Livereport: The Flower Kings | Neal Morse & The Resonance, Wroclaw und Prag 2025

Vorwort

Eine spannende Kombination des sinfonischen Retro-Prog hat sich für diese aktuelle Tour zusammengefunden, die in 13 Konzerten durch 10 europäische Länder führt. Beide Acts, The Flower Kings aus Schweden und Neal Morse aus den USA, sind seit Jahrzehnten aktiv, zählen zu den tragenden Säulen des Progressive Rock und müssen hier nicht weiter vorgestellt werden. Die Zusammenarbeit von Roine Stolt (Motor der Flower Kings) und Neal Morse in Transatlantic ist beinahe schon legendär, aber auch gemeinsame Touren der beiden Hauskapellen dieser Herren hat es bereits gegeben.

2013 war es die Neal Morse Band auf ihrer ersten Europa-Tour, die von den Flower Kings wie heute als Co-Headliner begleitet wurde. Zwölf Jahre später gibt es nun eine modifizierte gemeinsame Tour. Das Interessante an den aktuellen Konzerten ist, dass beide Acts neue Alben am Start haben, die hier auch live präsentiert werden. Hut ab, dass sich die erfahrenen Roine Stolt und Neal Morse nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, sondern den Mut haben, weiter neue Musik zu produzieren und diese auch live zu präsentieren.

13 Konzerte dieses Doppels in Europa sind nicht viel, zumal die ersten beiden Konzerte in Schweden noch Neal Morse ohne seine „The Resonance“ als Solokonzerte gestaltet hat. Wir leisten uns aus regionalen Gründen den Luxus, auf das Deutschland-Konzert in Aschaffenburg zu verzichten, dafür aber gleich zwei Konzerte – in Wroclaw und in Prag – zu besuchen.

Die Spielstätten

Zunächst finden wir die „Radio Wroclaw Concert Hall“ an einer belebten Zufahrtsstraße in Richtung Innenstadt. Im eher kleinen Vorraum suchen wir Gastronomie komplett vergebens. Es gibt nur einen Getränkeautomaten, der auch nicht wirklich macht, was er soll. So sind wir gezwungen, nicht nur den Hunger zu übergehen, sondern auch auf das obligatorische Konzertbier verzichten zu müssen. Danach begrüßt uns ein bestuhlter und nicht zu großer Konzertsaal. Der Saal ist mit vielleicht 300 Besuchern gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Optisch prägend sehen wir eine große Orgel hinter dem Bühnenaufbau. Das Platz nehmende Publikum scheint in dieser Szenerie ergriffen. Anders können wir es uns nicht erklären, dass vor dem Konzert eine nahezu gespenstische Ruhe im Saal herrscht. Gesprochen wird fast nur flüsternd. Als hinter der Bühne knarrend eine Holztür öffnet und Hasse Fröberg noch einmal etwas auf der Bühne checkt, gibt es nicht mal einen Begeisterungs- oder Begrüßungsruf.

Beide Bands haben dann Mühe, sich in ihren Konzerten unter schwierigen Bedingungen ihr Publikum zu erspielen. Schwierig vor allem deshalb, weil der hohe Raum viel Hall generiert. Viel Platz hinter dem Bühnenaufbau erschwert diese akustische Situation weiter. Das Ganze mag bei klassischen Konzerten ohne technische Verstärkung einen wunderbaren Klang generieren, den Soundtechnikern von Rock-Konzerten macht dies aber ihr Berufsleben schwer. Unser Eindruck ist, dass dies bei den Flower Kings noch halbwegs funktioniert, bei Neal Morse & The Resonance jedoch in komplettem Soundbrei endet.

Da ändert es auch nichts, wenn Neal Morse auf der Bühne seine Jungs zum leisen Spielen animiert. Überraschend dabei ist, dass die Musiker von diesem klanglichen Fiasko (da gibt es leider nicht viel zu beschönigen) offenbar gar nicht so viel mitbekommen. Das beschreiben uns jedenfalls nachher die Herren der Flower Kings, die mit ihrem Monitorsound auf der Bühne ganz zufrieden waren. Das Licht ist effektvoll und dezent, nachdem sich Roine Stolt nach drei Stücken offen das bis dahin verwendete Stroboskoplicht verbietet.

Nach diesem doch eher durchwachsenen Konzertabend sind wir umso mehr froh, noch ein zweites Konzert im „Palac Akropolis“ in Prag besuchen zu können. Der Club ist uns nach mehreren Besuchen schon gut bekannt, der Abend kann klanglich sowie in Atmosphäre und Stimmung nur besser werden. Und so kommt es dann auch. Man fühlt sich, auch wegen unserer Vorbesuche, hier ein bisschen wie zu Hause. Insbesondere das Konzert der Flower Kings wird heute besonders und magisch werden, doch dazu gleich mehr. Das Licht ist eher noch dezenter als am Tag zuvor, aber keine äußeren Gegebenheiten lenken vom Konzerterlebnis ab. Der Sound beider Konzerte ist abseits jeder Kritik. Danke an der Stelle mal an Varg Lund, der hier beide Konzerte klanglich abgebildet hat.

