Livereport: Midsummer Prog Festival 2025

Midsummer Festival und Openluchttheater Valkenburg – das war in sechs Editionen bisher eine untrennbare Einheit. Irgendwann um den letzten Jahreswechsel ging die Nachricht die Runde, dass hier keine Pop-Konzerte mehr stattfinden dürfen. Die wahren Gründe bleiben bis heute schleierhaft, eine Lautstärkebelastung für die umliegende Wohngegend soll es nicht gewesen sein. Nicht nur die Trauer unter den Fans war groß, denn diese Location galt als die wohl schönste für ein Prog Festival in Europa. Nein, der Fortbestand des Festivals war damit unerwartet in echte Gefahr geraten. Die Organisatoren mussten improvisieren und fanden eine Lösung, und zwar im nur 10km von Valkenburg entfernten Maastricht. Die 2004 eröffnete Muziekgieterij als Event-Location mit kleinem und großen Saal ist zumindest lokal bekannt; ein Zweitages-Open-Air Festival hier zu organisieren ist neu. Auch das Datum für das Festival musste in den späten Mai vorverlegt werden, da am angestammten Mitsommer-Wochenende Ende Juni nicht frei war und das Festival 2025 wohl ansonsten tatsächlich hätte ausfallen müssen.

Unsere Skepsis legt sich zunächst nicht, als wir am Vorabend des Festivals einen ersten Blick auf den Veranstaltungsort werfen können. Das soll alles sein? Im Areal der Muziekgieterij auf vergleichsweise kleiner Fläche vor der Bühne finden wir gefühlt improvisierte Holztraversen für das sitzende Publikum aufgebaut. Die Fläche wirkt klein und die Anzahl der Sitzplätze gering. Bis wir näheres wissen, diskutieren wir länger untereinander, welches Fassungsvermögen denn diese Traversen haben mögen. Dieses Rätsel lösen wir am Schluss. Der Merch, ein Teil der Gastronomie sowie das gemütliche Beisammensein wird sich in der eigentlichen Muziekgieterij, also der Konzerthalle mit kleinem und großem Saal, abspielen; aber auch draußen hinter dem Festival-Areal gibt es zu Essen und zu Trinken. So viel sei hier schon vorweg genommen: wir werden ein in allen Facetten bemerkenswertes und besonderes Festival erleben, welches wir nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Spätestens als dann heute am ersten Veranstaltungstag den Einlass durchlaufen ist, die  Plätze auf den Rängen eingenommen und die ersten satten Töne aus den Boxen zu hören sind, hat die Vorfreude die Skepsis abgelöst. Die Spiele können beginnen.

Tag 1 | 23.05.2025

Lux Terminus

Nach der kurzen Anmoderation der über das „Night Of The Prog Festival“ bekannten Olivia Elektra erstaunt uns gleich der bis dato unbekannte erste Act. Als Trio mit Keyboards, Bass und Schlagzeug betritt LUX TERMINUS die Bühne. Angekündigt ist der erste Gig der Band in Europa überhaupt! Am Keyboard steht ein durchaus bereits bekannter Herr, und zwar der Live-Keyboarder von PAIN OF SALVATION, Vikram Shankar. Die heutige Band ist sein Herzensprojekt; er ist der kreative Kopf der aus Ohio stammenden US-amerikanischen Instrumentalband, die sich schon seit Kindheit ihrer Mitglieder kennt.

Wir hören gefällige breitwandige melodiöse Strukturen, die organisiert unrhythmisch von Bass und Drums zerhackt werden. Da die Gitarre fehlt, entstehen so besondere, eigene und trotzdem irgendwie weiche musikalische Strukturen. Viele Festivalbesucher werden nach dem Wochenende LUX TERMINUS als die Entdeckung des Festivals bezeichnen. Ihr gerade im April 2025 erschienenes Debut-Album „Cinder“ als CD, Vinyl und teure Sammelbox (von der nur ganze 8 Stück überhaupt aufgelegt wurden) geht am Merch weg wie warme Semmeln.

