Livereport: Steven Wilson | Düsseldorf – Mitsubishi Electric Halle, 06.05.2025

Mister Steven Wilson gibt sich die Ehre und dies relativ früh auf seiner diesjährigen Tour. Düsseldorf ist Spielort weit vor den anderen Auftritten auf deutschem Boden (das nächste Konzert in Deutschland findet am 30. Mai in Stuttgart statt). Die Mitsubishi Electric Halle (vielen noch unter ihrem alten Namen Philipshalle bekannt) ist sehr gut besucht, jedoch mit etwa 3.000 Besuchern nicht ausverkauft. Die durchgängige Bestuhlung ist vermutlich dem Durchschnittsalter der Anwesenden geschuldet …

Ganz Profi, steht der Großmeister des Progressive Rock und angrenzender Ortschaften Punkt 20 Uhr auf der Bühne und intoniert allein mit Gesang und Keyboards den Auftakt des Stückes „Objects Outlive Us“. Die vorzüglich besetzte Band (Randy McStine an der Gitarre, Adam Holzman an den Keyboards, Nick Beggs am Bass und Craig Blundell an der Drums) betritt erst zum zweiten Kapitel dieses 23-Minüters die Bühne und schnell wird klar: die Instrumente sind optimal ausgesteuert, die akustischen Herausforderungen der Halle sehr ordentlich gelöst (was nicht allen Bands in der Vergangenheit gelungen ist). Jedoch hätten es durchaus ein paar db weniger sein dürfen.

Das neue Album „The Overview“ wird vollständig und in exakter, von der CD bekannter Länge gespielt. Die Frage, warum man sich eine Reproduktion der Studioaufnahme live antun muss, stellt sich jedoch nicht. Erstens gewährleistet die Halle eine erhöhte Konzentration auf die Werke, die hier zwingend erforderlich ist, zweitens klingt die Musik live intensiver mit mehr Tiefe als auf CD und drittens komplettieren die im Hintergrund ablaufenden, ebenso symbolträchtigen wie einfallsreichen Videoprojektionen den Gesamteindruck.

Nach einer sich anschließenden 25-minütigen Pause betritt Wilson erneut die Bühne und intoniert die ersten beiden Stücke solo. Sowohl „The Harmony Codex“ als auch „King Ghost“ (das einzige Stück des Abends vom Album „The Future Bites“) klingen intensiver als die Studioversionen und erzeugen Gänsehaut. Mit voller Kapelle schließt sich „Luminol“ an, das druckvoll und komplex dargeboten wird. Diesem schließt sich eine Ansage ans Publikum an, wie sie wohl nur bei Steven Wilson-Konzerten zu hören ist. Er entschuldigt sich nämlich für die lächerlich langen und komplexen Stücke, die bisher intoniert wurden. Wilson fragt, wer es bis hierhin für einen Fehler hielt, zum Konzert gekommen zu sein und bittet um Handzeichen. Keine Hand geht hoch, nur ein Mann im Parkett zeigt auf seine weibliche Begleitung, die sich wegduckt.

Wilson beruhigt diejenigen, die den Besuch bereuen, mit der Ankündigung, dass das nächste Stück nicht einmal vier Minuten lang sei. Und so geht es mit „What Life Brings“ weiter. Danach ist aber schon wieder Schluss mit luftig, denn es folgt „No Part of Me“ vom Album „Grace for Drowning“ und das einzige Porcupine Tree-Stück des Abends, „Dislocated Day“ vom Album „The Sky Moves Skywards“. Wilsons Gitarre schreit mitunter wie ein Tier, das in einer Falle gefangen ist, die Klangwand ist fast erdrückend.

Auch die folgenden Stücke „Impossible Tightrope“ von „The Harmony Codex“, „Harmony Korine“ von „Insurgentes“ und „Vermillioncore“ vom Album „4 1/2“ bringen keine Erlösung für diejenigen, die besser nicht gekommen wären, und erzeugen pure Euphorie bei allen anderen, heißt bei (fast) jedem im Saal.

Damit endet der reguläre Teil des Konzerts. Nach einer kurzen Pause kommen die fünf Ausnahmemusiker zurück auf die Bühne zur Zugabe. Diese beginnt noch einmal mit einer typischen Steven Wilson-Ansage. Er philosophiert darüber, dass er noch nie einen Nummer 1-Hit hatte, was einen Vorteil mit sich brächte: da sein Publikum keine Erwartungen an ihn hätte, dass er einen solchen spiele, könne er sich die Zugabestücke völlig frei aussuchen.

Und so beginnt er die Zugabe mit dem wunderschönen „Pariah“, bei dem Ninet Tayebs großartige Stimme vom Band kommt und ihr Gesicht auf die Leinwand hinter der Bühne projiziert wird. Den perfekten Abschluss des Konzerts bildet dann „Ancestral“ vom Album „Hand.Cannot.Erase“, sodass an diesem Abend jedes einzelne Album aus dem Solo-Schaffen des englischen Großmeisters vertreten war.

Und so komme ich zu dem Fazit: auch wenn – oder weil – hier überwiegend schwere Kost geboten wurde, war es ein großartiges, tief beeindruckendes Konzert, das Steven Wilson mit seinen handverlesenen Mitstreitern hier abgeliefert hat. Mehr davon, bitte!

Alle Fotos: (C) André Wilms

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