Review: Alex Carpani – The Good Man (2024)

Wenn man in der Progressive Rock Szene einigermaßen neugierig unterwegs ist, begegnen einem immer wieder neue Scheiben, die überraschend gut sind, die aber kaum jemand kennt und die in der großen Masse der Neuveröffentlichungen unberechtigterweise unter gehen. Damit genau das mit diesem super Album hier nicht passiert, möchten wir mit diesen Zeilen unseren Beitrag leisten. Unsere Neugier wurde schon dadurch geweckt, weil dieses Album aus ganzen zwei Stücken besteht. Zwei Suiten, jeweils reichlich 28 Minuten lang, jeweils in neun Teile unterteilt.

Tracklist:

Amnesiac (28:40)
01. On A Train 02:10
02. Perfect Chaos 04:41
03. Flashbacks 01:30
04. The Edge Of My Mind 03:57
05. Diamond In The Rough 01:55
06. Past Life 04:21
07. Heart Calling 02:51
08. As Light Returns 03:42
09. End Of The Day 04:41

Good And Evil (28:24)
10. Lost Frequencies 00:57
11. The Flow 04:13
12. P.T.S.D. 03:52
13. Stillness And Ecstasy 02:15
14. Flirting With Darkness 04:11
15. Mystical 05:39
16. Leaving The Path 01:32
17. Masquerade 02:42
18. Everything Falls Into Place 03:09

ALEX CARPANI ist hierzulande kein Unbekannter. Zuletzt konnten wir ihn in diesem Frühjahr live in Reichenbach als Headliner beim Art Rock Festival erlebten, wo er ein exklusives Konzert gab. Hier begleiteten ihn zwei Weltstars des Prog auf der Bühne: THEO TRAVIS und DAVID JACKSON an den Saxofonen. Der in Bologna lebende Tausendsassa ist studierter Musiker. Er komponiert, spielt Keyboard, singt, produziert und ist Musiklehrer. ALEX CARPANI hat weiter diverse Preise bei Kompositionswettbewerben gewonnen. Und wenn wir “The Good Man” (sein siebtes Solo-Studioalbum seit 2007) hören, wundert uns das nicht.

Das Album besteht also aus zwei langen Suiten und stellt eine ununterbrochene Geschichte dar, eine Erfahrung, die durch die Falten und Zerbrechlichkeiten des menschlichen Geistes, durch die unendlichen Nuancen unserer Emotionen und Gefühle erlebt wird. Die erste Suite “Amnesiac” beschreibt in 9 Teilen die Erfahrung einer tiefen Amnesie, die man im Laufe eines Tages erlebt: das Aufwachen an einem unbekannten Ort, das chaotische Rennen, um der Gefahr zu entkommen, Rückblenden von Ereignissen, die bereits stattgefunden haben, die Welt, die in einen Strudel des Wahnsinns gesaugt zu sein scheint, die Suche nach der eigenen Identität, Erinnerungen an vergangene Leben und dann schließlich die Rückkehr von Licht und Erinnerung und das Ende eines unglaublichen Tages. Das ganze ist sehr fließend gebaut, und zwar so gut, dass man einzelne 9 Teile gar nicht bemerkt. Beginnend mit einem zarten Klangmix aus Cello und fahrendem Zug folgt in “Perfect Chaos” eines der Leitmotive, welches an King Crimson erinnert. Die folgenden Motive lösen sich ab, gehen stimmig ineinander über. Laut und leise folgt aufeinander, Instrumentalmusik und gesungene Parts lösen sich ab, sorgen für Abwechsungsreichtum und einen hohen Unterhaltungsfaktor für den geübten Hörer. Die Anfangsmotive kommen zurück, die Suite endet mit wieder mit dem Cello-Zug-Soundmix. Was? Das waren schon 28 Minuten? Dann muss es sich wohl um ein herausragendes Stück Musik handeln.

Die zweite Suite “Good And Evil” beschreibt wieder in 9 Teilen eine Erfahrung, die ewig zwischen Gut und Böse schwebt: Wellen und Frequenzen, die aus den Tiefen von Zeit und Raum kommen, der Strom von Menschen, die wie Automaten voranschreiten, ohne zu rebellieren, eine posttraumatische Erfahrung, die Schuldgefühle weckt, die Stille, die der Ekstase vorausgeht, der subtile Charme der Dunkelheit, eine mystische Erfahrung, eine Party ohne hemmende Bremsen, alle Dinge kehren schließlich an ihren Platz zurück. Musikalisch ist das Ganze ähnlich strukturiert, eingängiger Rock flankiert mit Saxofon und einer Mezzosopran-Vokalise, die man mag oder nicht mag; vielleicht ist dieses musikalische Mittel etwas zu oft eingesetzt. Nach unserer Mainung fällt “Good And Evil” qualitativ zu “Amnesiac” etwas ab, aber vielleicht ist das einfach nur Geschmachssache.

ALEX CARPANI beschreibt das Album “ein bisschen wie ein kleines Papierboot, das im Ozean des Lebens zwischen Stürmen und gigantischen Wellen schwimmt und versucht nicht zu sinken, ohne jemals sein endgültiges Ziel zu kennen”. Es erscheint am 06. Dezember 2024 auf seinem Label “Independent Records” als CD mit 20seitigem Booklet und digital über “Distrokid”. Auch das Artwork ist sehenswert, geschaffen durch Gigi Cavalli Cocci. Auf youtube könnt Ihr Videos ausprobieren. Aber organisiert Euch das Album und hört die beiden Suiten im Ganzen. Es lohnt sich.

Wertung:

Album: A Good Man 8.5 | 10

Suite 1 „Amnesia“ 9 | 10

Suite 2 „Good And Evil“ 8 | 10

Credits:

ALEX CARPANI | Komposition, Text, Arrangement, Produktion, Gesang, Keyboard, Effekte

BRUNO FARINELLI | Schlagzeug
GIAMBATTISTA GIORGI | Bass
EMILIANO FANTUZZI | Gitarren
ALESSIO ALBERGHINI | Sopransaxofon
VALENTINA VANINI | Mezzosopran

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