Als Gastmusiker steht für einen Song Ross Jennings von HAKEN auf der Bühne. Das ist kein Zufall, denn er hat auch auf dem Album den Song „Catalyst“ eingesungen. Damit erleben wir im Maastrichter Publikum die weltweit erste Live-Aufführung dieses Stückes. Mit „Mosaic Mind“ und „Natsukashii“ gibt es weitere noch nie von LUX TERMINUS live gehörte Stücke zu Ohren. Wir freuen uns von Herzen mit der jungen Band über so viel Begeisterung des Publikums und über die präsentierte tolle eigene Musik!

Setlist Lux Terminus

Mosaic Mind
Electrocommunion
P.L.O.N.K.
Natsukashii
Catalyst (mit Ross Jennings)
The Courtage To Be

PreHistoric Animals

Ganze sechs Jahre sind schon vergangen, seit wir den am Metal schnuppernden Sound der PREHISTORIC ANIMALS in einem ihrer allerersten Konzerte auf der Bühne staunend und mit Begeisterung erleben konnten. Vier Alben und etliche Konzerte später treffen wir die personell durch einen Keyboarder erweiterte sympathische schwedische Band heute auf der 2025er Midsummer Prog Edition wieder.

Eigentlich sollten DILEMMA an dieser Stelle spielen, dankenswerterweise ist PREHISTORIC ANIMALS eher kurzfristig eingesprungen. Mats Nilsson sorgt zunächst auch für einen intensiveren Keyboard-Sound; die beiden Gitarren auf der Bühne sind kaum zu hören. Ursache hierfür ist, dass auf dem letzten Album „Finding Love In Strange Places“ ebenfalls den Keyboards eine größerer Bedeutung zugestanden wird als zuvor. Das ist keine Überraschung: die Songs in der ersten Hälfte des Konzerts stammen von diesem Album.

Nach vielleicht der Hälfte des Sets kippt das: die Gitarren übernehmen wieder das Zepter, die vertraute etwas komplexere leichte Härte ist wieder da. Als drittletztes Stück erleben wir auch von dieser Band mit „The Protectors Of The Universe“ ein vorhier noch nirgends live aufgeführtes Stück Musik. Die Jungs genießen danach das Festival und werden später immer wieder im Publikum gesichtet. Aber erstmal: ein klasse Auftritt der motiviert, die Alben der Band mal wieder öfter aufzulegen.

Setlist PreHistoric Animals

Intro
City Of My Dreams
He Is Number 4 
Burn The Ground
Living In A World Of Bliss
Unbreakable
Floodgate
The Protectors Of The Universe
Manhandled
The Magical Mystery Machine

Paatos

PAATOS ist wieder da! Ganze dreizehn Jahre umhüllte die Band ein rätselhaftes Schweigen, galt als aufgelöst. Nach dem Gig letzten September in Malmö heute und hier nun der erste Auftritt außerhalb Schwedens nach der langen Pause. Und immer noch in der gleichen Besetzung wie vor diesen dreizehn Jahren!

Man hat ein neues Album am Start: „Ligament“ ist soeben, im April 2025, erschienen. Natürlich stellt die Hälfte des Sets Songs von diesem neuen Album dar, die aber nicht im Block, sondern mit den restlichen alten Songs durchmischt sind. Das werte Publikum muss leider bei “Beyond The Forest“, der Song der auf dem Album mit Mikael Akerfeld (OPETH) am Mikrofon eingespielt worden ist, auskommen. Der Sound von Paatos wirkt voluminös, mit Einflüssen von Heavy Rock, Jazz und elektronischen Grooves. An manchen Stellen klingt es heute leicht übersteuert und kreischig, aber auch druckvoller als wir es vor einem halben Jahr in Malmö mitgenommen haben. Die Band weilt auch das ganze Festival im Publikum, ist immer ansprechbar für einen Schwatz zwischen Fan und Band. Nun sind wir gespannt, das neue Album kennenzulernen, das wir uns nach dem Konzert gleich am Merch kaufen müssen.

