Review: Flaming Row – Keeper Of The Scriptures (2025)

Ein dickes Paket hat, unter anderem, auch mich erreicht und ich habe endlich das XXL-Bündel des vierten Albums von Flaming Row namens „Keeper Of The Scriptures – Hüterin Der Schriften“ in den Händen. Und es ist wie Weihnachten: Ein 8-seitiges Digipak mit vier CD’s sowie 20-seitigen Büchlein mit allen Texten in Deutsch und Englisch sowie detaillierten Künstler-Infos, das separate 163-seitiges Buch „Hüterin Der Schriften“, einen Barcode-Sticker für weiteres Material und einen Samen-Beutelchen um die Bestie freizulassen (oder besser nicht, sie ist ja schon frei). Vierzehn Jahre nach dem Debüt „Elinoire“ und sechs nach dem letzten Konzept-Album „The Pure Shine“ ist bei dem vierten Werk diesmal alles ohne Label komplett in Eigenregie entstanden und es ist wahrlich ein Prog-Rock-Koloss geworden. Ein kompetenter Musikfreund, das Orakel von Kaiserswerth, der dieses XXL-Bündel auch bekommen hat schrieb: „Es ist wieder ein aufwendiges Gesamtprodukt, ähnlich wie vorher Marek Arnold’s Artrock Project. Sehr gelungen und richtig viel Material, was der Käufer für sein Geld geboten bekommt. Es tut sich lobenswert richtig viel in der inländischen Musikwelt.“ Es gibt tatsächlich einige Parallelen zu Marek’s jüngsten Projekten, dazu aber später mehr im Text. Marek Arnold hat auch, mit drei Dutzend anderen, am Album mitgewirkt. Schon während der Kampagne für „Invoke The Ghosts“ (2022) hatte mir Martin Schnella mehrmals stolz vom nächsten Flaming Row Album erzählt. Und ich sage es gleich, er kann es uneingeschränkt sein, es ist in jeder Hinsicht ein monumentales Werk geworden.

Tracklist

CD 1 (englische Version)

1. Gandhara’s Legacy (4:26)
2. The Mesh (12:42)
3. An Invisible Bond (7:19)
4. Nita – The Keeper (8:52)
5. Meera – The Guardian (3:36)
6. Mithila’s End (5:22)
7. It Was Magic (7:48)
8. Between Worlds (1:30)
9. Hope for a Miracle (8:42)
10. The Last Stand (6:21)
11. More than Words (7:11)
12. An Old Legend (5:43)

CD 2 (deutsche Version)

1. Gandharas Erbe (4:26)
2. Das Geflecht (12:42)
3. Ein Unsichtbares Band (7:19)
4. Die Hüterin Nita (8:52)
5. Die Wächterin Meera (3:36)
6. Mithilas Ende (5:22)
7. Es War Ein Zauber (7:48)
8. Zwischen Den Welten (1:30)
9. Hoffen Auf Ein Wunder (8:42)
10. Das Letzte Gefecht (6:21)
11. Mehr Als Nur Ein Wort (7:11)
12. Eine Alte Sage (5:43)

Was war zuerst, das Ei oder das Huhn ?? Das Ei war bei dieser komplexen zweisprachig vertonten Geschichte der Osteroder Melanie Mau und Martin Schnella die Fantasy-Novelle des Autors Christian Dolle, die ist auch als Taschenbuch Bestandteil des XXL-Bündel. Das Huhn ist das daraus entstandene Konzept, die Entwicklung zu zwölf plus zwölf Kompositionen und weiter zum fertigen 80-minütigen Album jeweils in Deutsch und Englisch (DCD-Ausgabe) sowie Instrumental und Hörbuch (4CD-Ausgabe). Empfehlenswert ist das XXL-Bündel inklusive Buch, aber schnell zuschlagen solange es diese wertige Ausgabe noch gibt. Im Buch „Hüterin Der Schriften“ erfährt man einiges über den Autor Christian Dolle, die Zusammenarbeit mit Melli & Martin und natürlich die detaillierte fiktive Geschichte. Hier die Kurzform. Im Land Mithila leben in dessen Hauptstadt Gandhara die beiden Heldinnen Nita und Meera. Als durch einen Zauberer zur Bestrafung der Menschheit für deren Gier und Grausamkeit eine namenlose Bedrohung (Bestie als Geflecht) heraufbeschworen und über das Reich hereinbricht, muss Meera als Wächterin Gandharas in die Schlacht ziehen. Nita hingegen erhält die Bürde, als Hüterin der Schriften das gesamte Wissen, die Kultur und die Erinnerungen aller Menschen für die Nachwelt zu verstecken. Dazu findet sie die Hilfe der Priesterin. Wird es ihr gelingen, dieses unschätzbare Erbe zu retten? Das 4,5-stündige MP3-Hörbuch (die englische Version gelesen Christian Peiser ist erschienen) hat insgesamt 50 Kapitel und der ausdruckstarke und bewegende Erzähler ist Herzensmensch Peter C, ein Musiker & Techniker sowie guter Freund von Melli & Martin.

