Livereport: Haken - Werk 2, Leipzig, 22.02.2023

Erfreulicherweise führt auch die aktuelle Europa-Tour der britischen Edelprog-Metaller HAKEN wieder in unsere Region. Obwohl lange geplant, haben wir ein Konzert unter besonderen Umständen. Die aktuelle “Island and Limbo-Tour” wurde mindestens vor einem halben Jahr angekündigt; lange bevor von einem neuen Album namens “Fauna” die Rede war. Nun ist die Zeit weiter gegangen, und die Band hat es leider nicht geschafft, einen Veröffentlichungstermin ihres neuen Werkes vor Beginn der Tour hin zu bekommen. Das neue Album steht dem geneigten Konsumenten in voller Gänze erst in zirka anderthalb Wochen zur Verfügung. HAKEN sind deshalb heute in der Zwickmühle: heute wollen oder müssen sie ein neues Album präsentieren, welches noch keiner im Publikum kennt; abgesehen natürlich von den Single-Veröffentlichungen im Netz. Am Merchandise-Stand war “Fauna” wie erwartet noch nicht erhältlich, von einer in Deutschland ansonsten nicht erhältlichen und ziemlich teuren Picture Vinyl-Version abgesehen. Für Spannung war also gesorgt: was wird vom neuen Album gespielt? Oder gibt es “nur” ein Konzert mit Bandklassikern, und die Albumpräsentation wird für die Termine nach dem Veröffentlichungstermin aufgeschoben?

Die Tour wurde als Double Headliner Tour mit BETWEEN THE BURIED AND ME angekündigt. Den Abend eröffneten aber die New Yorker Death Metaller CRYPTODIRA mit einem leidenschaftlich vorgetragenen halbstündigen Set. Man hatte das Gefühl, dass die Jungs froh und stolz waren, eine so große Europa Tour mitgestalten zu dürfen. Die ebenfalls aus den Staaten angereisten BETWEEN THE BURIED AND ME gibt es nun auch schon über 20 Jahre. Obwohl die meisten im gut gefüllten kleinen Saal des Werk 2 in Leipzig wegen HAKEN gekommen waren, hatte ihr Co-Headliner auch eine stattliche Zahl ihrer Fans angelockt. Musikalisch stießen sie in ein ähnliches Horn: viel Metal, viel Growl, aber alles eine Spur weicher und weniger dynamisch als CRYPTODIRA, die mir besser gefallen haben.

Spätestens jetzt muss ausführlicher auf das heutige besondere Konzert-Outfit von HAKEN eingegangen werden. Die Kampagne zum neuen Album “Fauna” wird mit vielen bunten gemalten Bildern begleitet. Und so gibt es anstelle einer Video Show hinter der Band auf der Bühne eine große vielleicht 3 x 8 Meter große Leinwand mit dem neuen Band-Logo und viel Natur. Die Drums von Ray Hearne sind ebenfalls komplett mit diesem Outfit mit viel Grün gestaltet. Alle Toms, nicht nur das Bild auf der Bass Drum! Und als die Band auf der Bühne erscheint, sind die Jungs alle in bunte Hawaii-Hemden ebenso gewandet. HAKEN hat immer auch Wert gelegt auf optische Gestaltung, aber diese Konsequenz im Auftritt sowie Prog Metal in bunt zu präsentieren ist neu und sehr schön anzusehen, auch wenn man von der Farbenpracht wegen zumeist zurückhaltend ausgeleuchteter Show nicht so viel mitbekommt.

HAKEN zählen zu den kreativsten Unternehmungen im Progressive Rock der heutigen Zeit. Jedes ihrer bisher sechs Studioalben plus eine EP ist wohldurchdacht und konzeptionell in Musik, Inhalt und Layout plus Begleitkampagne durchgestylt, teilweise sogar über mehrere Alben (Doppelreview der Alben “Vector” und Virus” hier auf den STONE PROG Seiten nachzulesen). Wesentlich dem Prog Metal zugewandt bleiben ihre Stücke trotz teilweise hoher Komplexität und oft völlig vertrackter Rhythmik melodiös und strukturiert. Beispielsweise das heute aufgeführte “The “Endless Knot” ist rhythmisch so verquer, so dass es selbst für den geübten Fan kaum nachvollziehbar ist. Wie kann man sowas auf den Punkt live spielen? Unglaublich! Die Band zeigt sich aber bei allen diesen schrägen Stelle zusammen und spult das Teil perfekt ab. Dies ist nur ein Beleg ein extrem hohes musikalische Spielniveau der englischen Jungs.

