Interview: Endlich wieder ein neues (Sub)signal

“Poetry Of Rain” ist der Titel des neuen Albums von Subsignal. Fünf Jahre hat der Nachfolger von “La Muerta” auf sich warten lassen – aber es hat sich gelohnt. Renald Mienert sprach mit Markus Steffen.

Nach den ersten Informationen zu eurem neuen Album habe ich eigentlich mit einem komplett düsteren Werk, fast schon “Depri-Mucke”, gerechnet – ein Spätherbsttag, es wird zu früh dunkel, der Regen plätschert, die Menschen sind griesgrämig. Das habe ich so dann aber gar nicht wahrgenommen.

Ich auch nicht. Ich sehe das Album jetzt auch nicht ausschließlich melancholisch oder depressiv, letzteres gleich gar nicht. Das Album heißt zwar “A Poetry Of Rain”, aber das bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass es sich nur mit negativen Gefühlen auseinandersetzt.

Was eure Musik auszeichnet, ist aus meiner Sicht die Songdienlichkeit. Es gibt wunderschöne Balladen und wenn man bei den rockigen Nummern die Gitarre noch etwas härter gespielt hätte, würdet ihr  fast am Prog Metal kratzen. Und ihr übertreibt es nie mit der Frickelei.

Als wir sozusagen als kleine Jungen mit Sieges Even angefangen haben, sagten wir uns,  wir müssen jetzt was Kompliziertes machen. Damals stand der technische Aspekt im Vordergrund. Du willst  erproben, wozu du fähig bist. Ich kann leider nicht malen, aber wenn ich ein Maler wäre, würde ich versuchen, diese Themen  in einem Bild zu verarbeiten. Jetzt versuche ich, diese Ideen in Musik umzusetzen. Aber im Grunde ist es immer der Song, um den es geht. Eine Geschichte erzählen, ein Bild mit Tönen malen, das ist das Ziel, das wir verfolgen. Vielleicht ist es auch eine Frage des Alters. Wir machen uns keine Gedanken darüber, ob ein Song nun soft oder heavy sein muss, es kommt einfach wie es kommt. Natürlich hätte man die Gitarren noch mehr featuren können, aber Yogi Lang hat das bei der Produktion auf Basis unserer Texte und der Kompositionen genauso empfunden wie wir.

Apropos Sieges Even, ist das immer noch ein Thema?

Ja, ständig eigentlich. Unsere Alben “The Art Of Navigating By The Stars” und “Paramount” sind ja gerade wieder veröffentlicht worden, zum ersten Mal als Vinyl. Die Vergangenheit ist also immer noch da. Als unsere ersten Alben erschienen, hieß es immer, wir sind das Erbe von Sieges Even, aber so haben wir das nie gesehen – Subsignal wurde ja schon zu der Zeit von Sieges Even gegründet. Ich bin aber natürlich auch stolz auf das, was wir mit Sieges Even geleistet haben, es war ein Teil meiner Jugend. Es waren prägende Jahre und ich habe damit kein Problem.

Warum habt  ihr eigentlich mit “La Muerta” das Label gewechselt?

Ganz einfach, der alte Vertrag ist ausgelaufen und Gentle Art of Music haben uns ein Angebot gemacht. Kalle und Yogi sind natürlich Vollprofis und es war für uns auch die Möglichkeit, unseren Horizont produktionstechnisch zu erweitern und etwas Neues zu probieren. Und es hat ja auch bisher prima funktioniert.

Subsignal gehört zu den wenigen Progbands, die regelmäßig in den  Charts vertreten sind.

Ja, die zweite CD “Touchstones” war die erste, die in den Charts war und seitdem haben wir es eigentlich immer geschafft. Was immer das heute auch bedeuten mag. Irgendwo ist es immer noch ein Maßstab. Die physischen Datenträger sind ja nicht ganz verschwunden, CD wird immer weniger, Vinyl immer mehr, Streaming ist das Ding. Ich bin auch jemand, der gerne eine Platte oder eine CD in einer schönen Verpackung in der Hand hält, wo man die Texte und die Liner Notes mitlesen kann. Ich bin da vielleicht etwas Old School, aber jedenfalls sind mir Dinge wie ein Charteinstieg nicht ganz unwichtig.

Im Oktober geht ihr dann ja auch wieder auf Tour…

Für uns waren Liveauftritte immer wichtig. Wir haben es eigentlich immer so gehalten, dass wir ein Album veröffentlicht haben und danach auf Tour gegangen sind. Das versuchen wir jetzt wieder, auch wenn sich die Zeiten geändert haben, was natürlich auch an Corona lag. Die Clubs  und Veranstalter sind vorsichtiger geworden, es ist nicht mehr so leicht, eine Tour zu buchen. Und wir sind natürlich auch älter geworden, jeder hat seine Verantwortlichkeiten. Es ist nicht mehr wie mit zwanzig, wo es heißt, wir gehen mal für sechs Wochen auf Europatour. Aber wenn man zum Beispiel Jahre lang an einem Album arbeitet, ins Studio geht und dann erscheint die CD und das war’s dann, das würde mir persönlich nicht reichen. Für mich hat Musik auch immer etwas mit Interaktion zu tun. Das neue Material auf einer Bühne live zu erproben, ist für mich essentiell und wir wollen das machen, so lange es geht.

Der Song “The Art Of Giving In” wurde von der Ikarus-Legende inspiriert.

