Mit „Salighet“ gab es vor einigen Monaten ein weiteres hochinteressantes Album aus Norwegen. Jordsjø gibt es schon seit etwa zehn Jahren und der Kern der Band besteht nur aus zwei Personen, Håkon Oftung (Gesang, Flöte, Gitarre, Bass, Keyboards) und Kristian Frøland (Gesang, Percussion, Schlagzeug).
Håkon beantwortete unsere Fragen.
Wie kam es eigentlich zu der ungewöhnlichen Entscheidung als zweiköpfige Band zu agieren?
Es ist nicht wirklich eine Band, wenn wir ein Album aufnehmen. Ich komponiere die Musik und wir treffen uns dann im Studio um die Drums aufzunehmen, während ich dazu Leadgitarre oder Bass spiele. Ich schätze es ist einfach eine Frage von Zeit und Geld.
Wie entstehen eure Songs und worin besteht Kristians Input?
Wir kennen uns seit wir gemeinsam zur Schule gegangen sind, es gibt nichts was zwischen uns steht, das ist sehr wichtig. Ich schreibe die Musik, das ist richtig, aber seit den beiden letzten Alben arbeiten wir auch beide zusammen daran. Und Kristian hat immer sehr viel Geduld bei den Aufnahmen. Üblicherweise dauert e seine Weile, bis alles passt, vor allem die Flöte (ha ha). Aber wer wird ständig besser was das Aufnehmen und das Mixen angeht, ich schätze, wir haben eine rosige Zukunft vor uns. Üblicherweise entstehen unsere Aufnahmen an langen Wochenenden, wir arbeiten den ganzen Tag und schlafen in Kristians Hütte im Wald, trinken Bier und hören Musik. Wiederhole das vier bis fünf Mal im Jahr und da hast ein Jordsjø – Album. (ha ha) Die Zeit ist immer das Problem schätze ich.
Gibt – oder gab es – mal Überlegungen weitere Leute in die Band zu holen?
Wir haben seit mehr als fünf Jahren ein ziemlich stabiles Line-Up wenn es um Liveshows geht. Vielleicht nehmen wir in der Zukunft etwas zusammen auf. Unser Drummer Kristian hat sich ein großartiges Studio eingerichtet, so dass die Möglichkeit definitiv besteht.
Seid ihr noch in andere Projekte involviert?
Ja, wir beide arbeiten selbständig als Musiker, also alles von Jazz bis zu Kindertheater. Ich bin aktuell der Livekeyboarder für “The Chronicles Of Father Robin”, werde aber demnächst auch für die norwegische Hardrock Band “Flight” Gitarre spielen, 2024 dann auch für das psychedelic-jazz Projekt “Zenon”. Und gelegentlich arbeite ich auch als Sessionmusiker für unsere Freunde Tusmørke, neben diversen anderen.
Üblicherweise hört man Namen wie King Crimson oder Yes wenn Progbands heutzutage über ihre Inspiration reden. Ihr nennt Künstler wie Oliviere Messiaen, Popol Vuh und Anthony Braxton….
Das ist nur ein kleiner Teil davon. Vermutlich standen beim Promokit nur diese Namen als unsere Inspiration. (ha ha) Wir hören viel verschiedenes Sachen, Jazz, Folk, Klassik und natürlich Rock, Aber King Crimson lieben wir übrigens auch.
Worum geht es in euren Texten? Ist “ Salighet” ein Konzeptalbum?
Es ist kein Konzept Album, aber die Themen haben einen Bezug zueinander. Ich glaube, das trifft auf alle unsere Alben zu. Der Umgang mit Träumen von besseren Zeiten, Bilder einer Fantasy-Vergangenheit, psychedelische Märchen. «Salighet» kann man ja als Glückseligkeit übersetzen, auf dem Album erkunden wir verschiedene Formen der Ektase, zum Beispiel Erlebnisse in der Natur oder das tief in uns selbst eintauchen.
Sind euch die Texte wichtig?
Ich halte die Texte sehr wichtig für die Stimmung eines Songs. Ich selbst achte nicht auf die Worte, wenn ich Musik höre. Ich finde es schön, wenn man die Sprache nicht kennt. Ich mag zum Beispiel eine rumänische Band namens Phoenix, obwohl ich keine Ahnung habe, worüber sie singen. Das erzeugt ein geheimnisvolles und exotisches Gefühl, das die Musik erweitert. Würden sie in schlechtem Englisch singen, es hätte die Band für mich komplett ruiniert.
Warum sing ihr nicht in Englisch?
Ich habe nicht das Gefühl, diese Dinge auch im Englischen entsprechend ausdrücken zu können, ohne dass ich am Ende in Heavy Metall oder B-Movie Klischees zurückfalle. (ha ha). Im nächsten Jahr wird es wohl auch Songs in Englisch geben.