Über die Jahre haben HAKEN auch einen eigenen wiedererkennbaren Stil erarbeitet. Ross Jennings als genialer Sänger und Rampensau zieht die Show auf sich. Sein Verwirbeln des Mikrofonständers und oft nur kurzes Verlassen der Bühne bei Instrumentalparts bring eine hohe Dynamik in die Show, während die anderen fünf sich zumeist auf das perfekte Spielen ihrer Instrumenten konzentrieren. Ray Hearne ist ein Tier an den Drums und der Treiber der komplex-komplizierten Rhythmik vieler Stücke. Der neue Keyboarder Peter Jones betritt nach dem Ausscheiden von Diego Tejeida große Fußstapfen, allerdings versteht er sich mit den anderen großartig; er war ja als Gründungsmitglied schon mal Teil dieser musikalischen Unternehmung. Sein Einfluss auf den Bandsound wird auf “Fauna” zu bewerten sein.

Die Präsentation neuer Stücke beläuft sich auf drei der vier Teile, die dem neugierigen Fan bereits über die youtube-Single-Veröffentlichungen bekannt sind. Die Band geht also hier kein Risiko ein, konzentriert sich bei neuem Material auf halbwegs bekannte Dinge, und das ist so völlig in Ordnung. Kern des Konzerts ist aber ihr vorletztes Album “Virus”. Die ersten beiden Songs des Albums stellen den Beginn des Konzerts dar, das wunderbare “Carousel” sowie der bisher noch nie live aufgeführte komplexe Longtrack “Messiah Komplex” das Ende. Gerade in diesem Stück sind ja Elemente anderer Stücke vom Album “Virus” und sogar Stücke von früheren Alben verbastelt. Dieses Stück wird als Best-Of-Medley von HAKEN Songs empfunden, stellt einen strukturell und emotional großartigen Schluss dar und macht das Konzert konzeptionell richtig rund. Es entfaltet hier auch eine tiefere Wirkung als auf Konserve.

Bis dahin haben wir ein großartiges, rundes und wieder mitreißendes HAKEN Konzert erlebt. Nach bereits 80 Minuten kommt die Band nach vorne und verabschiedet sich. Ok. So manche Zugabe in den vergangenen Jahren, bildete häufig eine der zahlreichen großartigen nahezu schon klassischen langen Tracks der Band … Aber zu früh gefreut: das Licht geht an, die “Rausschmeißer”-Musik setzt ein. Sie werden doch nicht … Doch. Das Publikum lässt sich nicht beirren, jubelt weiter und fordert die Band bestimmt 10 Minuten leidenschaftlich zum Wiederkommen auf. Vergeblich. HAKEN wird auf der Bühne des Leipziger Werk 2 heute nicht mehr gesehen. Dies hinterlässt beim Verlassen des Saales dann doch ein Geschmäckle von Routine und Geschäft. Und heute haben wir erst den zweiten von knapp 40 Auftritten auf der Tour. Die “Fauna” Picture Vinyl war bereits vor dem Konzert signiert worden, und die Frage eines Fans vor der Show am Merchandising Stand , ob denn eine Chance bestehe, nach dem Konzert auf mitgebrachte Dinge von der Band ein Autogramm bekommen zu können, wurde freundlich abgewiesen. Also keine Chance, die Band heute persönlich zu treffen. Aus dem Bandumfeld ist zu vernehmen, dass Dinge “außerhalb des Einflusses der Band”, sie von persönlichem Kontakt zu den Fans abgehalten haben soll, den der Langzeitfan aus Zeiten vor vielleicht 10 Jahren als Standard kennt. Möglicherweise sind vertragliche Dinge dieses Double Headliner Auftrittes ein Grund, denn das Konzert von BETWEEN THE BURIED AND ME ging auch nur 70 Minuten. Aber das ist an der Stelle reine Spekulation.

Lassen wir uns von dieser Geschichte nicht zu sehr runter ziehen. Es war ein ansonsten toller Konzertabend. Nun freuen wir uns auf “Fauna”. Die Erwartungen sind sehr hoch. Über das Album werden wir demnächst auf unseren Seiten berichten.