Allein die Nennung der vielen Gäste, jeweils auch mit S/W-Foto im Büchlein, entlockt mir ein Zungenschnalzen. Zwölf verschiedene Stimmen, teils mehrere Muttersprachler in einer Komposition oder unterschiedliche, in der englischen und deutschen Version, das ist gelebter positiver Perfektionismus. Ähnlich ist es auch bei Gitarren (11), Schlagzeug (4) und Bass (3). Die Kern-Besetzung besteht, das ist für das Osteroder Kreativ-Duo nicht überraschend: aus Melanie Mau (Gesang, Lyrik, Komposition), Martin Schnella (Gitarren, Bass, Gesang, Lyrik, Komposition), Marek Arnold (Keyboards, Saxofon), Niklas Kahl und Simon Schröder (Schlagzeug), Lars Lehmann (Bass), Mathias Ruck (Gesang). Das sind ihre musikalischen Freunde, die sich schon seit fast 20 Jahren bei den verschiedenen Projekten im Studio und Live kameradschaftlich unterstützen.

Aber nun endlich zum Album „Keeper Of The Scriptures – Hüterin Der Schriften“. Heller, lauter Glockenschlag bei „Gandhara’s Legacy – Gandharas Erbe“ und ein zuerst vorsichtiges hineingleiten in ein akustisches, orientalisch anmutendes Intro, die begleitende Melodie wird im Laufe der 80-minütigen wechselvollen Reise immer wieder angeschlagen. Später kommt der ausdruckstarke Gesang von Josie Ann Mau dazu, welch schöne Stimme und zauberhafter Beginn. Übergangsloser Wechsel, mit Marek Arnold’s Saxofon geht es in das 13-minütige Rock-Monster „The Mesh – Das Geflecht“, die Bestie erwacht und beginnt, unterstützt durch den furiosen Trommler Simon Schröder, sein unmenschliches Zerstörungswerk. Es ist schwer sich diesem Mahlstrom zu entziehen, ich lasse mich hineinziehen in die sich bildende Phalanx der Widerständler von Mithila, fletsche die Zähne, ich bin bereit, der finale Kampf findet dann in „The Last Stand – Das Letzte Gefecht“ statt !! Etwas durchatmen mit „An Invisible Bond – Ein Unsichtbares Band“. Eines meiner Lieblingslieder, weil hier für mich alles absolut harmonisch stimmt, jeder Künstler auf TOP-Niveau, was für ein fulminantes Gitarren-Solo von Martin Schnella zum Abschluss. Und genauso furios geht es bei der musikalischen Vorstellung der zwei Haupt-Protagonisten „Nita, The Keeper – Die Hüterin Nita“ sowie „Meera, The Guardian – Die Wächterin Meera“ weiter. Unfassbare schöne Melodien, begleitet von einem Chor von Gesangsstimmen die einfach hinreißend sind. Jeder Musiker wurde mit seinem Instrument oder Stimme genau an die richtige Stelle in dieser Rock-Oper manövriert, oft sind es an einem einzelnen Musik-Puzzle-Stück ein Dutzend Künstler. Und das faszinierende ist, es klingt (und sieht vor meinem geistigen Auge auch so aus), alles wie aus einem Guss. Wie ein großes Orchester, mittig das Dutzend Vokallisten, rechts die Rock-Band, links die Akustiker mit Harfe, Violine, Flöten, Lap-Steel-Gitarre, Saxofon. Und alle lächeln sich an, freuen sich unabhängig von Rang und Hierarchie über die Leistungen des anderen, stacheln sich gegenseitig zur Höchstleistung an. Die Geschichte nimmt seinen Lauf mit weiteren überraschenden und fantastischen Melodiebögen, massenhaft Solis, unfassbarer Vokal-Akrobatik mit „Mithila’s End – Mithilas Ende“ und „It Was Magic – Es War Ein Zauber“.