Ich lese und beschäftige mich viel mit der antiken Mythologie, weil das für mich auch zeitlose Themen sind. Egal wann man sich mit dem Ikarus-Thema auseinandersetzt, irgendwie fliegt die Menschheit immer zu nah an der Sonne. Gerade wenn man die letzten Jahre mit der Pandemie betrachtet und dem Krieg in der Ukraine. Wie ist es eigentlich möglich, dass die aufgeklärten Menschen von heute einen Krieg in Europa anfangen? In den letzten zweihundert Jahren wurde es immer kritischer, dass sich die Menschheit immer mehr einer Hitze annähert, die eigentlich ihr Verderben ist, Je mehr Technologie, je mehr Möglichkeiten der Mensch hat, desto näher kommt er ihr. Was hat der aufgeklärte Mensch geschafft? Zwei Weltkriege, den Holocaust, die Atombombe, die Erderwärmung.Ich möchte aber auch nicht wie ein Oberlehrer wirken. Ich bin ja auch ein Teil des Ganzen. Ich habe auch ein Smartphone, wo ich nicht weiß, wo dieTeile gebaut wurden oder was ich für Plastikmüll produziere. Ich habe ja auch keine Lösung. Vielleicht ist etwas ganz tief in unserer Psyche verankert, was man als das Böse bezeichnen kann.

Wie bei vielen Bands gibt es auch bei den Subsignal-Mitgliedern diverse andere musikalische Betätigungsfelder…

Dirk unser Drummer ist ja Hans Dampf in allen Gassen und stilistisch sehr breit aufgestellt. Er spielt zum Beispiel bei Jazzprojekten oder der Metal Band Axxis. Markus Maichel, unser Keyboarder, hat eine eigene Band Dante, die auch Prog-Metal machen. Der einzige, der nur Subsignal macht, bin eigentlich ich. Ich habe kein Interesse an Nebenprojekten oder Coverbands.

Auch Subsignal wurden ja von Line-Up Wechseln nicht verschont, auch ganz aktuell….

Ralf, unser langjähriger Bassist, der auch von Anfang an dabei war, ist aus privaten Gründen ausgestiegen. Wir haben aber immer noch ein gutes Verhältnis und er gehört irgendwie immer noch dazu. Der neue Bassist Martijn Horsten ist ja wie Arno auch Holländer und kein wirklich neues Gesicht, er hat ja 2018 die erste Hälfte der La Muerta Tour gespielt und ist ein alter Freund von Arno. Es ist schon unser Anliegen, die Besetzung möglichst konstant zu halten. Klar, Arno und ich schreiben das Material, aber ich sehe uns dennoch als Band. Was das Schlagzeug, Keyboard sowie Arno und mich angeht, sind wir seit einigen Jahren konstant und ich hoffe, dass das so bleibt.

Hattest du wegen Corona mal den Gedanken, dass es mit der Band nicht weitergeht?

Nein, ich habe  einfach irgendwie weitergemacht. Bei Corona wusste man ja am Anfang nicht, was kommt da auf dich zu. Jetzt sind alle super schlau und wissen, das war falsch, das war richtig. Wir hatten da die gleichen Ängste und Sorgen wie die meisten anderen Menschen auch. Aber ich habe nicht geglaubt, das ist jetzt das Ende der Band. Ich bin da auch so rational, es gab schon immer Pandemien in der Geschichte der Menschheit und  die sind alle irgendwann wieder verschwunden.

Man könnte vermuten, dass Corona eine entscheidende Rolle bei der neuen CD gespielt hat?

Ich habe unmittelbar nach “La Muerta” mit dem Schreiben von neuen Songs begonnen. Ca. 80 Prozent des Materials war vor Corona geschrieben. Man kann also nicht sagen, dass das neue Album komplett durch die Pandemie geprägt ist.

Viele Bands funktionieren ja am besten, wenn man sich gemeinsam trifft und an dem Material feilt.

Das gab es bei uns nie, weil wir so weit voneinander entfernt leben. Der Bassist lebt in Rotterdam, Arno bei Frankfurt, der Drummer in Nordrhein-Westfalen. Markus, unser Keyboarder lebt noch am ehesten in meiner Nähe. Wir haben seit über zehn Jahren einen virtuellen Proberaum und kommen eigentlich immer nur zusammen, wenn es auf Tour geht. Ich muss und will nicht mehr jede Woche im Proberaum stehen, das habe ich in meiner Jugend gemacht. Heute sind wir alle viel zu sehr mit verschiedenen Dingen beschäftigt.

Du betrachtest ja “A Poetry Of Rain” als eine Art Kontrapunkt zum Vorgängeralbum.

Und das Faszinierende daran ist, dass so etwas nicht bewusst passiert – zumindest bei mir ist das so. Als ob etwas in meinem Inneren sagt, das hast du zuletzt gemacht, jetzt probier mal etwas anderes.

Für eine Band, die ja doch primär eine musikalische Nische bedient, habt ihr viel erreicht…

Auf dem Level, auf dem wir arbeiten, ist es nicht immer einfach. Wir sind jetzt nicht Iron Maiden und haben keine finanziellen Probleme. Wir haben Familie und Kinder und können nicht einfach alles machen, was wir wollen. Wir sind durch ökonomische Zwänge eingeengt, wären diese Umstände anders, könnten wir auch anders agieren. Aber ich bin stolz und zufrieden, dass wir das noch machen können  und ich versuche, das solange es geht weiter zu machen.

Und wir drücken die Daumen!

Alle Bandfotos: (C) Jil Ziegner

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