Review: Ritual – The Hemulic Voluntary Band

Die schwedische Band RITUAL wurde bereits 1992 gegründet und ist bis heute in unveränderter Besetzung zusammen. Dem deutschen Publikum ist RITUAL besonders durch Tourneen mit RPWL 2003, einem Auftritt beim Burg-Herzberg-Festival im selben Jahr, mit ANEKDOTEN 2004 sowie mit BEARDFISH und THE TANGENT 2008 bekannt. Zweimal führten diese Tourneen auch in den Bergkeller Reichenbach. Seitdem wurde es sehr still um RITUAL, man wußte so manches Mal nicht ob die Band überhaupt noch existiert. Außer sporadischen Einzel-Auftritten in Schweden gab es nichts zu vermelden, obwohl bereits 2009 die Arbeit an neuem Material bekannt gegeben worden war.

Tracklist:

1. The Hemulic Voluntary Band (4:53)

2. In The Wild (5:33)

3. Late In November (4:56)

4. The Groke (6:05)

5. Waiting By The Bridge (4:36)

6. A Dangerous Journey (26:33)

Die Faszination ihrer Musik und ihrer Auftritte ist schwer in Worte zu fassen. Neben mitreißendem Prog ist schwedischer Folk ein ganz wesentliches Element von Ritual. Auf allen Alben sind zu etwa gleichen Teilen kraftvoller Progressive Rock einerseits und rein akustisch eingespielte Songs andererseits enthalten, die beispielsweise auf Bouzuki, Mandoline, Flöten oder der schwer zu spielenden Schlüsselfidel (Nyckel Harpa) auch live gespielt werden. Das steht alles gleichberechtigt nebeneinander und verträgt sich auf den Alben wunderbar. Vergleichbar sind RITUAL Konzerte vielleicht mit denen von LAZULI, obwohl derartige Vergleiche immer einen Hinkefuß haben.

Die Fans jedenfalls, die damals die Band erleben konnten, waren geflasht und begeistert von Musik und Auftreten der Schweden, haben die Konzerte nie vergessen und sehnen sich seit langem nach neuem Material und neuen Konzerten. Nun ist das erste Auslandskonzert von RITUAL seit 14 Jahren im Rahmen des 10. ArtRock-Festivals in Reichenbach für den 8. April 2022 angekündigt. Da immer noch kein neues Album veröffentlicht ist und um auch alle Festivalbesucher, denen RITUAL bisher vielleicht gar nichts sagt, auf dieses Highlight neugierig zu machen, soll hier Augenmerk auf deren bisher letzten Long-Player “The Hemulic Voluntary Band” gelegt werden, ihr bis dato bestes und reifstes Album.

RITUAL hat sich bereits seit ihrem ersten Album zu einem wesentlichen Teil der Sagenwelt des schwedischen Autors Tove Jansson verschrieben. Während auf den ersten 3 Alben in einzelnen Songs seine Geschichten vertont wurden, sind es auf “The Hemulic Voluntary Band” bis auf ein Stück alle, die auf seinen Stories beruhen bzw. von ihnen inspiriert sind. “Hemulen” sind beispielsweise von Tove Jansson erdachte Figuren. Die tiefe Identifikation mit der Thematik zeigt sich im Albumtitel, in den gezeichneten vier schrägen Figuren des Albumcovers und dem Titelsong “We ́re the Hemulic Voluntary Band/We ́re ready to play/Ready to make you people want to stay”.

Dieser Titelsong eröffnet das Album als trocken eingespieltes Stück mit Ohrwurmcharakter. Es folgt “In The Wild” mit typischem Ritualschem Wumms plus wunderbar ruhigem Piano-Solo in der Mitte. Es geht hier um die immer wieder über die Jahre in ihren Songs dargestellte Naturverbundenheit und die Sorge um Klima und Naturschutz. Nicht erst seit es modern ist. Es folgt “Late In November”, eines dieser wunderbaren akustisch eingespielten Werke. Hier: besser kann tristes November-Feeling nicht ausgedrückt werden! Bei der Musik von “The Groke” und der betreffenden Zeichnung im CD Inlay spürt man förmlich den schweren taumelnden Schritt eines Trolls. Mit dem netten und positiven “Waiting By The Bridge” endet der erste Teil des Albums.

Der zweite Teil besteht aus dem sechsundzwanzig einhalb Minuten langem Werk “A Dangerous Journey”. Hier ist ein komplettes Kinderbuch von Tove Jansson in Musik gegossen worden. Die Geschichte ist schnell erklärt: es ist eine Art “Alice-im-Wunderland”-Story. Wir haben hier Susanna, die auf der Suche nach ihrer Katze ziemlich wundersame Szenen erlebt und dabei eigenartige Figuren kennenlernt. Dieses “Buch”-Gefühl hat man auch beim Hören. Lyrische Szenen und musikalische Motive sind klar aneinandergereiht, führen zum nächsten Ereignis auf der Reise von Susanna linear immer weiter, bis wir wieder am Anfang ankommen.

Dieser Longtrack ist weit weg von einem, den man als geübter Progressive-Rock-Fan erwartet. Die ersten 10 Minuten sind getragene akustische Folk-Musik, danach wechseln sich rockige und akustische Parts ab. Ein faszinierendes Stück Musik; wie ein Buch das man liest oder einen Film den man sieht.

Man darf sehr gespannt sein, was RITUAL jetzt in der Pipeline haben. Angeregt mit dieser intensiven Beschäftigung insbesondere mit der Thematik bei “A Dangerous Journey” hat der Bassist von Ritual, Frederic Lindquist, eine eigene Story erdacht, die “The Story of Mr. Bogd” heißt und auf gleich zwei neuen Alben veröffentlicht werden soll. Die erste Ausgabe soll nun endlich im Jahr 2022 erscheinen. Einen vielversprechenden musikalischen Vorgeschmack gibt es ja bereits auf der 20 minütigen EP “Glimpses from The Story of Mr. Bogd”, die im November 2020 erschienen ist (siehe auch unter “Reviews” hier auf den STONE PROG Seiten).

Wertung: 9,5/10

RITUAL:

Jon Gamble (keyb, harmonium, piano)

Fredric Lindquist (bass, Bouzouki, Flöten)

Patrick Lundström (voc, git)

Johan Nordgren (dr, Schlüsselfidel)

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