Livereport: Marillion Weekend, Port Zélande | 17.-19.03.2023

MARILLION und ihre Fans feiern in diesem Jahr ein krummes Jubiläum, 21 Jahre MARILLION Weekends. 2002 fand die erste MARILLION Convention im Pontins Holiday Camp in Brean Sands, im Süd-Westen Englands statt und lockte Fans aus aller Welt an. Seither haben sich die Weekends als fester Bestandteil des Tour-Geschehens von MARILLION etabliert. Das wohl größte und bei den Fans beliebteste Weekend findet seit 2007 im niederländischen Port Zélande statt. Fans aus 43 Ländern machten sich in diesem Jahr auf den Weg an die Nordsee-Küste, um mit Gleichgesinnten an einem Wochenende friedlich beieinander zu sein, und natürlich, um drei exklusive MARILLION-Shows zu erleben. Doch nicht nur das. Die Weekends in Port Zélande beinhalten auch immer ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Nachmittagsshows verschiedener Künstler oder Bands, mit Disco, Merchandise, Autogrammstunden, Sport und Spiel.

Seit 2015 gehören auch wir zu den Fans, die sich dieses besondere Event nicht mehr entgehen lassen wollen. Hier nun ein kurzer Bericht darüber, was wir 2023 in Port Zélande erlebt haben. Angereist aus verschiedenen Regionen Deutschlands, hatten wir uns zu siebt ein Cottage gemietet. Während viele Fans bereits den Donnerstagabend nutzten, um bei ‚Lucy’s 80’s Disco & Fancy Dress Party‘ in Kostümen ordentlich abzufeiern, ließen wir es ruhiger angehen, denn die Erfahrung lehrte uns, dass ein MARILLION Weekend, auch ohne Party am ersten Abend, anstrengend genug sein kann.

Freitag, 17. März 2023

Für uns sollte es am Freitag so richtig losgehen. Sportbegeisterte Fans schlossen sich am Vormittag ‚Mark Kelly’s Fun Run‘ an. Wir begnügten uns mit einem Spaziergang zum Nordseestrand. Am Nachmittag holten wir uns die vorbestellten Fan Club Shirts von The Web Germany und stellten uns tatsächlich beim Merchandise an, wohlwissend, dass dies mindestens eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen würde. Doch als gelernte Ostdeutsche haben wir das Schlangestehen wohl noch im Blut. Schließlich klingelten so einige unserer Euros in MARILLIONs Kassen.

Um 18:00 Uhr hieß es am Festival-Zelt ‚Doors Open‘ und eine Stunde später stand mit DILEMMA der Support Act des ersten Abends auf der Bühne. Die niederländische Band, die ich 2019 auf dem Night Of The Prog Festival erstmalig live erlebt hatte, begeisterte an diesem Abend in neuer Besetzung. Neben Collin Leijenaar (Drums), Robin Zuiderveld (Keyboards) und Paul Crezee (Gitarre) standen Bassist Kristoffer Gildenlöw und Sänger Jermain van der Bogt aka Wudstik (Ayreon, For All We Know) mit auf der Bühne. Die eindringliche Stimme von Wudstik und seine Art, die Songs zu interpretieren, verliehen den meist eingängigen Stücken deutlich mehr an Härte. DILEMMA lieferten einen brillanten Gig, der auf ganzer Linie zu überzeugen vermochte.

MARILLION hielten sich in diesem Jahr bedeckt, was die Mottos der drei Shows anbelangt. Die Setlists blieben also eine Überraschung für alle. Doch die Band hatte sich intensiv Gedanken gemacht, womit sie ihre Fans begeistern könnte. Zwischen den fünf Teilen des Songs El Dorado und den fünf Parts des Stücks The Leavers vom Erfolgsalbum F.E.A.R. aus dem Jahr 2016, spielte die Band eine ausgewogene Mischung eher ruhigerer Songs der frühen Alben der Hogarth-Ära. Mit Warm Wet Circles und That Time of the Night wurden auch die Fish Fans zufrieden gestellt. Das hymnische The Leavers: Part V. – One Tonight, sorgte für Begeisterungsausbrüche bei den Fans. Die beiden Zugaben Three Minute Boy und der Longtrack This Strange Engine schufen weitere Glücksgefühle an diesem ersten Abend. Die Band zeigte sich bestens aufgelegt und Steve ‚h‘ Hogarth, der wieder mal alles gab, war stimmlich in Topform. Für den fantastischen Sound zeichnet seit Jahren Phil Brown verantwortlich und was wären MARILLION Konzerte ohne die außergewöhnliche Licht- und Videokonzeption eines Yenz Nyholm? So könnte es die nächsten zwei Abende weitergehen.

