Review: eMolecule – The Architect (2023)

Die Prog Musikwelt horchte auf als bekannt wurde, das Simon Collins mit EMOLECULE ein neues Bandprojekt ins Rennen schickt. Ausgangspunkt der Betrachtung soll hier weder die familiäre Herkunft des Musikers noch Mutmaßungen über sein Privatleben sein, denn immerhin legte er damals federführend gemeinsam mit David Kerzner im Unternehmen SOUND OF CONTACT mit “Dimensionaut” schlicht mal eines der anerkannt besten Prog Alben der 2010er Jahre vor. Und daran muss er sich messen lassen.

Tracklist:

1. eMolecule 10:43
2. The Architect 6:05
3. Prison Planet 4:58
4. Mastermind 8:39
5. Dosed 5:07
6. The Turn 5:56
7. Awaken 5:09
8. Beyond Belief 4:47
9. The Universal 6:03
10. My You 5:27
11. Moment of Truth 6:56

Vorweg kann gesagt werden: “The Architect” muss sich hinter diesem Referenzwerk überhaupt nicht verstecken! Wer sich im Netz  für für den 10minütigen Band-Titeltrack “Emolecule” Zeit genommen hat, der bekommt eine Ahnung von dem was einen erwartet: perfekt produzierten am Prog Metal angesetzte Musik, ungewöhnliche Sounds, ungewöhnliche Songstrukturen. In diesem Umfeld wird in hier in Mantra-ähnlicher Lyrik immer wieder wiederholt, wie die Band entstanden ist: “Aus Funken werden Noten, der Ursprung unseres Materials, eventuell sind wir Emolecule”. Ein psychedelischer Gitarrenpart im zweiten Teil des Stückes lässt weiter aufhorchen. Ein süchtig machender Opener dieser Veröffentlichung. Vielleicht nicht mit dem ersten Hördurchgang, aber mit spätestens dem dritten schon.

EMOLECULE – das sind Simon Collins und Kelly Nordstrom. Letzteren mag man nicht gleich auf dem Schirm haben. Er ist aber kein unbeschriebenes Blatt, wenn man z.B. die Credits von “Dimensionaut” liest. Denn er ist auf dem Album als Bandmitglied und in den meisten Songs als Mitautor verzeichnet. SOUND OF CONTACT waren 2013 und  2014 umfangreich auf den Prog Bühnen dieser Welt unterwegs (beispielsweise auf dem “Night of the Prog Festival” 2013 oder gemeinsam auf Tour mit SPOCKS BEARD oder den FLOWER KINGS), aber Kelly Nordstrom hielt sich in der Live-Präsentation offenbar lieber zurück.

Fragt man wie die denn die Musik dieser neuen Kapelle denn klingt, so tut man sich mit Vergleichen schwer. Die Musik ist hart, kompromisslos, trotzdem songorientiert, vor allem aber super produziert. Das hört man vor allem auf den leisen Inseln, die jeder noch so laute Song irgendwo in sich birgt. In der hier verwendeten Kombination von schweren Gitarren und Keyboards kommen OSI in den Sinn, wobei EMOLECULE mehr auf die Zwölf hauen, kompromissloser und direkter klingen. Auch ein bisschen FROST* vielleicht, ob des auch hier zurückgenommenen und verfremdeten Gesangs. Simon Collins und Kelly Nordstrom kreieren einen ziemlich eigenen Bandsound, und das muss man im Jahr 2023 auch erstmal hinbekommen, wenn gefühlt alles schon einmal irgendwie produziert worden ist. Vor allem ist das Ganze erstmal weit weg von SOUND OF CONTACT und deren Liebelei mit den späten GENESIS, oder von Simon Collins´ 2020er Solo-Album  “Being Human” mit keyboardschwangeren eher poppigen Songs, an welchem übrigens Kelly Nordstrom ebenfalls beteiligt war.

Auch die Texte begegnen uns mit bissigen und bösen Inhalten, passend zum bissigen und bösen Sound. Der Architekt im Titelsong des Albums beschreibt sich z.B. als “Monster ohne Namen” Bemerkenswert finde ich hier, wie in einigen anderen Stücken, das in ruhigen Stellen gesprochene Worte nicht nur emotionale Brücken bilden, sondern im Inlay abgedruckt inhaltlicher Bestandteil des Stückes ist.  “Prison Planet” klagt vom Gefangensein in sich und den Umständen. Herauszuheben ist besonders “Mastermind”, das besonders proggig strukturiert daher kommt und das Ganze musikalisch und textlich auf die Spitze treibt. Mit jedem neuen Hördurchlauf geht die Musik tiefer, saugt den Hörer in sich hinein und geht dann auch weit über den Aufhänger Prog Metal hinaus.

Spannenderweise ändert sich die Musik in der zweiten Albumhälfte, passenderweise nach dem Instrumental “The Turn”. Weiche Klänge eröffnen das Stück “AWAKEN”, gemeinsam mit der Botschaft: “Ich weiß ich kann nicht die ganze Welt retten, aber ich werde mit mir beginnen”. Es wird nicht mehr geklagt, sondern von innen heraus reflektiert. Zum großen Teil wird hier die Härte abgelegt, die Gitarren rücken nach hinten. Was aber kein Nachlassen der Qualität bedeutet. Es ist nur eben anders. Vieles wirkt nun melodiöser und wärmer; so manche Stelle erinnert nun sogar an SOUND OF CONTACT und könnte als Idee von dort liegen geblieben sein. Der erstmal unpassende Schluss von “Moment of Truth” und damit des Albums, als man kurz wieder zur Brachialität des ersten Albumteils zurückkehrt, lässt dieses Konstrukt gewollt wieder zusammenbrechen, und jeder kann da seins hinein interpretieren.

Natürlich kann jetzt unmittelbar nach Albumveröffentlichung noch nicht beurteilt werden, ob “The Architekt” von EMOLECULE diese Nachhaltigkeit erzielen kann wie “Dimensionaut” von SOUND OF CONTACT, welches man heute 10 Jahre nach Veröffentlichung immer noch sehr gerne hört.  Das Potential dafür ist da, “The Architekt” zeigt Mut, Biß, Konsequenz, textlich und musikalisch wohldurchdachte Konzepte und viel Sound- und Detailverliebtheit in der Produktion. Schauen wir mal, ob es mit EMOLECULE weiter geht oder ob wir wieder nur eine Album-Eintagsfliege haben. Das wäre schade.

Wertung: 9.5 | 10

pic: (C) band promo

eMolecule

Kelly Avril Nordstrom (git, bass, voc, keys)

Simon Collins (voc, dr, keys)

Please follow and like us:
Facebook
Instagram
TWITTER
Copyright © 2024 | STONE PROG | Die Welt des Progressive Rock