Setlist Paatos

Feel
Chemical Escape
Gone
Happiness
Beyond The Forest
I’m Letting Go
Ligament
Breathing
Last Ones Of Our Kind
Svart
Tea

Solstice

Auch wenn es diese Band bereits 45 Jahre gibt und sie einen Auftritt auf dem 5. Night Of The Prog Festival 2010 in den Büchern stehen haben, ist diese Band für uns eine kleine Wundertüte. Beim Recherchieren finden wir eine gleichnamige und ebenfalls aus England stammende 1990 gegründete Doom-Metal-Band, mit der man diese Band sicher nicht verwechseln sollte. Es sei hier auf die Homepage solsticeprog.uk der Band verwiesen, um die es heute geht. Im Publikum sind nicht wenige Fans mit SOLSTICE T-Shirts und Hoodies zu sehen, die Leute haben also schon ihre Fangemeinde. Zu diesen Fans gehört laut Hopepage der Band auch kein geringerer als ein gewisser STEVEN WILSON.

Mit „Clann“ hat auch SOLSTICE ein frisches neues, erst im April 2025 veröffentlichtes Studioalbum am Start. Wir sehen neben einem klassischen Rock Instrumentarium vier Damen auf der Bühne. Hauptsächlich an den Mikrofonen, sie sind  aber später auch an Keyboard, Gitarre und Geige multi-instrumental unterwegs. Kreativer Kopf der Unternehmung ist Andy Glass, der mit seiner Gitarre auch auf der Bühne im Mittelpunkt steht. Die Band ist im Grunde die gleiche wie vor 15 Jahren auf dem Felsen, nur die drei Sängerinnen sind neu dazu gekommen. Der Stilmix ist schwer zu beschreiben. Jazz, Blues, Folk, aber auch Prog Rock – hier sind besonders die letzten beiden aufgeführten Stücke heraus zu stellen, die phasenweise richtig sinfonischen Charakter haben. Die Show von SOLSTICE zeichnet aber vor allem durch die Partystimmung aus, die die acht Bandmitglieder auf der Bühne verbreiten. Auf der Bühne wird getanzt, gehopst und zum Mitmachen aufgefordert. Auch wenn die Musik nicht jeden Prog Fan erreicht, so springt diese Stimmung trotz der kühlen Temperaturen heute schon auf das Publikum über. Als sich die Band am Ende gemeinsam verneigt, lächeln wir mit Ihnen. Fazit: schöner spannender musikalischer Festivalbeitrag, hat Spaß gemacht!

Setlist Solstice

Firefly
Shout
Life
Wongle No. 9
Mount Ephraim
A New Day
Morning Light

Neal Morse & Friends

Endlich ist es soweit. So mancher Fan in Europa hat extra einen Flieger hierher gebucht, um dieses besondere geschichtsträchtige Ereignis des Progressive Rock hier zu erleben. Nur hier und heute präsentiert NEAL MORSE eine extra für diesen Abend zusammengezimmerte Band, die mit ihren Musikern zu den namhaftesten Leuten der Szene gehören: Roine Stolt (u.a. Transatlantic, The Flower Kings) an der Gitarre, Ross Jennings (u.a. Haken) an Gesang und Akustic Gitarre, Eric Gilette (u.a. Temic) an der E-Gitarre, Jonas Reingold (u.a. Steve Hackett Band, Karmakanic) am Bass und Collin Lejenaar (u.a. Kayak, Dilemma) an den Drums. Dazu kommt noch Francis Norman an der Viola.

NEAL MORSE betritt erstmal allein die Bühne und spielt mit „Songs Of Freedom“ mit seiner Akustik-Gitarre gleich mal einen bisher unveröffentlichten Song. Noch spannender kündigt er später „Leaving California“ an – ein Stück, welches ihm angeblich vor 3 Wochen eingefallen ist und offenbar noch nie in einem Konzert dargeboten wurde. Beide Stücke sind wunderbar melodiös und präsentieren in ihren Texten starke offenbar autobiografische Geschichten. Der Meister schüttelt sowas eben locker aus seiner Kreativkiste. Für die ersten sechs Stücke bleibt die große Begleitband aber komplett in den Boxen.