Es ist mir leider aufgrund der Masse an exorbitanten Leistungen der vielen involvierten Musiker und auch der wegen der Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit schier unmöglich hier alle Aspekte detailliert zu beschreiben und bewerten. Im Text sind einige Künstler genannt, aber alle, die nicht genannt worden sind haben ebenso professionell abgeliefert. Kleine Atempause mit dem Instrumental „Between Worlds – Zwischen Den Welten“, die Waliserin Harriet Earis schafft es im Alleingang in sagenhaften anderthalb Minuten den Puls wieder in normalere Werte zu bringen. Das ist auch gut so, denn mit „Hope For A Miracle – Hoffen Auf Ein Wunder“ geht es mit strammerer Gangart weiter. Mein zweiter Favorit, so ganz anders als vorher „An Invisible Bond – Ein Unsichtbares Band“. Was ein treibender Rocker, jetzt reicht es nicht mehr nur die Zähne zu fletschen, jetzt geht es um alles, das spüre ich beim Eintauchen in diese Fanfaren von Jericho von „The Last Stand – Das Letzte Gefecht“, gemeinsam kämpfen zusammen mit den letzten aufrechten Recken ums Überleben von Mithila und eine Zukunft. Und die gibt es, wie auch immer sie aussehen wird, der Glaube daran sollte nie untergehen. Mit dem anschließenden Lied wird das deutlich gemacht übergangslos in ein zauberhaftes Intro mit Harfe von „More Than Words – Mehr Als Nur Ein Wort“, geschichteter Gesang von Sally Minnear, Jimmy Keegan und Martin Schnella, sehr stark. Und immer wieder dieser unfassbare Marek Arnold mit kurzen Saxofon-Einlagen, die man einfach nur als magisch bezeichnen kann. Noch einmal zieht man hier alle Register, Solos von Marek Arnold (Saxofon), Jens Kommnick (Flöten), Joseph Deninzon (Violine), Martin Huch (Lap-Steel-Gitarre). Dann mit „An Old Legend – Eine Alte Sage“ noch ein fulminantes 6-minütiges Outro, mit Extraklasse Gitarren-Solos von Eric Gillette und Arjen Anthony Lucassen und ausschleichen mit der Keltischen Harfe von Harriet Earis zum Abschluss dieser musikalischen Zeitreise durch das Land Mithila. Aber das Harfenspiel von Harriet zeigt auch, Mithila sollte sich nicht zu sicher fühlen. Frieden ist nicht selbstverständlich, den müssen wir gemeinsam mit Leben erfüllen. Wer dieses Album, Deutsch oder Englisch, ohne Emotionen durchgängig anhören kann, Chapeau, ich kann es nicht.

Fazit: Wer denkt hier bekommt er 4-mal hintereinander dasselbe Menü, nein, es sind vier komplett verschiedene Alben, das MP-Hörbuch sowieso, aber alle drei anderen Alben haben jeweils einen anderen Charakter. Ich lobe immer gerne, bin aber immer etwas vorsichtiger bei Superlativen. Die sind hier aber deutlich angemessen, massive Suchtgefahr !! Was für ein fantastisches Werk in Text und Ton haben Melanie Mau und Martin Schnella hier in Deutsch, Englisch, Instrumental, MP3-Hörbuch, Ausstattung hier geschaffen. Ich möchte hier auch Buchautor Christian Dolle und alle beteiligen Musiker & Helfer ausdrücklich einschließen. Melanie hat es nicht nötig Gastsängerinnen einzuladen, ebenso wie Martin keinen weiteren Gitarristen für die Kompositionen braucht. Aber genau das ist die Stärke dieser erfahrenen Musiker, nämlich zu erkennen wo eine andere Klangfarbe das Lied noch Erhabener macht. Kollektive Arbeit im Premiumbereich federführend geleitet durch das Meister-Paar. Meine lieben Osteroder, ihr habt mich in eurem Werk nicht nur einmal tief im Herzen berührt, das ist Musik für die Ewigkeit, zu einer Zeit wo die Botschaften in eurer musikalischen Geschichte so wichtig sind.

Flaming Row

Melanie Mau / lead vocals
Martin Schnella / guitars, bass, lead & backing vocals, composer
Niklas Kahl / drums
Marek Arnold / keyboards, saxophone

Gäste

Glynn Morgan / vocals
Sally Minnear / vocals
Mike Keneally / guitar
Jelena Dobric / vocals
Richard Henshall / guitar solo
Leo Margarit / drums
Joe Deninzon / violin
Stephan Kernbach / keyboards, soundscapes
Lars Lehmann / bass
Mathias Ruck / vocals
Maggy Luyten / vocals
Johan Hallgren / guitar solo
Arjen Lucassen / guitar solo
Jan Listing / vocals
Marcus Siepen / guitar solo
Simon Schröder / drums
Natalie Brown / vocals
Andrew Colyer / vocals
Gary Wehrkamp / guitar solo
Alex Langner / bass
Rylee McDonald / guitar solo
Brendt Allman / guitar solo
Jens Kommnick / Celtic instruments
Josie Ann Mau / spoken words

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