Setlist Freitag

El Dorado: I-V

This Train Is My Life

The Party

One Fine Day

Fantastic Place

No One Can

Dry Land

Warm Wet Circles

That Time of the Night (The Short Straw)

The Leavers: I-V

Encore

Three Minute Boy

    This Strange Engine

      Samstag, 18. März 2023

      Am Samstag stand für uns schon am Nachmittag Musik auf dem Programm. Das Dave Foster Trio spielte in der Adventure Factory ein Akustik-Set aus älteren und aktuellen Songs. Sängerin Dinet Poortman und Gitarrist Dave Foster boten dabei gemeinsam mit Tastenvirtuose Riccardo Romano (RanestRane) mit dem Song Dive In einen ersten Einblick in das neue Album Glimmer der Dave Foster Band, das am 21. April 2023 erscheinen wird.

      Pure Reason Revolution eröffneten den zweiten Konzertabend im Zelt. Auch diese Band spielte in erweiterter Besetzung im Vergleich zu ihrem Gig auf dem Night Of The Prog Festival 2022. Das Quintett um die beiden Mitbegründer der Band, Jon Courtney (Gitarre, Gesang, Keyboards) und Greg Jong (Gesang und Gitarre), lieferte in Port Zélande eine eindrucksvolle Performance mit überwiegend älteren Songs, aber auch mit zwei Stücken der letzten beiden Alben Eupnea (2020) und Above Cirrus (2022). Pure Reason Revolution wussten bei den MARILLION Fans zu gefallen. Meinen persönlichen Geschmack traf die Band allerdings nicht. Für mich ist die Musik von Pure Reason Revolution zu austauschbar.

      Völlig anders verhält es sich bei MARILLION. Die Band hat insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten ihren absolut eigenen Stil gefunden, der mit keiner anderen Band vergleichbar ist. Um 20:30 Uhr gingen die Lichter aus und auf der Videowand erschien der Schriftzug “Save us from Ourselves”. Dazu erklangen die Keyboardsounds und die Chöre zu dem Song Be Hard On Yourself.

      Der Samstag in Port Zélande wäre gewohnheitsmäßig Album-Abend, verkündete Steve Hogarth nach dem Song. So kamen wir in den Genuss des aktuellen Werks An Hour Before It’s Dark, dem durch die Corona-Pandemie beeinflussten Erfolgsalbum. Das Album wurde jedoch nicht einfach so heruntergespielt. Die Band wartete mit Gästen auf. Percussionist Louís Jardim hatte seinen Platz zwischen Schlagzeuger Ian Mosley und Keyboarder Mark Kelly eingenommen. Fans kennen ihn schon von Konzerten aus dem vergangenen Jahr. Ab dem Song The Crow and the Nightingale kamen die Damen des Streichquartetts In Praise of Folly hinzu. Somit erklangen die letzten Songs des Albums in erweiterten Arrangements. Steve Hogarth hatte sich zu The Crow and the Nightingale ein neues Outfit zugelegt. Seine schwarze, an das Federkleid einer Krähe erinnernde Jacke, sorgte für Erheiterung bei den Fans. Doch er mimte die Krähe recht eindrucksvoll, bei diesem Leonhard Cohen gewidmeten Song. Der absolute Höhepunkt des Albums ist und bleibt das vierteilige Care mit seinem eindringlichen Schlusspart Angels on Earth, das in der Live-Version zu einem besonders emotionalen Erlebnis wurde.

      Wer an dieser Stelle dachte, das ließe sich nicht mehr toppen, hatte sich gewaltig geirrt. Die Zugaben setzten dem Abend die Krone auf. Während die wunderschön orchestrierten Songs Estonia, Afraid of Sunlight und Go! ebenso berührend daherkamen, wie Care, wurde The Space durch das Streicherarrangement zu einem weiteren emotionalen Höhepunkt. Das rockige Separated Out mit der Streicherpassage aus Led Zeppelins Kashmir und diversen farbigen Ballons, die in die Menge geschossen wurden, brachte die Stimmung schließlich zum Überkochen. Die MARILLION Magie befand sich auf dem Höhepunkt. Wir Fans schwelgten in kollektiven Glücksgefühlen. Auch nach dem Konzert gab es im Zelt kein Halten mehr. Partystimmung, ausgelassene Fans, Tanzen, Polonaisen … solange die Musik weiterlief, wurde im Zelt gefeiert. Von vielen Fans hörte ich hinterher, dass dies das beste MARILLION Konzert gewesen wäre, das sie je erlebt hätten. Unter meine besten drei würde auch ich es einordnen. Auch wir feierten weiter an diesem Abend. Maic, Mitbewohner in unserem Cottage an den Weekends 2017 und 2019, kam mit Freunden und mit seiner Gitarre in unsere Unterkunft. Bei diversen alkoholischen Getränken erklang noch der eine oder andere MARILLION Song bis in die frühen Morgenstunden, frei nach dem Motto „We are all one tonight“.

