Interview: The Flower Kings – Love Is The Answer

Seit drei Jahrzehnten sind die Flower Kings eine sichere Bank, wenn es um hochklassigen Retro-Prog geht. Daran hat sich auch mit “Love” nichts geändert. Renald Mienert sprach mit Bandleader Roine Stolt.

Euer neues Album heißt “Love”. Wir leben ja in sehr schwierigen Zeiten. Ist Liebe die Antwort?

Es gibt tatsächlich diesen wirklich sehr guten Song von Todd Rundgren mit Utopia, „Love is the Answer“.  Über die Jahre habe ich mich immer gefragt, wie würdest du das Böse definieren.  Und ich glaube, man kann es definieren als das Fehlen von Liebe. Wenn jemand in der Lage ist zu lieben, dann kann er nicht total böse sein. „Love“ ist ein ganz simpler Albumtitel, kein langer, an den man sich nur schwer erinnern kann.  Und der Titel passt in unsere Zeit mit all diesen Turbulenzen.  Auch in einigender Texte geht es um diese Dinge, die uns gerade Sorgen bereiten. Und auch Burt Bacharach hat schon einen Song geschrieben, „What The World need Now is Love, Sweet Love”.

Roine Stolt

Würdest du “Love” als typisches Flower Kings Album bezeichnen?

Ich glaube, das müssen Außenstehende beurteilen. Als Künstler ist man so eng in den ganzen Prozess involviert, da fällt es schwer zu sagen, diese Platte ist komplett anders als die davor. Der Sound ist vielleicht weniger bombastisch aber dafür dynamischer, manchmal auch nur Piano und Gesang oder auch nur Gitarre und Gesang. Ich mag das sehr, wie auf alten Soulplatten oder bei den Beatles, aber auch bei den klassischen Progbands. Nimm King Crimson und  “Lark’s Tongues In Aspic“, da gibt es am Anfang nur diese Art Geklingele bis dann dieses schwere Riff kommt. Da ist dieser Wall of Sound, aber es gibt auch sehr leise Momente. Ich galube, das fehlt heute bei vielen Progbands, ich versuche also etwas mehr softe Elemente und Nuancen einzubringen.

Beim letzten Album hast du viele Keyboards selbst gespielt, ist Lalle Larson jetzt festes Bandmitglied?

Ja, Ich kenne ihn seit zwanzig Jahren und wir haben schon in vielen verschiedenen Konstellationen zusammen gespielt, haben auf dem Album des jeweils anderen mitgewirkt. Es war also kein Unbekannter und ich wusste, dass es der perfekte Keyboarder für uns ist. Es ist ein sehr guter Pianist, kann viel Stile spielen.

Roine Stolt & Lalle Larson | Wroclaw 2025

Bei den Gastmusikern scheinst du auf Konstanz zu setzen, es sind die gleichen Musiker wie beim Vorgänger, zum Beispiel den Akkordeon-Spieler Aliaksandr Yasinski.

Nun ist ein Akkordeon nicht unbedingt ein Instrument, das man im Prog erwarten würde. Er ist sehr talentiert, spielt Klassik aber kann auch improvisieren. Er stand mit uns auch schon auf der Bühne in Europa, aber auch hier in Schweden. Er stammt ursprünglich aus Weiss-Russland, lebt aber nicht mehr dort.  Er spielt in vielen Ensembles  aber auch Solo und schreibt auch Musik. Wir sind seit einer Weile Freunde und ich habe ihn gerne auf dem Album. Hasse Bruniusson ist auch wieder dabei, er spielte ja schon seit den Anfängen der Band immer mal wieder auf unseren Platten.

Aliaksandr Yasinski | Prag 2025

Wie kam es zur gemeinsamen Tour mit Neal Morse and The Resonance?

Wir waren dabei die Gigs zu planen und eines Morgens hatte ich eine Mail von Neal Morse in der er mich fragte, ob wir nicht gemeinsam auf Tour gehen wollen. Er hat dieses Album mit den jungen Musiker gemacht, Neal Morse and The Resonance, und es hat mir gefallen. Es klingt ein wenig anders als seine üblichen Alben.  Er hat natürlich eine starke Präsenz, aufgrund seiner Stimmer und seiner Kompositionen. Natürlich muss man auf einer Co-Headliner Tour das Set entsprechend kürzen. Normalerweise spielen wir zwei Stunden, und hier nur fünfundsiebzig Minuten. Wir haben schon früher mit Neal gespielt, mit der Neal Morse Band, was von den Besucherzahlen und den Einnahmen sehr gut war. Mit Neal kann man sehr gut zusammen arbeiten. Er besteht nicht unbedingt auf seinem Willen, er ist sehr offen.

The Flower Kings & Neal Morse and The Resonance | Live In Prag 2025

Sind noch weitere Live Aktivitäten geplant?

Wir werden etwas machen, aber ich weiss noch nicht genau was. Vielleicht wieder einen Flower Kings Tag. Wir könnten früh anfangen, die Fans können die Band treffen, Fragen stellen, Fotos machen, wir spielen vielleicht andere Songs als beim eigentlichen Konzert.  Vielleicht Coversongs, nur zum Spaß, nichts ernstes.  Und am Abend gibt es dann das eigentliche Konzert. Vielleicht in Deutschland, England, Holland oder auch Polen.