Wie sieht es mit Plänen für Liveshows aus?
Im Augenblick fokussieren wir uns auf unsere Familien. Aber im nächsten Jahr wollen wir anlässlich unseres zehnjährigen Bestehens ein paar Shows spielen, aber vermutlich nur in Norwegen.
Gibt es Pläne, wie ihr euch musikalisch zukünftig ausrichten wollt?
Als Menschen entwickeln wir uns ja ständig weiter. Wir befinden uns nicht mehr an dem Punkt, an dem wir unser erstes Material auf Kassette aufgenommen hatten, also gab es irgendwo ja eine Entwicklung. Die Hauptidee hinter unsere Musik wird aber wohl immer die gleiche bleiben, die Mischung aus Rock, Jazz und Klassik mit einem nordischen Flair. Und da wir nebenbei noch Seitenprojekte haben, werden wir wohl weitermachen und die mystischen Tiefen des Progressive Rock ergründen.
Wie würdest du die Entwicklung von euren alten Alben zum aktuellen beschreiben?
Bei den ersten Aufnahmen waren wir Mitte Zwanzig und unser Proberaum war ein feuchter Keller in dem es nach Abwasser stank. Jetzt arbeiten wir viel professioneller mit besserem Equipment. Aber es ist wichtig, sich nicht in diese moderne Technik zu verlieben, die Musik muss immer im Mittelpunkt stehen. Manchmal vermisse ich diese Rauheit der alten Aufnahmen, aber auf der anderen Seite ist es auch cool, wenn man die Möglichkeit hat, mit diesen neuen Aufnahmetechniken zu experimentieren.
Was ist das Beste am Musizieren? Und was ist das Schlimmste?
Das Beste ist sich mit Leuten zu treffen die das gleiche mögen wie man selbst und dann gemeinsam etwas kreieren. Der ökonomische Aspekt ist das Negative. Es kostet uns mehr ein Album zu veröffentlichen, als wir daran verdienen. Wir müssen besser werden, wenn es darum geht, Geld aufzutreiben.
Gibt es so etwas wie ein besonderes wichtiges Ereignis in eurer Karriere?
Als das Album “Jord” erschien und man auch außerhalb Norwegens auf uns aufmerksam wurde, bekamen wir die Chance einige sehr coole Gigs zu spielen. Besonders ein Konzert unter dem Namen “Proggens Grøde” 2017, zusammen mit Wobbler und Tusmørke. Es gibt ein paar Clips davon auf YouTube.
Glaubt ihr, die Situation für Progbands wie euch wird sich grundlegend ändern?
Ich bin einfach nur froh, dass es länderübergreifend Fans gibt, die stark in diese Musik involviert sind. Es ist immer gut zu wissen, dass es Leute gibt, die mögen, was man tut. Um die Zukunft kümmere ich mich nicht so viel. Ich fokussiere mich auf das Komponieren und die Studioarbeit.
Wenn du die Chance hättest, würdest du etwas an den Songs ändern?
Ich neige dazu, etwas zu ungeduldig zu sein, vielleicht sollte ich die musikalischen Themen etwas weiter ausbauen und entwickeln. Aber es ist alles ein Prozess und jetzt ist das Album fertig und anstatt darüber nachzudenken kümmern wir uns lieber um das was kommt.
Beeinflussen euch die Erwartungshaltungen der Hörer?
Ich glaube, wir haben einen Art Sound für Jordsjo etabliert, und vermutlich erwarten die Leute genau das von uns. Mich interessiert das nicht, ich liebe diese mystische, skurrile von den Wäldern beeinflusste Musik. Vermutlich wird sich das auch in der Zukunft nicht ändern. Wenn wir unseren Stil radikal ändern, würden wir das vermutlich unter einem anderen Namen machen. Im nächsten Jahr soll es aber eine Zusammenstellung von eher Hardrock-orientierten Songs geben, die nicht auf die bisherigen Alben gepasst hätten. Ich bin gespannt, was die Fans davon halten.
Verfolgst du die aktuelle Progszene?
Nicht sehr, obwohl im Osloer Untergrund schon sehr viel aufregende Musik existiert. Ich glaube heutzutage verwenden die Leute zu viele Dinge wie Autotuning oder die Musik kommt vom Band wenn man live spielt. Das zieht sich durch alle Genre nehme ich an und das interessiert mich nicht. Ich mag die Musik ungeschliffen und von Menschen gemacht. Da höre ich lieber ein paar Teenager Punk spielen, oder erfahrene Musiker die improvisieren oder gehe in die Philharmonie und höre Stravinsky oder Bartok.
Danke für das Gespräch!