      Setlist Samstag

      Be Hard On Yourself

      Reprogram the Gene

      Murder Machines

      The Crow and the Nightingale

      Sierra Leone

      Care

      Encore 1

      Estonia

      Afraid of Sunlight

      Go!

      Encore 2

      The Space …

      Encore 3

      Separated Out

          Sonntag, 19. März 2023

          Der Abend im Zelt startete mit einer Plauderstunde unter dem Motto ‚An Audience with MARILLION‘. Ich hörte mir diese Gesprächsrunde als Einziger aus unserer Clique an. Es gab einige nette Momente in dieser Stunde, die von Managerin Lucy Jordache moderiert wurde. Als erstes Highlight kann man die Video-Grußbotschaften verschiedener Künstler zum 21. Jubiläum der MARILLION Weekends ansehen. Richard Barbieri, John Wesley, Steven Wilson, Steve Hackett oder die Band Focus gratulierten zum Jubiläum. Die abgefahrenste Grußbotschaft schickte Nick Beggs, der mit grell-grünem Borat-Mankini String Tanga am Bügelbrett stand und schließlich an einer Hundeleine aus dem Bild gezogen wurde. Auch das gemeinsame Foto der fünf Bandmitglieder mit ihren Ehefrauen vor den begeisterten Fans gehörte zu den Highlights. Der wohl bewegendste Moment war der Heiratsantrag, den Marc seinem italienischen Lebenspartner Vladi auf der Bühne gemacht hatte. Auf der Videowand erschien dazu ein von der niederländischen Künstlerin Marjo Klingenberg entworfenes Kunstwerk mit dem Spruch ‚Waiting To Happen‘. In Erwartung des weiteren Geschehens trafen dann auch die anderen Mitbewohner unseres Cottages ein.

          Die Setlist des letzten Abends zeigte die riesige Bandbreite an Stimmungen, die MARILLION mit ihrer Musik zu erzeugen vermögen. Zunächst spielte die Band vier Songs aus dem Konzeptalbum Brave, bei denen Steve Hogarth stimmlich brillierte und mit seiner theatralischen Performance beeindruckte. Es waren aber auch immer wieder die Gitarrensoli des Steve Rothery, die Gänsehaut erzeugten, wie bei Runaway. Oder wie bei Born to Run, bei dem Rothery sein Blues-Feeling unter Beweis stellte. Offensichtlich ließen es MARILLION an diesem Abend bewusst ruhig angehen. White Paper oder Sugar Mice, vorrangig von den Fans gesungen, alles Balladen. Viele der Songs hatte die Band eher selten im Programm, oder noch nie live gespielt, wie das Stück Older Than Me. Vor dem Song Somewhere else musste die Snare von Ian Mosley gewechselt werden. Zur Überbrückung der Pause boten uns Pete Trewavas und Steve Hogarth eine improvisierte Version von The Bell in the Sea, nur Bass und Gesang, rhythmisch begleitet von Louís Jardim und dem Klatschen der Fans.

          Mit A Few Words for the Dead verabschiedete sich die Band von ihren Fans. Der Song wurde durch eine inszenierte Performance zum beeindruckenden Apell für Liebe und Frieden. Steve Hogarth hielt eine Maschinenpistole in einen Lichtkegel, während auf der Leinwand Bilder von Krieg und Zerstörung gezeigt wurden. Schließlich schossen Kanonen tausende von roten Papierherzen in die Luft und Fans kamen mit Transparenten auf die Bühne, auf denen die Textzeile „Or you could love“ in allen Sprachen der anwesenden Nationen zu lesen war.

          Eine Botschaft, die zumindest an diesem Wochenende von den Mitgliedern der weltumspannenden MARILLION Familie gelebt wurde. Es wird in diesem Jahr weitere MARILLION Weekends geben, erstmalig auch eins in Deutschland, im Juni in Berlin. Da wir zu dem Zeitpunkt schon Tickets für den Midsummer Prog gekauft hatten, gönnen wir uns das MARILLION Weekend, das Ende April in Padua stattfinden wird. Wir können einfach nicht genug von dieser Band bekommen.

          Setlist Sonntag

          Bridge

          Living With the Big Lie

          Runaway

          The Hollow Man

          Born to Run

          White Paper

          Sugar Mice

          Genie

          The Fruit of the Wild Rose

          Older Than Me

          Afraid of Sunrise

          Map of the World

          Pour My Love

          A Voice From the Past

          The Bell in the Sea

          Somewhere Else

          Encore

          A Few Words for the Dead

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