NEAL MORSE hier spielt allein, begleitet phasenweise von Francis Norman und Ross Jennings. Erst bei „On Broadway“ betritt die gesamte Band die Bühne, und die Jungs dürfen nacheinander in Solos in diesem Stück brillieren. Das Licht ist im gesamten Konzert dunkel und eher düster, man hat es schwer seine Helden auf der Bühne zu beobachten. Die dann schon letzten drei Stücke des Sets sind bekannte, aber eher zurückhaltende Stücke.

Erst bei der Kurzversion von „Stranger In Your Soul“, als Zugabe dargeboten, beginnt die  erhoffte Prog Rock Party. Dann ist schon Schluss. Eine Woche hat man gemeinsam in Maastricht für diesen Abend geprobt. Beispielsweise Roine Stolt oder Eric Gilette wirken aber auf der Bühne unterfordert. Wir erleben ein schönes Konzert, aber das erhoffte Feuerwerk von Best-Of-Songs beispielsweise von TRANSATLANTIC oder SPOCKS BEARD bleibt aus. Das ist bei dem Aufwand, diese Mega-Band extra für diesen Abend zu kreieren, etwas schade.

Setlist Neal Morse & Friends

Songs Of Freedom (Neu)
Shine (Transatlantic)
Manchester By The Sea (Neu)
The Storm/Whirlwind (Flying Colors/Transatlantic)
Leavn‘ California (Neu)
Julia (D’Virgilio, Morse & Jennings)
On Broadway (Cookies)
Carpet Crawlers (Genesis)
Wind At My Back (Spocks Beard)
We All Need Some Light (Transatlantic)

Zugabe

Stranger In Your Soul (Transatlantic)

Tag 2 | 24.05.2025

Heute meint es der Wettergott nicht gut mit den Prog Festivalgängern. Mehr oder weniger befinden wir uns den ganzen Tag im Dauerregen bei kühlen Temperaturen deutlich unter 20 Grad. Plastikverhüllte Fans auf den Rängen und drum herum bestimmen die Szenerie. Die regengeschützten Bands sehen und honorieren das hier und da, indem sie sich nicht nur bei den Fans fürs Hiersein, sondern auch fürs Ausharren unter widrigen Bedingungen bedanken. So mancher Fan fragt sich heute: was mache ich eigentlich hier und warum? Hm. Bei Sonne kann jeder. Alle Bands heute versprühen mit ihrer Musik irgendwie eine besondere Magie, die den Zuhörer in die Konzerte hinein zieht. Als ob die Organisatoren dies voraus gesehen haben. Denn diese magische Musik von der Bühne und natürlich das Zusammensein mit Freunden und Gleichgesinnten lassen das widrige Wetter zumeist vergessen und den Tag trotz des Regens genießen.

Heath

Nach der Anmoderation von Olivia Elektra betreten fünf selbstbewußte junge Typen aus Den Haag die Bühne. Wir sehen Jungs die anders sein wollen, was in der oft starren und überalterten Prog Rock Szene häufig vermißt wird. 2022 gegründet, an Erfahrungen gering, musizieren sie einfach drauflos was sie fühlen. Das kommt auch beim Publikum an. Ihr erfrischender Mix aus Psych und Prog erinnert uns ein Bißchen an GRETA VAN FLEET.

Der charismatische Sänger Mees Vullings erscheint mit seinem Auftreten so manchem anwesenden sogar als Reinkarnation von Jim Morrison. Eine verfremdete Mundharmonika bei HEATH ist ein häufig angewendetes Stilmittel. Die gespielten Stücke sind lang, die Musik wirkt frisch und improvisiert. Ihr Debutalbum „Isaak´s Marble“ wurde 2024 veröffentlicht, das zweite ist in Vorbereitung. Die Bedingungen für HEATH sind schwierig. Nicht nur dass sie den Festivaltag mittags eröffnen, es herrscht auch recht starker Wind, der durch wehende Vorhänge hinter der Bühne von der Aufmerksamkeit auf die Band durch ungewollte Einblicke in den Backstage Bereich ablenkt. Nicht zuletzt setzt der Regen ein, und anstatt der Musik zu lauschen, eilen viele Fans zu den in dem Moment wieder kostenlos bereitgestellten Regenponchos. Unabhängig von diesen Bedingungen erleben wir einen Auftritt einer spannenden Band, von der sicher in Zukunft noch zu hören sein wird.

