Review: Moon Safari – Himlabacken Vol.2 (2023)

Es begab sich im Jahr 2005, als ein 11 Minuten Track auf der damaligen FLOWER KINGS Fanclub CD „Harvest“ hellhörig machte. Es war das Stück „Doorway“ einer neuen schwedischen Band namens MOON SAFARI. Seitdem ist viel Zeit vergangen, in der die Musik der Band und die  Begegnungen auf Konzerten nachhaltige Momente im Leben des heutigen Rezensenten hinterlassen haben, die teilweise bis heute weit über die Prog-Szene hinaus reichen. Die dargebotene Musik unterschied sich insbesondere in seiner Leichtigkeit deutlich von anderer Musik unseres Genres: sie kommt immer in positiver Stimmung daher, gefühlt ist das manchmal schon Pop. Der Klang ist geprägt von dem oft mehrstimmigen brillanten Satzgesang. Dabei haben die Songs nur oberflächlich eine leichtes Wesen, denn wie Werke sind schnell mal 20 bis 30 Minuten lang und von durchaus komplexer Struktur.

Tracklist:

1. 198X (Heaven Hill) (3:55)
2. Between the Devil and Me (10:38)
3. Emma, Come On (3:19)
4. A Lifetime to Learn How to Love (8:28)
5. Beyond the Blue (2:12)
6. Blood Moon (5:44)
7. Teen Angel Meets the Apocalypse (21:03)
8. Forever, For You (10:08)
9. Epilog (3:22)

Nach drei hervorragenden Alben und einer klasse EP erschien im Jahr 2013 das Album „Himlabacken Vol. 1“. Auffällig war mit diesem Werk, dass sich MOON SAFARI weiter nach vorn orientierte. Das Fluffige wurde zunehmend durch rockigere Elementen ersetzt, ohne dass die Musik dabei ihre Leichtigkeit verlor. Die Änderung des Bandlogos, von geschwungenen Buchstaben hin zu eher geradliniger Schrift, war äußeres Zeichen dafür, dass diese Änderung in der Musik bewußt und gewollt vollzogen wurde. Nicht nur das Wesen der Musik blieb, sondern auch die Nähe zu den FLOWER KINGS: nachdem das erste Album „A Doorway To Summer“ von TOMAS BODIN produziert worden war, übernahm die Funktion des Producers bei „Himlabacken Vol. 1“ JONAS REINGOLD.

Ein „Vol. 1“ deutete darauf hin, dass ein „Vol. 2“ vorgesehen und kurzfristig veröffentlicht werden könnte. Bekanntermaßen war das eine Fehleinschätzung. Ganze 10 Jahre sollten zwischen den beiden Editionen vergehen. Das Leben der Bandmitglieder hatte sich verändert, andere Prioritäten nahmen Raum ein, Familien, Kinder. MOON SAFARI geriet bei den Musikern zwar nie aus dem Fokus, aber die Entwicklung neuer Musik ging extrem langsam vonstatten. Die Pandemie erschwerte dabei insbesondere den Prozess der Post-Produktion, denn beispielsweise die Drum-Parts waren bereits 2019 im Kasten.

Nun ist die schier endlos lange Wartezeit vorbei; am 08. Dezember 2023 erblickte „Himlabacken Vol. 2“ das Licht der Welt. Schon als die heiße Bestellung eintrifft fällt rein optisch auf, dass die CD in ein „Jewel Case“, also in eine klassische Plastik-Hülle gesteckt ist. Was etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheint, denn diese Verpackungsform wird bei Neuveröffentlichungen heutzutage nur noch selten verwendet. Das alte rotbraun eingefärbte Foto auf der Hülle des Covers springt auf den ersten Blick nicht ins Auge. Zieht man jedoch das alte Album „Himlabacken Vol. 1“ aus dem Schrank und legt es daneben wird man wach: abgesehen von den Titelfotos und dessen Farbe ist die Aufmachung die Gleiche. Die Anordnung der Porträtfotos auf der Rückseite des Booklets ist auch die Gleiche. Vor dem Hintergrund macht sogar die veraltete Jewel Case Verpackung Sinn. Gleich ist auch die verbale Begrüßung im Booklet „Welcome Back To Heaven Hill – Same Old Sounds – Same Old Thrill“: schon rein optisch sollen die beiden Himlabacken-CD´s also zusammen gehören, auch wenn sie 10 Jahre getrennt voneinander erschienen sind. Und hört man die durchaus unterschiedlichen Eröffnungssongs beider CD´s findet man dieses Textzitat in beiden Stücken!