The Flower Kings

Nach Betreten der Bühne mahnt Hasse Fröberg das Publikum schnell zur Ruhe, denn ruhig beginnt das Konzert. Vor ihm ist ein kleiner Perkussionsbereich aufgebaut, und er spielt, abweichend vom Album, ein Intro zu „We Claim The Moon“ auf einer Mini-Steel-Drum. Das passt sogar besser zum Song als das Intro auf dem Album. Das Spielen von vier Stücken des aktuellen Albums „Love“ am Anfang des Sets freut uns sehr. Denn trotz inzwischen schon fünf neuer Studioalben seit 2018 spielten diese bei den Konzerten seitdem fast keine Rolle. Das Konzept der Live-Präsentation ausschließlich alter Stücke lief sich in den letzten ein bis zwei Jahren etwas fest, was sich in zunehmend routiniertem Abspielen der Songs auf der Bühne äußerte. Dies ist nun erfrischend anders; die Stücke des Albums passen harmonisch zu den weiter handverlesen ausgesuchten maximal drei älteren Stücken pro Konzert.

Das Konzert in Prag ist nicht nur durch die besondere Setlist dieses Abends einige extra Notizen wert. Einer der stärksten Titel der Band, „Last Minute On Earth“, hat es es heute wieder in das Set geschafft. „What If God Is Alone“ wurde nirgends anders auf der gesamten Tour gespielt. Nur heute, angeblich auf Wunsch eines engen Fans. Das wirklich Besondere dieses Abends ist aber das heutige Gastspiel des in Prag beheimateten Aliaksandr Yasinski mit und in der Band. Okay, er hat auf den letzten Alben bei einzelnen Songs mitgewirkt. Aber dass er heute in der Band bei den meisten Songs nicht nur begleitet, sondern in die Band richtig integriert scheint, ist doch ziemlich überraschend.

Er gibt den Songs mit seinem Akkordeon eine zusätzliche, besondere Wärme. Insbesondere das instrumentale Intro zu „Big Puzzle“ wirkt, obwohl improvisiert, als ob er das gemeinsam mit Lalle Larsson jeden Abend macht. Das Ganze ist kaum geprobt, wirkt aber trotzdem eingespielt und richtig magisch. Er bekommt musikalischen Freiraum, wird in der Band akzeptiert und von den Jungs angelächelt. Man lässt ihn richtig gewähren! Ob es einmal dazu kommt, dass er eine ganze Tour der Flower Kings begleitet? Wer weiß. Passen würde das auf alle Fälle.

Setlist „The Flower Kings“ Wroclaw

We Claim The Moon
How Can You Leave Us Now?
Considerations
The Elder
Piano Solo
Big Puzzle
The Dream

Setlist „The Flower Kings“ Prag

We Claim The Moon
How Can YouLeave Us Now?
Considerations
The Elder
Last Minute On Earth
Piano & Akkordeon Battle
Big Puzzle
What If God Is Alone

Neal Morse & The Resonance

Nach dem (temporären?) Auseinanderfallen der Neal Morse Band überlegte der Meister, womit er sich denn im Jahr 2023 beschäftigen könne. So scharte er ein paar junge und talentierte Musiker aus seiner Gegend um sich und spielte das Album „No Hill For A Climber“ ein, welches auf dieser Tour präsentiert wird. Außer dem Song „All The Rage“ wird das Album komplett aufgeführt. Auffällig ist in der Live-Präsentation, dass Neal Morse sich zwar vorn in der Mitte der Bühne postiert, sich aber vielfach zurücknimmt, seine Jungs machen lässt und deren Show genießt.

Abweichend zur Neal Morse Band, wo gefühlt jede Note auf Perfektion überprüft worden ist, nimmt man hier mehr Spielfreude und Mut zum Experiment wahr, was sich beispielsweise in einem Gitarrenduell von Andre Madatian und Neal Morse am Anfang zu „Ever Interceding“ niederschlägt. Es ist eine beinahe schon Spielwut von The Resonance zu beobachten, und der Meister muss in Breslau seine Jungs schon mal gestikulierend etwas einbremsen. Dabei bleibt Neal Morse natürlich Neal Morse und erfindet seine Musik dabei nicht neu. Heraus zu stellen ist die Gitarrenarbeit von Andre Madatian, der offenbar die Stücke auch arrangiert hat. Vor allem aber brilliert am Mikrofon Johnny Bisaha, der auf dem Album noch etwas wie Eric Gillette klingt, in den Konzerten aber doch ein recht eigenes Stimmprofil präsentiert. Er teilt sich die Gesangsarbeit mit Neal Morse, möglicherweise ist sein Anteil in den Stücken sogar größer.

Der Unterschied im Sound zwischen Breslau und Prag wurde schon beschrieben, ansonsten sehen wir an beiden Orten das gleiche Konzert. Roine Stolt kündigt in Prag an, dass es Neal Morse ziemlich schlecht gehen würde und er sich ob des nach ihm folgenden Konzertes nicht sicher sei. Im Konzert ist davon jedenfalls nichts zu spüren; im Gegenteil: gegen Konzertende hier rührt ihn das Ganze zu Tränen, so dass er sich einmal wieder Taschentücher nehmen muss.

Für die von vielen erwartete, vielleicht auch ersehnte Transatlantic-Zugabe wurden beide Bands nicht vereint, sondern „nur“ Roine Stolt zu Neal Morse & The Resonance hinzugenommen. Für das Publikum tat das nichts zur Sache. Die Kombination der Klassiker „Bridge Across Forever“ und „Stranger In Your Soul“ wurde begeistert aufgenommen und abgefeiert.

Setlist „Neal Morse & The Resonance“ Wroclaw und Prag

Eternity In Your Eyes
Thief
Ever Intercedinge
No Hill For A Climber

Zugabe

Bridge Across Forever / Stranger In Your Soul (Edit)

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