Setlist Heath

Isaac’s Marble
Birdie
Whipping Post (Allman Brother Band Cover)
Murmmuriations

Sylvan

Die folgende Band hier vorzustellen, wäre wie Holz in den Wald zu tragen. Handelt es sich mit SYLVAN doch im eines der Flagschiffe unter den deutschen Prog Rock Bands. Eher selten spielen sie derzeit auf den Prog Bühnen Europas. Das letzte Studio Album „One To Zero“ liegt nun auch schon vier Jahre zurück, aber immerhin gibt es mit „Back To Live“ ein Live-Album aus dem Jahr 2023 zu kaufen.

Ihr bekannter sinfonischer Breitwandsound begeistert, das Publikum lauscht aufmerksam. Dies merkt man besonders in ruhigen Momenten ihrer Musik, als die klatschenden Regentropfen auf den Ponchos der benachbarten Fans laut und deutlich zu hören sind und auch das häufig an solchen Stellen zu hörende Volksgemurmel aus bleibt. Als Marco Glühmann gerade nach etwa einer Stunde die letzten zwei  Titel des Sets ansagt und das Publikum sich in „In Chains“ eingehört hat –  Stromausfall.

Offenbar ist es nicht damit getan, eine Sicherung zu erneuern, etwas trocken zu wischen oder einen Stecker wieder reinzustecken, denn das Konzert ist an der Stelle zu Ende. Schade, denn gerade meinen viele, eine zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratene tolle Prog  Band wiederzuentdecken. Das Publikum und die Band lächeln das gemeinsam weg, der Beifall ist lang, und es entsteht so unerwartet Zeit für die Jungs, von der Bühne herab mit den Fans ins Gespräch zu kommen.

Setlist Sylvan

In Between
Encoded At Heart
Trust In Yourself
The Colors Changed
Vapour Trail
In Chains

Wheel

Die nächste Band erscheint mit aufgesetzten bösen Blicken und Metal Posen auf der Bühne. Die finnischen Prog Metaller von WHEEL sind angesagt. Allen Sorgen zum Trotz wurde in der verlängerten Pause die Stromversorgung wieder hergestellt, und dieses und alle weiteren Konzerte liefen ohne Vorkommnisse. 2015 gegründet hatten wir schon einiges Gutes von der Adresse WHEEL gehört.

Das angestammte Trio um den Boss James Lascelle (es spielen noch Jussi Turunen an der Gitarre und Santeri Saksala an den Drums) hat sich heute durch Jehre Lehto am Bass verstärkt. Die Band sieht sich in der Tradition von Tool, Karnivool oder The Mars Volta. Ihr aktuelles drittes Album „Charismatic Leaders“ kam 2024 auf den Markt. Das Gehörte fasziniert schon irgendwie; aber man hat den Eindruck, dass es die Finnen besonders schwer haben, gegen das heutige Wetter anzuspielen. Denn der Regen raubt doch etwas die Konzentration auf diesen ebenfalls spannenden Act.

Setlist Wheel

Porcelain
Fugue
Empire
Dissipating
Lacking
Movement
Vultures
Wheel

Haunt The Woods

Ein Auftritt der sympatischen Briten war in Maastricht eigentlich nicht vorgesehen. Aber sie sitzen nun mal als Vorband des heutigen Co-Headliners WEATHER SYSTEMS mit im Tourbus und sind damit heute sowieso vor Ort. Was also tun als Festivalveranstalter. Die Sympathieträger der letzten Edition einfach im Publikum hin und her laufen und Hände schütteln lassen? Nein! Und es wurde auch eine tolle Lösung gefunden, und zwar so klasse, dass dieses Konzert von so manchem Fan später als das Beste des Festivals bezeichnet werden sollte. Denn die Band spielt in der jetzigen Umbaupause als einzige Band in der Halle auf einer Art Balkon in vielleicht 10m Höhe.

