchteten Eizelle wurde dann durch Wachstum die Band Vlyes und führte zum Debüt »Why« bei Progressive Promotion Records. Und genau dieses Konzept-Album wurde in genauer Titel-Reihenfolge im Musik-Club Das Rind komplett gespielt. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und sagen, kollektiv zelebriert.

Kay, Volker, Jörg und Jockel werden auf der Rinder-Bühne von dem jungen Duo Liming Wu (Keyboards) und Schlagzeuger Jan Köhler unterstützt und alle zusammen harmonieren hervorragend. Hier sticht keiner raus, sondern alle ordnen sich dem Ziel der Präsentation der schönen Kompositionen unter, auch der bescheidene Band-Chef Kay Söhl. Dennoch möchte ich noch Volker erwähnen, der nicht nur extrem variantenreich singt, sondern unaufgeregt auch die zentrale Figur vor dem großen schwarzweißen Vlyes-Banner ist und vokal durch diese denkanstoßende Geschichte führt. Mit der Zugabe »In My Dreams« hat das gut eingespielte Sextett sogar einen neuen Titel im kurzweiligen Programm. Sie überzeugen damit das Publikum und mich auf ganzer Linie.

Auch deren digitale Präsentation ist vorbildlich, besonders gefallen hat mir als Netzwerker die Rubrik Freunde, womit sie auch befreundete Künstler unterstützen. Und das wird auch klappen, denn wenn diese sechs sympathischen Nordlichter beieinanderbleiben und weiter so homogen musizieren, werden sie europaweit noch für weiteren frischen Wind sorgen. In der Umbaupause waren alle Bandmitglieder von den Fans umlagert und in Gespräche verwickelt. Das unterstreicht den guten Charakter dieser Club-Veranstaltung und die Qualität des Fach-Publikums. Kay Söhl war in einem langen intensiven Gespräch mit Holger Stöckel vom Stone Prog Magazin verwickelt und genoss (verdient) den Zuspruch. Sylvan hat ihre erfolgreiche Geschichte geschrieben, nun ist die Zeit für die schönen Geschichten von Vlyes. Nicht nur ich freue mich drauf, das ist absolut sicher !!

Die Geschichte von Also Eden geht bis auf das Jahr 1993 zurück, als der Sänger Huw Lloyd-Jones von Wales nach Cheltenham zog und auf der Suche nach gleichgesinnten Musikern den Keyboarder Ian Hodson fand. Aus verschiedenen Gründen wurde es aber 2003 bis Huw und Ian ernsthaft mit dem Schreiben von eigener Musik begannen. Das Debüt »About Time« (2006) wurde aufgenommen. Die beiden Eröffnungsstücke »Between The Lines« und der epische 14-minüter »For Bumble« sind auch heute noch fester Bestandteil des Live-Programms, auch hier in Rüsselsheim. Es folgte ein zweites Album, »It’s Kind Of You To Ask« (2008), von dem spielen sie weitere drei lange Kompositionen. Live-Auftritte damals beim Night Of The Prog, der Progfarm und dem ProckFest sowie Tourneen in Großbritannien, Benelux, Deutschland und der Schweiz. Der letzte Auftritt des Jahres 2009 war dann das bekannte Summer’s End Festival. Danach verließ Huw die Band, musizierte jahrelang mit Unto Us (die spielten auch auf dem 5. PPR-Festival), während Also Eden mit neuem Sänger zwei weitere Alben aufnahmen. 2021 taten sich Huw und Ian wieder zusammen, um ein einmaliges Konzert als Also Eden zu geben, hatten dabei einen solchen Spaß, dass sie beschlossen, die Band wieder gemeinsam zum Leben zu erwecken.

Und das ist gut so, das zeigt aktuell die Begeisterung auf und vor der Bühne im Das Rind sehr eindeutig. Und auch das neue Album »Open Skies« ist für Also Eden Verhältnisse nun zeitnah zu erwarten, war mit dem Titel »Scented Candles Corridor« Live vertreten. Mit Progressive Promotion Records sind Huw und Also Eden seit den Anfangstagen sehr freundschaftlich verbunden und durften sich wiederholt als Gast im Rhein-Main-Gebiet willkommen heißen. Für einen magischen Moment und Gänsehaut sorgt aber ein Lied von einem der ganz großen der britischen Rockmusik. Er hat es auf seinem Solo-Debüt »1 (Car)« als letzten Song veröffentlicht und er hat es oft Live präsentiert, eben deshalb, weil es so beliebt ist bis heute. Wer Peter Gabriel kennt, der weiß das er nicht wie eine Emotionsexplosion auf der Bühne wirkt.

Aber was Ian Hodson (Keyboards), Simon Rogers (Gitarre), Guy Monk (Schlagzeug), Graham Lane (Bass), aber besonders Sänger Huw mit »Here Comes The Flood« machte, war magisch. Textsicher singt die überschaubare Schar im Saal lautstark mit, eine festere Verbindung von Künstler und Publikum gibt es fast nicht !! Hier wurden der KI-generierten Musik kollektiv die Zungen rausgestreckt, das hat mich besonders gefreut, denn solche Emotionen kann man nicht per KI erzeugen !!

Huw Lloyd-Jones: „Dieser Gig war eigentlich die 15. Geburtstagsparty von Oliver Wenzlers Progressive Promotions Records, dem Label, bei dem die beiden anderen Bands unter Vertrag sind. Oliver ist ein alter Freund und beehrte uns mit einer Einladung zu diesem Konzert. Und was für eine Show das war! Die Crew des Veranstaltungsortes war wieder einmal ausgezeichnet und kümmerte sich hervorragend um uns. Ein großes Publikum begrüßte jede Band wie alte Bekannte, und alle drei Bands antworteten mit fantastischen Auftritten. Ich war so stolz, bei Also Eden als Frontmann dabei zu sein: Die Jungs haben es gut gemacht! Und das Bier floss wie… nun ja, Bier.“

Wieder einmal eine wunderbare Veranstaltung, professionell von Florian Haupt und seinem Team in Szene gesetzt, die lautstark nach Wiederholung schreit. Für 2025 hat der besagte Oliver Wenzler, der hatte auch noch als Bembel-Master Der Wenzler und Label-Chef von PPR eine große Bühne, auch schon einige konkrete Ideen wie man so ein Rock-Spektakel wiederholen könnte, genug Bands aller Couleur hat er in seinem Stall Progressive Promotion Records. Der Rock-Scout Oliver ist ein unverzichtbarer Leuchtturm, der nun seit über 20 Jahren beständig und unaufgeregt mit seiner Spürnase die versteckten Rock-Trüffel in Europa in das grelle bunte Licht der Bühnen Europas bringt. Und das sogar mit inzwischen sechs eigenen bestbesetzten Festivals. Ich bin sehr sicher, der Wegfall des Night Of The Prog wird in Deutschland zeitnah durch wertige Veranstaltungen kompensiert. Ich bin gespannt welche prallvolle Wundertüte 2025 hier in Rüsselsheim und vielleicht auch noch anderswo präsentiert werden und wie viele zahlende Gäste man dann dort begrüßen darf. Solche fantastischen und professionellen Veranstaltungen, besonders, wenn wie diesmal drei unterschiedliche Gruppen so wundervoll in diesem schönen Premium-Musik-Tempel harmonieren, haben allemal mehr Publikum verdient. Ich hoffe der Heißhunger auf Rock-Trüffel ist nun bei euch für 2025 gestiegen.

Text: Roland Koch | Bilder: Jörg N.- Germann

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