Ihr habt auch auf der letzten NotP gespielt. Allerdings mit Startschwierigkeiten…

Bei Festivals ist es immer stressig. Wir flogen aus Schweden nach Frankfurt. Die Verstärker und Keyboards waren gemietet.  Wir kamen ohne Soundcheckauf die Bühne. Lalle hatte alle seine Sounds auf  seinem Computer, aber der hat nicht mit dem Keyboard kommuniziert. Wir haben fast fünfzehn Minuten gebraucht um das zu lösen und da baut man schon Stress auf. Du bist auf der Bühne vor ein paar Tausend Leuten die warten.

Das Cover von “Love” ist, sagen wir mal, speziell…

Ich bin immer auf der Suche nach einem Cover, das etwas Besonderes ist. Es hat einen hohen Wiedererkennungswert. Selbst wenn man es auf dem Computer nur als Miniaturansicht sieht, soll man erkennen, dass es sich um ein Flower Kings Album handelt. Wir haben mit Catrin Welz Stein gearbeitet, der gleichen Künstlerin  wie beim letzten Livealbum. Ich habe mir ihre Arbeiten angeschaut und bin auf dieses Bild gestoßen. Es wirkt etwas naiv, dieser Typ aus dem Zirkus, als ob er eines dieser Kunststücke aufführt, wo man sich aus einem Gefängnis oder Käfig befreit.  Und er hat diese Tattoos,  auf einem steht „Love“. Ich habe so eine Artwork noch nicht gesehen, es hätte vielleicht  zu einem frühen Genesis-Album gepasst. Zu Foxtrot oder Nursery Crime. Heute sind viele Cover AI – generiert, was ich eher langweilig finde, oder sehr generisch um einfach nur cool zu wirken. Unser Cover ist alles andere als cool, fast als ob ein Kind eine Clipart erstellt. Ich habe es den anderen Bandmitgliedern gezeigt, und sie mochten es. Und es passt zum Albumtitel, sperrt die Liebe nicht ein!

 Jon Anderson meinte in einem Interview für das Empire anlässlich seines Albums “True”, dass ein neues Anderson/Stolt Album in diesem Jahr erscheinen könnte.

Wir arbeiten am Nachfolger seit sieben Jahren! Aber er hat natürlich darüber hinaus seine Themen, ich meine. Beim ersten Album pausierten die Flower Kings, aber jetzt sind wir wieder aktiv, gehen auf Tour., Südamerika, Europa, Japan. Jon spielte mit Rick Wakeman und Trevor Rabin und ging auf Tour, dann machte er etwas mit Jean-Luc Ponty und jetzt mit The Band Geeks. Und in all dieser Zeit haben wir Material hin und her geschickt. Es ist ein fortlaufender Prozess und es passiert viel im Hintergrund. Ich habe den ehemaligen Jethro Tull Drummer Doane Perry für zwei Tracks dazugeholt. Aber ich kann nicht sagen, wann das Album erscheint, ob in diesem Jahr oder im nächsten.  Ich habe Jon tatsächlich hier in Uppsala getroffen, bei einer Show mit den Kids von der School Of Rock. Ich habe ihm das Krankenhaus gezeigt, in dem ich geboren wurde, und es war schon cool, diese Jugendlichen zu sehen, wie sie Yes-Songs spielen.

Würdest du sagen, du bist heute genauso kreativ wie vor zwanzig Jahren?

Ich würde fast sagen, in gewisser Weise bin ich heute kreativer als früher. Ich bin nicht mehr ganz so perfektionistisch. Natürlich versucht man immer, ein Album so perfekt zu machen, wie möglich, aber es gab eine Zeit da habe ich ewig an irgendwelchen kleinen Details gearbeitet, die für den Song eigentlich gar nicht wichtig waren. David Bowie hat erzählt, wie er seine Vocals aufnimmt. Die Musik lief im Hintergrund, mit einem Groove oder Swing und er begann einfach zu singen, er hatte nicht einmal die Texte vorher fertig.  Ich versuche diesen Stil zu übernehmen, nicht zu viel im Voruas zu planen und mehr auf die Inspiration zu vertrauen.  Ich habe das auch auf mein Gitarrenspiel angewandt. Ich denke nicht vorher darüber nach, was ich wie spiele, ich stecke einfach den Stecker ein und spiele. Sei spontan, denke nicht zu viel, versuche nicht zu smart zu sein und versuche nicht das Publikum zufriedenzustellen. Für dich selbst muss die Musik wichtig sein.

Es gab ja auch schwierige Phasen in der Geschichte der Flower Kings. Wie würdest du aktuell die Situation in der Band beschreiben?

Damals haben wir den Zusammenhalt verloren. Tomas Bodin hatte sein Projekt, Jonas und Hasse auch und Felix unser Drummer war eine Art Hired Gun. Heute ist die Band mehr eine Einheit. Wir diskutieren über die Songs. Fast jeden Tag tauschen wir emails aus, schreiben über Songs über die Setlist. Jeder kann sagen was er warum spielen möchte. Natürlich haben wir auch unterschiedliche Meinungen, aber das können wir im Positiven lösen. Jedes Bandmitglied möchte die Band voranbringen und Spaß haben. Es ist nicht so, dass einer der Star ist oder die anderen nur für Geld spielen. Natürlich werden sie bezahlt, aber das steht nicht im Mittelpunkt. Die Flower Kings von heute sind eine der entspanntesten und zufriedensten Versionen der Band, die es gab, und das macht es auch leichter für mich.

The Flower Kings | Live In Wroclaw 2025

Dann können wir uns wahrscheinlich noch auf viele weitere Alben von euch freuen!

Interview: Renald Mienert | Live Bilder: Gunter Dressler

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