Das Publikum füllt den breiten Gang davor vollständig auf, so dass sich einerseits für das Publikum von unten, aber auch für die Band von oben eine unvergeßliche und eindrucksvolle Szenerie ergibt. Eine Lichtshow fällt aus, daber der Sound ist sehr gut und überall klar hörbar. Die Musik kommt wieder entspannt, aber voller Leidenschaft von diesem Balkon. Das Publikum ist still, lauscht andächtig und fällt nach Ende der Songs in einen begeisterten Applaus. Ein bemerkenswerter und besonderer Auftritt, den niemand der Anwesenden in der Halle so schnell vergessen wird.

Setlist Haunt The Woods

Elephant
Gold
Ubiquity
Overflow
The Line Pt II
Helter Skelter
Said And Done

Alex Henry Foster

Der Protagonist ist nahezu das gesamte Festival irgendwo im Publikum zu beobachten. Stets ist er von Fans umgeben. Er umarmt jeden einzeln, nimmt sich Zeit, lacht und redet ausführlich mit allen  die es wollen. Das ist keine Arbeit mit Fans, er lebt das so. Nach größeren gesundheitlichen Problemen in den vergangenen Jahren (u.a. eine OP am offenen Herzen) genießt er jede Minute seines Lebens. Und die Fans geben ihm das in stark zunehmender Zahl zurück. So sind seine Konzerte magisch, voller Leidenschaft und schon beinahe musikalische Happenings. Das heutige ist dabei keine Ausnahme.

Es werden auch nur vier Stücke gespielt, die nicht verfrickelt oder komplex sind, sondern besonders durch langes Ausspielen diese spezielle eigene Stimmung verbreiten. Gesprochene leidenschaftliche Botschaften mit Musik untermalt sind dabei nicht selten. So liefert ALEX HENRY FOSTER heute wieder ein beeindruckendes Konzert ab. Die live erzeugte Stimmung können seine Tonträger so nicht wiedergeben. Irgendwann fragt er ins Publikum wie spät es denn sei, ob noch Zeit für ein weiteres Stück bleibt. Leider ist das nicht der Fall. Das fühlt sich so an, als ob er nach einer musikalischen Trance wieder im Hier und Jetzt gelandet ist. Ok, dann beendet er eben das Konzert und trifft sich mit den Fans danach irgendwo. Wir kommen wieder, gerne zu einem Konzert, was genauso beeindruckt, wo aber der Regen nicht wie heute die Partystimmung trübt.

Setlist Alex Henry Foster

Lavender Sky
I’m Afraid
The Son Of Hannah
The Hunter (By The Seaside Window)  

Weather Systems

Offenbar hat der Stromausfall bei SYLVAN heute nachmittag Sorgenfalten auf Daniel Cavanaghs Stirn getrieben. Denn er verkündet zu Konzertbeginn eine Umstellung der Tour-Setlist in der Art, dass die Stücke die er unbedingt spielen möchte zum Anfang kommen, damit diese gelaufen sind, falls abgebrochen werden muss. Gerade heute ist der Bandname praktisch Tagesprogramm. Und so beginnt WEATHER SYSTEMS gleich mit „Untouchable part 1-3“, die sonst als Konzerthighlight auf der Tour erst gegen Ende laufen.

Diese Sorge ist zwar verfrüht, läuft das Konzert doch ohne technische Probleme ab, aber mit diesem emotionalen Knller hat die Band sofort das gesamte Publikum hinter sich. Diese Band füllt die Lücke, die ANATHEMA mit ihrer Auflösung 2021gerissen haben, mit Bravour. Ihr 2024er Album „Ocean Without A Shore“ gehört laut Fanmeinung zu den besten Alben des Prog aus dem vergangenen Jahr. Das Konzert reiht ANATHEMA und WEATHER SYSTEMS-Stücke aneinander, als wären sie von der gleichen Band.

Auch wenn es wetterbedingt trotz der Bemühungen von Soraya Silva und Daniel Cavanagh an den Mikrofonen nicht gelingt, das Publikum in die gewünschte Partystimmung versetzen, ist das Publikum doch begeistert bis ergriffen vom Wieder- und Neuhören dieser Musik. Man kann nur wünschen, dass das Album und diese Tour keine Eintagsfliege bleibt und es eine Zukunft mit der Band WEATHER SYSTEMS gibt.