Über die Jahre spiegelt sich die Heimatverbundenheit von MOON SAFARI immer wieder in der Musik nieder. Die Jungs leben bis heute in und um das nordschwedische Provinzstädtchen Skelleftea. „Himlabacken“ oder „Heaven Hill“ (oder „Himmelsberg“) ist dabei ein Hügel am Stadtrand. Im Booklet findet man eine Beschreibung des unaufdringlichen Coverfotos, dass hier in einer Aufnahme aus 1955 die Mündung des Flusses Skelleftea ins Meer abgebildet ist, worauf ein kleiner Junge schaut. Damit also doch ein inhaltlich sehr passendes Cover! Wenn uns dann im ersten eher kurzen Stück „198X (Heaven Hill)“ ein schicker kleiner Pop-Rock-Kracher begrüßt, welcher quasi das Publikum zurück bei MOON SAFARI und zurück am Heaven Hill begrüßt weiß man – das ist alles lange und wohl durchdacht und kommt tief aus dem Herzen der Band. Soll auch sagen: nach langen 10 Jahren sind wir wieder da!

pic: (C) promo moon safari

Das Werk enthält insgesamt klar strukturierte und jeweils bis zum Schluss auskomponierte Stücke. Gerade daran tun sich viele Bands auch in unserem Genre manchmal schwer. Dass die Musik insgesamt breitbeiniger, fetter und rockiger als auf den bisherigen Alben daher kommt, insbesondere auch im Vergleich zu Vol.1,  fällt sofort auf und durchzieht das gesamte Album. Produziert wurde dieses Album von einem ganz großen der Szene, nämlich Rich Mouser (z.B. TRANSATLANTIC, NEAL MORSE BAND, SPOCKS BEARD). Und das hört man! Mitverantwortlich für den fetteren Sound ist auch der zwischen Vol.1 und Vol.2 dazu gekommene neue Drummer Mikael Israelsson, der im eigenen Studio die Aufnahmen wesentlich mit vorangetrieben und dabei besonders wert auf eine kräftiger ausgearbeitete Linie im Bass-Drums-Bereich geachtet hat. In „Between The Devil And Me“ wird nach zarten Piano-Intro sogar mit einem fast schon schweren Rock-Riff gearbeitet, welches den Song treibt. Überhaupt stellt dieser 10-Minuter für meine Ohren das Highlight des Albums dar. Jede Note sitzt, der Instrumentalteil ist unaufdringlich, das Zurücknehmen des Stückes vor dem Schluss ist großes Kino. Nachdem uns in „Emma, Come On“ ein weiterer kurzer Rocker ein Lächeln ins Gesicht getrieben hat, werden im balladesken  „A Lifetime To Learn How To Love“ alle emotionalen Register gezogen, bis hin zu choralen Elementen, und zum Schluss ein Gitarrensolo zum Niederknien. Das gabs in dieser Wucht bei MOON SAFARI bisher noch nirgends. Mit „Beyond The Blue“ direkt danach haben wir ein kurzes und nur sparsam begleitetes Gesangs-Kunstwerk. Nach zwei weiteren Longtracks geht es zum Schluss nochmal in die Kirche: das in schwedisch vorgetragene „Epilog“ wird im vollen Satzgesang unter Beteiligung aller sechs Bandmitglieder mit Kirchenglocken eingeleitet, von einer Orgel begleitet und besingt die Schönheit ihrer ländlichen Heimat.

Hörgewohnheiten haben sich geändert, die Fans sind älter geworden, die Zeit ist in den letzten 10 Jahren nicht stehen geblieben. Der geübte Prog-Hörer durchlebt ein kleines Wechselbad der Gefühle: der Kopf sagt –  naja, eigentlich ist das alles ziemlich seicht und poppig. Allerdings jagt gleichzeitig das vegetative Nervensystem immer wieder wohlige Gänsehautschauer über den ganzen Körper. MOON SAFARI hat den Spagat geschafft, einerseits ein Folgealbum zu „Himlabacken Vol. 1“ vorzulegen, was inhaltlich und musikalisch an den Vorgänger anknüpft, andererseits aber ihre Musik auch klar weiter zu entwickeln, um  damit den 10 Jahren zwischen beiden Editionen Rechnung zu tragen. Ein Freund bezeichnete „Himlabacken Vol. 2“ bereits als ein Album des Jahrzehnts. Sicher ist es für eine derartige Bewertung noch zu früh, fakt ist aber: dieses Werk ist in seiner Art etwas wirklich besonderes. Besonders im Zirkus des Progressive Rock, besonders in der MOON SAFARI Diskografie. Die Wartezeit hat sich gelohnt.

Wertung: 9 | 10 Punkte

Moon Safari auf der CTTE 2022 (pic: (C) bodo kubatzki

Moon Safari 2023

Mikael Israelsson (dr, keyb, voc)

Petter Sandström (lead voc)

Pontus Akesson (git, lead voc)

Sebastian Akesson (org, voc)

Johan Westerlund (bass, lead voc)

Simon Akesson (keyb, lead voc)

Please follow and like us:
Facebook
Instagram
TWITTER
Copyright © 2024 | STONE PROG | Die Welt des Progressive Rock