Setlist Weather Systems

Untouchable Part 1 – 3
Synaesthesia
Do Angels Sing Like Rain?
Springfield
Closer
Ocean Without A Shore
A Simple Mistake
Fragile Dreams

Soen

Auch wenn SOEN schon 2004 gegründet wurde, ist der Zuspruch der Fans erst in den letzten Jahren enorm gewachsen, Drei Alben in den letzten vier Jahren, die allesamt Chartnotierungen verzeichnen, und ausverkaufte Konzerte auf der letzten Tour 2024 versprechen einen würdigen Headliner. Von diesen drei Alben stammen auch fast alle Titel des Sets. Melodiöser und wuchtiger Prog Metal erinnert uns beim Lauschen an Bands wie Tool, Opeth oder Anathema.

Das Licht ist klasse, kriegerische Soundscapes beispielsweise sind beängstigend gut mit Stroboscop untermalt. Der Sound ist genau so gut. Die Band zeigt sich nahbar, sucht immer wieder am Bühnenrand den Kontakt zum Publikum und bedankt sich bei ihren Fans für die jahrelange Treue, und heute bei dem Wetter durchgehalten zu haben. Ein perfekter Kracher also zum Ende des Festivals. Das Publikum genießt die Show, ist aber nach unserer Einschätzung nach diesem hauptsächlich wetterbedingt anstrengenden Festivaltag nicht mehr so richtig in der Lage, den frenetischen Beifall zu liefern, den diese Show verdient gehabt hätte. Für Fans die nicht genug bekommen können: die Band ist bis September weiter fleißig unterwegs und darf beispielsweise auch auf der 2025er Edition des Wacken Festivals spielen.

Setlist Soen

Intro
Sincere
Martyrs
Savia
Memorial
Lascivious
Unbreakable
Deceiver
Vitals
Monarch
Illusion
Modesty
Lotus

Zugaben

Antagonist
Violence

Fazit:

Das Geheimnis mit der Kapazität des heutigen Festivals gilt es noch zu lüften. Wir sind überrascht als Ingo Dassen uns auf die Frage hin mitteilt, dass auf den Traversen 900 Personen Platz finden sollen. Die geringe Höhe dieser Traversen lenkt davon ab, dass der Sitzbereich ziemlich breit angelegt ist. Dazu kommt noch ein ordentlicher Stehplatzbereich vor der Bühne, wo bestimmt noch einmal 200-300 Leute Platz finden würden. Das Wichtigste aber ist: Die Muziekgieterij in Maastricht wird die neue Heimat des Midsummer Prog Festivals werden. Für die 2026er Edition ist mit dem 19. und 20. Juni das Datum bereits fix, Karten sind schon im Vorverkauf. Damit ist für Fans und Veranstalter erstmal Planungssicherheit gegeben. Wir sind gespannt, was Rob Palmen, Ingo Dassen und Team da auf die Beine stellen werden. Das Venue ist zwar nicht so schön wie das vorher verwendete Openluchttheater in Valkenburg, dafür ist aber viel mehr Platz. Wenn man zum Festival den kleinen, den großen Saal UND das Open Air-Gelände nutzen möchte, ergeben sich mit möglichen drei Bühnen unendliche Möglichkeiten, ein Prog Festival zu gestalten.

Kritisch anzumerken sind vor allem noch einmal die improvisiert wirkenden Sitztraversen. Sie sind nach unten offen; das heißt sitzt man in den oberen zwei Dritteln und es fällt da etwas hindurch, hat man erstmal keine Chance es wieder zu bekommen. Wir haben Fans einen Eingang in diese Katakomben suchen und unter uns entlang kriechen sehen, um wieder zu ihren Handys zu kommen. Rob Palmen hat das erkannt und gelobt Besserung für kommendes Jahr. Das Imbißangebot mit Burgern, Pommes und Waffeln war auch recht dünn; das haben wir in Valkenburg besser gesehen. Für das Wetter kann keiner. Jetzt aber genug gemeckert. Das Festival war toll, die Bands allesamt wieder handverlesen ausgesucht, und es würde uns schon sehr wundern, wenn wir 2026 beim Midsummer Festival nicht wieder dabei sein sollten.

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